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Böllerwütige Ossis?Warum die Feinstaub-Belastung in der Neujahrsnacht im Osten besonders hoch war

03. Januar 2024, 16:58 Uhr

Ostdeutsche Städte führten die Rangliste der Luftverschmutzung in der Silvesternacht an, allen voran Berlin und Dresden. Das heißt aber ganz und gar nicht, dass im Osten mehr Böller und Raketen gezündet wurden als anderswo.

Silvester-Feuerwerk erzeugt Feinstaub, und Feinstaub ist gesundheitsschädlich. Beides steht nicht zur Debatte. Diskutieren muss man aber über eine Gedankenkette, die in sozialen Netzwerken schon in den ersten Stunden des neuen Jahres aufkam. Diese Kette lautet: Sechs ostdeutsche Städte führten am frühen Neujahrsmorgen die Live-Rangliste der deutschen Städte mit der größten Luftverschmutzung an. Also wurde in Dresden, Berlin, Erfurt, Leipzig, Potsdam und Rostock besonders viel geböllert.

Diese Schlussfolgerung ist aber so nicht zulässig. Denn wie viel Feinstaub in den Städten hängen bleibt (und dann die Gesundheit der Menschen schädigt), hängt bei weitem nicht nur von der Anzahl der abgefeuerten Böller und Raketen ab.

Aber der Reihe nach. Ja, auch nach den Daten des Umweltbundesamtes liegen Messstationen in Berlin, Dresden und anderen ostdeutschen Städten weit vorn im Rankíng der Luftverschmutzung in der Neujahrsnacht. Das folgende Diagramm zeigt die Belastung durch verschiedene Partikel in der Luft, die nach ihrer Größe PM2,5 und PM10 genannt werden.

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Und nun schauen wir auf eine der vorderen Messstationen, nämlich Dresden-Nord. Das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat da noch genauere Daten, nicht nur das sogenannte gleitende Tagesmittel wie im ersten Diagramm, sondern die tatsächlich gemessenen Werte zu jeder Stunde, in diesem Fall die Belastung durch die sogenannten PM10-Partikel, die vor allem durch Feuerwerk freigesetzt werden.

Wenn man da die Belastungen der sieben zurückliegenden Silvesternächte seit 2017/18 vergleicht, könnte der Eindruck entstehen, dass 2023/24 in Dresden fünfmal so viel geböllert wurde wie in den Jahren zuvor.

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Aber auch diese Schlussfolgerung ist nicht zulässig. Zwar gibt es keine zuverlässigen Statistiken, wie viel nun wirklich in Dresden oder Berlin geböllert wurde. Aber für Feinstaubbelastung gibt es eben noch andere wichtige Faktoren.

Bei Windstille ist die Feinstaubbelastung höher

"Das Ausmaß des Einflusses des Feuerwerks auf die Feinstaubkonzentration ist neben der Intensität des Feuerwerks an sich auch von anderen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel vom Niederschlag, der Windstärke/-richtung und der allgemeinen Durchmischung der Luftschichten", schreibt Katrin Bernhardt vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.

Und tatsächlich wehte in Dresden und Berlin in der Silvesternacht kaum Wind. An den Stationen Dresden-Klotzsche und Berlin-Tempelhof waren es in den fraglichen Stunden nur um die drei Meter pro Sekunde, also etwa zehn Kilometer pro Stunde. In innerstädtischen Bereichen mit starker Bebauung dann sicherlich noch etwas weniger.

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Und so ist die Antwort recht einfach, warum eine ganze Region eine besonders hohe Silvester-Feinstaubbelastung hat: Weil innerhalb dieser Region die Wetterverhältnisse nahezu gleich und "feinstaubfreundlich" waren.

Schön illustriert wird diese Erkenntnis, wenn man sich die Daten aus dem allerersten Diagramm für genau ein Jahr zuvor anschaut. Plötzlich sind (beziehungsweise waren) ganz andere Landstriche vorn, dazu noch mit viel höheren Werten als die ostdeutschen Städte in diesem Jahr.

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Wurde 2022/23 in Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen also besonders viel geböllert? Wahrscheinlich nicht. Das Wetter war dort nur anders.

(rr)

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