Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung

Magie und MedizinDas älteste Medizinhandbuch der Welt liegt in Leipzig

27. Oktober 2023, 18:21 Uhr

Geschützt in einem Tresor bewahrt die Universitätsbibliothek Leipzig einen echten Schatz auf: die größte und einzige vollständig überlieferte medizinische Papyrusrolle des alten Ägyptens, den Papyrus Ebers. Die Schriftrolle ist ein einzigartiges Sammelwerk über die Heilkunst der alten Ägypter. Doch kann uns dieses 3.500 Jahre alte Wissen auch im 21. Jahrhundert noch nützlich sein? Und wie kann man es möglichst vielen Menschen zugänglich machen?

Die längste, wichtigste, schönste, älteste komplett überlieferte Schriftrolle zur altägyptischen Heilkunst: Der Papyrus Ebers steckt voller Superlative. Und voller Geheimnisse. Wie Forschende versuchen, diese Geheimnisse zu lüften und die Schriftrolle für den internationalen Wissensaustausch zugänglich zu machen, davon handelt die MDR-Dokumentation "Magie & Medizin: Die Geheimnisse des Papyrus Ebers", die in Zusammenarbeit mit Arte und ARD Alpha entstanden ist.

Sie begleitet unter anderem die Pharmazeutin und Ägyptologin Tanja Pommerening, die an der Universität Marburg versucht, dem Papyrus Ebers seine Rezepte zu entlocken. Sie begleitet Jörg Graf, den Chefrestaurator der Universitätsbibliothek Leipzig, dessen Ziel es ist, die Papyrusrolle in einer möglichst originalgetreuen Replik herzustellen. Und sie erzählt die Geschichte des Leipziger Ägyptologen und Sprachforschers Georg Ebers, der sich im Jahr 1873 in Ägypten auf die Suche nach dem dort vermuteten Schatz macht und ihn nach Leipzig bringt.

3.500 Jahre alte Rezepte nachgekocht

Tanja Pommerening steht mit ihren Mitarbeitenden in einem Labor. Alles ist klinisch rein, weiß, lichtdurchflutet und auf den Arbeitsplatten stehen Plastikschüsseln, Digitalwaagen und Mörser. Bei den ägyptischen Medizinern sah es wohl sehr anders aus. Und doch sind die Rezepte die gleichen, wie vor 3.500 Jahren.

Die Pharmazeutin und Ägyptologin hat durch ihre Forschung die Maßeinheiten der alten Ägypter entschlüsseln können und war damit zum ersten Mal seit seiner Entdeckung in der Lage, die Rezepte aus dem Papyrus Ebers zuzubereiten und somit auch ihre Wirkung nachprüfen zu können. Aber trotzdem kommen die Wissenschaftler immer wieder an Grenzen, vor allem bei der Übersetzung. Ist beispielsweise das, was die alten Ägypter als "Mimi" bezeichnen, und was ihnen als Hauptzutat für ein Hustenmittel dient, nun Hirse, Emmer oder Leinsamen? Um das herauszufinden, muss das Mittel zubereitet – und auch probiert werden.

Bildrechte: MDR/Arved von zur Mühlen

"Insgesamt kann man sagen, dass im pflanzlichen Bereich tatsächlich nur 20 Prozent der Drogen sicher identifiziert sind", so Tanja Pommerening. "Es gibt einige, die man sehr stark eingrenzen kann, aber es gibt eben einige, da wissen wir gar nicht weiter. Und das ist genau das, an dem wir arbeiten."

Aber warum sollte man uralte Rezepte, die man nur teilweise versteht überhaupt nachkochen? "Die Rezepte im Papyrus Ebers haben aus heutiger Sicht enorme pharmakologische Potenzen. Die liegen mehr in dem, was wir heute Volksheilkunde nennen würden. Aber wir können daraus Rückschlüsse ziehen, die uns in bestimmten Bereichen für eine Arzneistoffentwicklung wirklich Neues bieten, da bin ich mir sicher.", sagt Tanja Pommerening.

Denn auch wenn die Medizin der alten Ägypter stets aus einer Mischung aus Magie und Heilkunde bestand, war sie keineswegs wirkungslos. Schon damals wurde etwa die Wurzelrinde des Granatapfelbaums als Wurmmittel verwendet. Die moderne Forschung hat diese Wirkung bestätigt und die Rinde wird auch heutzutage eingesetzt.

Fast 900 Krankheitsbeschreibungen, Heilmittelrezepte und magische Sprüche finden sich auf den 18,6 Metern Schriftrolle. Vom Haarausfall, über Husten bis hin zu Herz- und Magenbeschwerden wird hier alles Mögliche beschrieben, was uns auch noch im 21. Jahrhundert plagt.

Papyrus Ebers: Ein geheimer Schatz für die Öffentlichkeit

Doch obwohl es alle betrifft, waren die Inhalte des Papyrus Ebers zu seiner Entstehungszeit wohl nur einem kleinen elitären Kreis an Heilern zugänglich. Die Medizin war ein wohlgehütetes Geheimnis im alten Ägypten und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Und auch noch im Jahr 2018, als der damalige Bibliotheksdirektor Ulrich Schneider und der Kurator der Papyrussammlung Reinhold Scholl, die Herstellung einer Replik des Papyrus Ebers anregen, ist die Existenz dieses einmaligen Schatzes nur einem engen Kreis von Spezialisten bekannt. Das soll sich nun endgültig ändern. Aufwendig auf echten Papyrusblättern gedruckt, soll die Replik dem Original möglichst nahekommen. Papyrus Ebers in seiner vollen Pracht.

Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach. Jörg Graf, Chefrestaurator der Albertina hat die Herstellung der Replik koordiniert. Seit über 20 Jahren kümmert er sich darum, dass das wertvolle Stück erhalten bleibt und keinen Schaden nimmt.

Der Papyrus Ebers ist ein absolut spektakuläres Stück. In seiner Vollständigkeit, wie in seiner Länge von 18 Meter 63 Zentimeter. Vor allem weil sich in der gesamten Länge konstant eine hohe Qualität in seiner Herstellung und Beschreibung durchzieht. Es gibt keinen Bruch, es gibt keinen Qualitätseinschnitt. Phänomenal, fantastisch!

Jörg Graf, Chefrestaurator der Albertina

Jörg Graf, Chefrestaurator der Universitätsbibliothek Leipzig, besucht in Luxor das Grab des königlichen Schreibers und Arztes Nebamun, der hier im 15. Jhd. v. Chr. beigesetzt wurde. Könnte der Papyrus Ebers hier gelegen haben? Bildrechte: Sebastian Eschenbach/MDR

Die MDR-Dokumentation begleitet ihn auf seiner Reise nach Ägypten, auf der Suche nach der Herkunft der Rolle. Denn auch diese gehört zu den Geheimnissen der Schriftrolle. Georg Ebers kaufte sie einem Händler ab, der ursprüngliche Finder der Rolle soll zu diesem Zeitpunkt schon verstorben gewesen sein. Und so bleiben der Fundort und damit auch der Fundzusammenhang unbekannt. Wer war der Verfasser? Zu welchem Zweck wurde der Papyrus geschrieben? Wie überstand er über 35 Jahrhunderte ohne den geringsten Schaden zu nehmen? War es die Grabbeigabe eines Arztes? Oder lag der Prachtband doch eher in einer Tempelbibliothek, wo Ärzte ihre Ausbildung durchliefen und praktiziert haben? Fragen, die sich nicht klären lassen.  

In der Leipziger Siebdruckwerkstatt von Dennis Blumenstein ist dann letztlich die Replik entstanden. Auf echten Papyrusblättern – dem Papier der Pharaonen. Nun ist sie in einem eigenen Schauraum im Foyer der Bibliotheca Albertina ausgestellt und endlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Die Replik des Papyrus Ebers ist vollkommen ausgerollt in einer elf Meter langen Vitrine von beiden Seiten zu sehen, so wie er ausgesehen haben könnte, kurz nachdem der unbekannte Verfasser ihn vor etwa 3.500 Jahren fertiggestellt hat.

Die gesamte Dokumentation "Magie & Medizin: Die Geheimnisse des Papyrus Ebers" finden Sie in der ARD Mediathek

Interessante Links

Der Papyrus Ebers ist seit 2016 auch als digitales Faksimile online und kann hier angesehen werden. Der gesamte Text ist dort in der deutschen Übersetzung von Lutz Popko und in der englischen Fassung von Andrea Sinclair Rezept für Rezept aufrufbar.

Literatur zum Thema

Reinhold Scholl: Der Papyrus Ebers. Die größte Buchrolle zur Heilkunde Altägyptens (Schriften aus der Universitätsbibliothek 7), Leipzig 2002

Papyros Ebers. Das hermetische Buch über die Arzneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift, herausgegeben, mit Inhaltsangabe und Einleitung versehen von Georg Ebers. Mit hieroglyphisch-lateinischem Glossar von Ludwig Stern, 2 Bände, Leipzig 1875

Zurück zur Homepage