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Wo Einsteins Theorie Praxis istNächster Halt Sagittarius A*: Die Reise zum Zentrum unserer Milchstraße

13. Mai 2020, 17:14 Uhr

Das Zentrum unserer Milchstraße ist für Astronomen von besonderem Interesse. Dort ballen sich Masse und Energie. Rund um das Schwarze Loch Sagittarius A* können Einsteins Theorien praktisch beobachtet werden.

von Clemens Haug

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Extreme Schwerkraft verändert Zeit, Raum und auch die Umlaufbahnen von Planeten und Sternen. Das haben Astronomen erst kürzlich wieder in einer Studie über den Stern „S2“ gezeigt. Wie von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorausgesagt, verändert sich die Umlaufbahn dieses etwa zwölf Sonnenmassen großen Gasballs – weil er sich um Sagitarrius A* dreht, das 4,5 Millionen Sonnenmassen große Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße.

Schwarzes Loch zieht Gaswolke wie ein Spaghetti in die Länge

Dieses Zentrum der Galaxie ist für die Astronomie extrem spannend. Nirgendwo sonst in unserer Milchstraße ballt sich derart viel Materie, gibt es so viele Sterne, Gas und kosmischen Staub, aber auch Energie. Hier können die Naturgesetze auf extremer Skala beobachtet werden, mitunter finden Forscher auch etwas über die Grenzen ihres Geltungsbereichs heraus. Die Arbeitsgruppe um Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, die die Studie zu S2 erstellt hat, beobachtet das Zentrum deshalb schon seit vielen Jahren.

Stefan Gillessen, Mitglied der Forschungsgruppe, schildert die Beobachtung einer Gaswolke, die die Wissenschaftler seit 2012 im Blick hatten. "Sie befand sich auf direktem Konfrontationskurs mit dem Schwarzen Loch und das was spektakulär anzusehen. Sie ist im Lauf der Zeit immer länger geworden, wie ein Spaghetti. 2014 ist es um das Loch herumgeflogen und an der anderen Seite wieder herausgekommen", schildert er. Verantwortlich für dieser Verzerrung war die Schwerkraft des Schwarzen Lochs.

Zentrum der Milchstraße: Millionen mal mehr Sterne als bei uns

Dass Forscher heute das Zentrum beobachten können, verdanken sie dem technischen Fortschritt bei den Teleskopen. Gewöhnliches Licht schafft es dank dichter Staubwolken nicht vom Zentrum zu uns. Nur infrarote Strahlung bahnt sich den Weg durch den Staub. Sie kann mit speziellen Teleskopen eingefangen und am Computer für Menschen sichtbar gemacht werden.

Mit solchen Teleskopen betrachtet auch die Arbeitsgruppe um Nadine Neumayer vom Max-Planck-Institut für Astronomie das galaktische Zentrum. Neumayer und Kollegen interessieren sich vor allem für den sogenannten galaktischen Nukleus, die zentrale Sternscheibe in der Nachbarschaft des Schwarzen Lochs. Dort gibt es extrem viele Sterne, mehr als irgendwo sonst in unserer Galaxie.

Die Sterndichte im Zentrum der Milchstraße ist millionenfach höher als in unserer Sonnenumgebung. In der Sonnenumgebung hat man im Mittel weniger als 0.1 Sterne in einem Würfel von etwa 3,6 Lichtjahren Kantenlänge. Im zentralen Sternhaufen der Milchstraße sind es ungefähr eine Millionen in einem gleich großen Gebiet. Typische Kugelsternhaufen sind etwa 10-100 mal weniger dicht als der zentrale Sternhaufen im Galaktischen Zentrum.

Nadine Neumayer, Max-Planck-Institut für Astronomie

Pulsare: Galaktische Uhren, mit denen man die Raumzeit vermessen kann

Auch diese Massen haben Effekte auf das Gefüge von Raum, Zeit, Materie und Energie, das laut Einsteins Theorien untrennbar miteinander verbunden ist. Um diese Effekte noch besser untersuchen zu können, hoffen viele Astronomen auf die Entdeckung eines Pulsars in der Nähe von Sagitarrius A*. Ein solcher schnell drehender Neutronenstern strahlt regelmäßig radioaktive Blitze ab. Astronomen können ihn nutzen wie einen Leuchtturm, beziehungsweise wie eine kosmische Uhr, erklärt Miachel Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Durch seine Signale können wir einerseits messen, wenn die Uhr schneller oder langsamer geht. Eine Uhr geht in der Nähe einer großen Masse langsamer, als weiter weg. Das sehen wir etwa an GPS Uhren auf Satelliten, die schneller gehen als hier auf der Erdoberfläche. Andererseits können wir die Bahn des Pulsars durch das Verfolgen der Uhr genau bestimmen. Wenn die Uhr weiter weg ist, kommen die Signale etwas später an, wenn die Uhr näher bei uns ist, kommen sie etwas früher an. Dadurch kann man die Position des Pulsars auf seiner Bahn auf bis auf 30 Meter genau vermessen. Das Schwarze Loch erzeugt nun einige Effekte, die die Bahn stören. Vielleicht das bekannteste Beispiel ist das “Frame-Dragging”. Das ist das Verwirbeln der Raumzeit durch die Rotation des Schwarzen Lochs. Die Bahn des Pulsars spürt die verwirbelte Raumzeit und wird deshalb gestört. Insgesamt können wir dadurch die Masse und die Drehung des Schwarzen Lochs genau vermessen.

Miachel Kramer, Max-Planck-Institut für Radioastronomie

Viele Fragen offen

Kramers Arbeitsgruppe fand bereits vor einigen Jahren einen Magnetar, einen extrem starken Pulsar im galaktischen Zentrum. Weitere Pulsare würden helfen, die von Einstein vorausgesagten Effekte noch genauer zu überprüfen. In der Erforschung des galaktischen Zentrums sind noch viele Fragen offen. Aber mit jedem neuen Instrument, mit dem wir es untersuchen, machen wir spannende, neue Entdeckungen.

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