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Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Corona PandemieDie Sache mit den Spätfolgen: Aktuelle Fragen und Antworten zu Long Covid

09. Februar 2022, 11:11 Uhr

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie ist klar, dass nach einer akuten Erkrankung nicht automatisch alles gut ist – schon früh wurde von Langzeitfolgen berichtet. Der Nebel um Long Covid wird aber langsam lichter. Das hilft nicht nur, die Spätfolgen besser zu verstehen, sondern auch, die Forschung auf anderen Gebieten voranzutreiben. Zum Beispiel bei chronischer Erschöpfung.

Auch wenn die Covid-19-Pandemie schon eines der größten Schreckgespenste unserer Gegenwart ist, bringt sie gleich noch ein zweites mit, von dem schon während der ersten Corona-Welle berichtet wurde: die Langzeitfolgen, die mit einer Covid-19-Erkrankung einhergehen können. Da es sich eben um Langzeitfolgen handelt, liegt es in der Natur der Sache, dass sie noch nicht sonderlich gut erforscht sind. Damit sie aber auch mitten in der in der Omikron-Welle nicht zum Mysterium werden, fassen wir den aktuellen Stand zusammen:

Was ist Long Covid? Und was Post Covid?

Zwei Begriffe, die gern mal durcheinandergebracht werden – aber ehrlicherweise auch zu recht. Long Covid, die lange Covid, und Post Covid, die Nach-Covid-Symptome, sind Krankheitsbilder, die nach einer durchgestandenen Corona-Infektion erhalten bleiben oder überhaupt erst auftreten. Was nun als "Post" und was als "Long" bezeichnet wird, ist eine Definitionsfrage. Forschende am Universitätsklinikum Mainz zum Beispiel haben im Rahmen ihrer Long Covid-Untersuchungen festgelegt: Postinfektiöse Beschwerden, die innerhalb eines halben Jahres abklingen, sind Post Covid-Beschwerden, danach ist es Long Covid. Eine einheitliche Definition gibt es noch nicht.

Erschöpfung ist ein Symptom, das sich durch die Pandemie zieht – bedingt durch Long-Covid oder die Pandemie selbst. Bildrechte: imago images/Addictive Stock

Welche Beschwerden bringt Long Covid auf jeden Fall mit sich?

Auch das ist nicht so leicht zu sagen, weil die Symptome nicht immer spezifisch genug sind, um klar mit Corona in Verbindung gebracht zu werden. So kann es vorkommen, dass Menschen, die nur geglaubt haben, an Covid-19 erkrankt gewesen zu sein, ähnliche Symptome entwickeln wie Menschen, die tatsächlich erkrankt sind. Eine Ursache könnte zum Beispiel die allgemeine Belastung durch die mittlerweile zweijährige Pandemie sein. Daher rührt die Frage:

Was sind das für Symptome?

Ein auch nach Genesung auftretendes Symptom kann der vorübergehende Verlust des Geruchs- und Geschmackssinn sein. Das ist sowas wie ein Corona-Klassiker, so auch Kurzatmigkeit. Häufig berichten Betroffene aber auch von krankhafter Erschöpfung, Muskelschmerzen, einem Rückgang der kognitiven Leistung sowie Belastungsintoleranz. Eine Rückkehr in den Alltag kann die Beschwerden verstärken.

Gerade die krankhafte Erschöpfung ist ein großes Thema, wenn es um Corona-Spätfolgen geht. In diesem Zusammenhang fallen vor allem die Fachbegriffe ME/CFS und Fatigue. Fatigue fasst verschiedene Erschöpfungs-Symptome zusammen, die mit einer chronischen Erkrankung einhergehen können. ME/CFS bezeichnet das Chronisches Erschöpfungssyndrom und ist selbst eine chronische Erkrankung. Die Krankheit betrifft viele Menschen, ist aber vergleichsweise wenig erforscht. Long Covid könnte die Forschung in diesem Bereich intensivieren.

Was ist mit Gehirnschäden?

Derzeit sind eher weniger Fälle bekannt, in denen Sars-CoV-2 direkt Nervenzellen befällt. Es gibt aber Untersuchungen, die auf indirekte Auswirkungen hindeuten, bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen – also Demenz. Ob Corona Demenz auslöst, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt, zwei Jahre nach Beginn der Pandemie, freilich nicht sagen. Aber es wurde ein Molekül als Marker nachgewiesen, das freigesetzt wird, wenn Nervenzellen kaputtgehen.

Wie verbreitet sind Long Covid-Fälle?

Aktuelle Auswertungen von Teilnehmenden der Gutenberg-Covid-19-Studie der Uniklinik Mainz haben ergeben, dass knapp über vierzig Prozent der Personen, die von der Infektion wussten, sechs Monate danach über Symptome berichten, die im Katalog der von der WHO erfassten Long Covid-Symptome zu finden sind. Etwa genauso viele Menschen, die erst durch die Tests im Rahmen der Studie von der früheren Infektion erfuhren, berichten darüber. Tendenziell sind mehr Frauen als Männer betroffen und zwischen 25 und 88 Jahren findet sich kaum ein Alterszusammenhang. Gut 20 Prozent von ihnen berichteten über eine mäßige oder sogar eine schwere Beeinträchtigung durch Long Covid. Wichtig: Long Covid-Beschwerden können nicht nur bei schweren, sondern auch bei milden Verläufen auftreten.

Und nicht nur das: Interessanterweise berichten in der Gutenberg-Studie auch mehr als vierzig Prozent der untersuchten Personen ohne Infektion über Long Covid-artige Symptome während der Pandemie, die mindestens ein halbes Jahr anhielten. Das zeigt, wie komplex eine Einordnung der möglichen Corona-Spätfolgen ist.

Was ist mit Kindern?

Long Covid-Fälle wurden bei Kindern bisher deutlich seltener beobachtet, kommen aber vor. Das ist auf ein besseres Immunsystem zurückzuführen. Ein genaueres Bild von Long Covid bei Kindern ist für die Zukunft zu erwarten. Gerade erst hat die Weltgesundheitsorganisation die Definition für Long Covid geschärft und vereinheitlicht. Erreicht wurde das durch ein Gremium aus 120 internationalen Expertinnen und Experten, davon 50 aus der Forschung. In den Definitionsprozess floss auch die Erfahrung von 23 durch Long Covid betroffene jungen Menschen ein. Weitere 47 Stimmen stammen aus dem Bereich der Klinik und Pflege. Die einheitliche Definition ergänzt damit eng die Long Covid-Definition von Erwachsenen und ermöglicht es u.a., Studien und deren Ergebnisse international vergleichen zu können.

Anders als bei der Definition der Mainzer Forschenden, ist die Unterscheidung zwischen Post und Long dabei jedoch nicht klar definiert, was sich schon im Titel "Long COVID (Post-COVID-19 condition) in children" zeigt. Entsprechend lautet die Definition: "Ein Post-Covid-19-Zustand tritt bei jungen Menschen mit einer bestätigten Sars-CoV-2-Infektion auf, mit mindestens einem anhaltenden körperlichen Symptom für eine Mindestdauer von 12 Wochen nach anfänglicher Testung, die nicht durch eine alternative Diagnose erklärt werden kann. Die Symptome wirken sich auf das Alltagsleben aus, können nach einer Covid-19-Infektion fortbestehen oder sich weiterentwickeln und im Laufe der Zeit ab- und zunehmen oder wiederkehren."

Was hilft gegen Long Covid? Und wie verhindert man es?

Da Long Covid keine Krankheit ist, sondern Krankheitsbilder und Symptome zusammenfasst, gibt es keine einheitliche Therapie. Eine Behandlung muss demnach individuell abgewogen werden. So kann es bei ME/CFS etwa ein Therapieansatz sein, Patientinnen und Patienten Antikörper (Immunglobulin) zu verabreichen.

An sich ist es ganz gut zu wissen, wer überhaupt ein erhöhtes Risiko hat, an Long Covid zu leiden. Forschende am Universitätsspital in Zürich kümmern sich darum und haben gezeigt, dass bei klassischen Corona-Risikogruppen (höheres Alter, Asthma, Vorerkrankung) auch das Long Covid-Risiko erhöht ist. Dem Team gelang es auch, anhand von im Blut vorkommenden Antikörper-Klassen Rückschlüsse auf das Long Covid-Risiko zu ziehen. Die Forschenden konnten dadurch ein Vorhersagemodell für Long Covid entwickeln.

Was bedeutet Long Covid für die Zukunft?

Es ist zu erwarten, dass Long Covid eine starke Beeinträchtigung für die Bevölkerungsgesundheit darstellt und vor allem in den kommenden Jahren darstellen wird. Was das genau bedeutet, weiß derzeit niemand, da es so eine Situation schlichtweg noch nicht gab. Möglicherweise kann sie aber auch helfen, Krankheiten wie ME/CFS besser zu verstehen und zu behandeln – ganz unabhängig, ob durch Corona ausgelöst oder nicht.

Dass Long Covid viele Menschen betrifft oder betreffen wird, bedeutet aber auch, dass viele Menschen künftig zumindest zeitweise aus dem Berufsleben fallen werden. Somit wird Long Covid in den kommenden Jahren möglicherweise auch unser Gesellschaftsgefüge und die Wirtschaft beeinträchtigen.

flo

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