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Abstandsgebote und Hygieneregeln verhindern auch die Verbreitung der Grippe. (Symbolfoto) Bildrechte: imago images/Ralph Peters

Kontaktverbote und HygieneregelnKommt nach Corona die Super-Grippewelle?

19. Oktober 2021, 10:22 Uhr

Die aktuellen Grippezahlen sind wegen Hygiene- und Abstandsregeln ungewöhnlich niedrig. Was passiert, wenn die Regeln aufgehoben werden? Epidemiologen befürchten eine Super-Grippewelle im nächsten Jahr.

Mit der kalten Jahreszeit kommen üblicherweise auch Erkältungen und Grippeinfektionen zurück. Dieses Jahr scheinen sie allerdings auszufallen – dank der Hygienegebote und Kontaktbeschränkungen, die zur Eindämmung der Coronainfektionen gelten. Das hat sich bereits im Frühjahr angedeutet und während des Südhalbkugel-Winters in Neuseeland und Australien bestätigt. Forscher gehen für die USA davon aus, dass es im laufenden Jahr rund 20 Prozent weniger Übertragungen von Influenza- und von Respiratorisches-Synzytial-Viren (RSV) gegeben hat, eines weiteren Erregers von grippalen Infekten, der vor allem Kinder unter fünf Jahren befällt.

In der Fachsprache werden solche aktuell für Corona geltende Regeln auch Nichtpharmazeutische-Interventionen genannt, kurz NPIs. Gemeint sind alle Ansätze zur Bekämpfung einer Epidemie, die ohne Arzneimittel arbeiten. Was passiert nun, wenn die NPI nach der Ausgabe einer Coronaimpfung aufgehoben werden? Ein Team von Epidemiologen um Rachel Baker von der Princeton Universität hat für die USA die mögliche Dynamik einer Erkältungswelle simuliert. Im Fachblatt PNAS äußern die Forscher ihre Befürchtung, dass im nächsten Winter eine Supergrippewelle anstehen könnte.

Wenig Forschung: wie sich Abstandsregeln auf die Ausbreitung saisonaler Krankheiten auswirken

Es gebe zwar einige Studien zu Faktoren, die die Ausbreitung von Infektionen beeinflussen, schreiben die Autorinnen und Autoren. Dazu gehören die Zyklen von Schul- und Universitätsjahren, der Wechsel der Jahreszeiten sowie größere Bewegungsmuster von Menschen, also auch Migration. Nur wenige Arbeiten würden sich dagegen mit der Frage beschäftigen, wie sich NPIs auf das Ausbreitungsgeschehen auswirken. Eine Ausnahme seien hier Studien zu den Regeln, die die Ausbreitung der spanischen Grippe 1918 eindämmen sollten. Diese hätten wohl auch die Masern stark eingeschränkt.

Für ihre aktuelle Studie haben Baker und Kollegen epidemiologische Daten aus Florida zu Influenza und den RS-Viren ausgewertet. Die zeigen, dass die Anfälligkeit für RSV zunimmt, je länger man die Infektion nicht hatte. Dadurch drohen größere Ausbrüche, wenn die NPIs aufgehoben werden. Um die Gefahr abzuschätzen, simulierten die Forscher zwei mögliche Szenarien: NPIs bleiben für ein halbes oder für ein ganzes Jahr in Kraft.

Für Corona gibt es noch keine Daten für ein ganzes Jahr, daher fehlt Sars-CoV-2 in dieser Übersicht. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Länger andauernde Abstandsregeln führten in der Simulation zu stärkeren Grippewellen in den Folgejahren

Bleiben Hygienegebote und Kontaktbeschränkungen nur ein halbes Jahr in Kraft, zeigt die Simulation für das County New York einen großen Ausbruch von RSV-Infektionen im Winter 2020/2021. Bleiben die NPIs sogar ein ganzes Jahr in Kraft, dauerte der Ausbruch in der Simulation länger an, erfasste aber weniger Menschen gleichzeitig.

Für die Influenza sind die Daten dagegen komplexer, kommende Grippewellen sind daher schwieriger zu simulieren. Die Forscher haben daher aus den Daten der Vergangenheit verschiedene Übertragungsszenarien abgeleitet. Es könne eine Saison mit starker Übertragung gegen, dann könnte es nach einem ganzen Jahr mit Hygienegeboten und Kontaktbeschränkungen zu einer bereits im Spätsommer einsetzenden Grippewelle kommen. Bei geringeren Übertragungen kommt ein überdurchschnittlich starker Ausbruch erst im folgenden Frühjahr.

Grippe-Ausbreitung möglicherweise noch stärker gebremst von Abstandsgeboten

In allen Simulationen zeige sich: NPIs führen zu einem stetigen wachsen der Anfälligkeit für Influenza- und Respiratorischen-Synzytial-Viren. Die Forscher räumen allerdings ein, dass diese Szenarien bislang auf vielen theoretischen Annahmen beruhen, die noch nicht zu hundert Prozent durch Beobachtungen gedeckt werden können. So sei beispielsweise unklar, wie genau die NPIs aktuell die Ausbreitung von Grippe- oder RS-Viren verändern. Tatsächlich könnte die Unterbrechung noch stärker sein, worauf etwa Beobachtungen aus Hong Kong hinweisen, wo zwischen 33 und 44 Prozent weniger Influenza-Fälle gemeldet werden. Das heißt, inwiefern die Simulation auf die Wirklichkeit übertragbar ist, muss sich erst noch zeigen.

(ens)

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