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In vielen tropischen Ländern, wie hier in Singapur, werden die Überträgermücken mit Insektengiften bekämpft. Ein neuer Impfstoff könnte sie jetzt auch einfachere Weise weniger gefährlich machen. Bildrechte: imago images/Xinhua

Einer gegen alleForscher entwickeln Impfstoff gegen Mücken-Infektionen

05. Juli 2020, 12:03 Uhr

Englische Forscher haben eine Impfung gegen alle Krankheiten entwickelt, die durch Mücken übertragen werden: Malaria, Dengue, West-Nil, Zika. Der Trick: Sie zielen mit ihrem Impfstoff nicht auf die Krankheitserreger, sondern auf die Mücken.

von Gabi Schlag und Benno Wenz

Malaria, Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber oder Zika können tödlich verlaufen. Im Fall von Zika können die Viren auch Schäden bei Ungeborenen verursachen. Die Mücken, die diese Krankheiten übertragen, sind durch den Klimawandel bereits in unseren Breitengraden angekommen. Daher wächst die Gefahr, dass die Krankheiten auch bei uns ausbrechen.

Mückenspeichel macht Immunsystem blind

Forscher der britischen Biotech-Firma SEEK haben einen Impfstoff entwickelt, der einen wirksamen Schutz gegen all diese Krankheiten bieten könnte. Das Team um Olga Pleguezuelos ging dabei von der Überlegung aus, dass Mücken ihren Speichel dazu einsetzen, das Immunsystem der Opfer außer Gefecht zu setzen. Das Immunsystem erblindet quasi und erkennt die im Speichel befindlichen Krankheitserreger nicht mehr, sondern wehrt sich nur gegen den Stich in der Haut.

Mücken: Fiese, kleine Stecher

Die Gemeine Stechmücke - der Name sagt alles. Ihr Summen hören wir am häufigsten in unseren Wohnungen und Häusern, wo sie das ganze Jahr zu finden ist. Der Stich ist klein, das Jucken meist groß. Die Weibchen stechen übrigens nur, weil sie Stoffe aus unserem Blut zur Eiablage brauchen. Sie ernähren sich von Pflanzensäften. Bildrechte: imago/blickwinkel
Die Kriebelmücke - Biologen unterscheiden 50 verschiedene Arten in Deutschland. Ihre Weibchen sind Blutsauger. Aber sie lieben Rinder. Bildrechte: imago images / blickwinkel
Große Hausmücke, Ringelmücke auch Ringelschnake. Über einen Zentimeter groß und das ganze Jahr aktiv. Hinterlässt beim Stechen oft auch Entzündungen. Bildrechte: imago/blickwinkel
Die Asiatische Buschmücke ist erst seit 20 Jahren bei uns zu finden. Sie gilt auch als Überträger verschiedener Krankheiten, wie etwa des West-Nil-Virus'. Bildrechte: imago/blickwinkel
Die Trauermücke ist völlig ungefährlich für Menschen, aber enorm lästig, denn die Larven fressen bevorzugt Pflanzenwurzeln. Bildrechte: imago/blickwinkel
Tigermoskito wird die Asisatische Tigermücke gelegentlich auch genannt. Sie ist tagaktiv, sehr stechfreudig und überträgt in den Tropen verschiedene Viren. Dafür ist es bei uns (noch) zu kalt. Bildrechte: imago images/Blickwinkel
Wintermücken sind unempfindlich gegen Kälte und können gut im Winter und in Höhenlagen überleben. Sie stechen nicht und sind für Menschen völlig ungefährlich. Bildrechte: imago/blickwinkel

Das ganze Problem ist, dass das Immunsystem nicht erkennen kann, dass es sich um eine Infektion handelt. Es ist egal, ob es Malaria ist oder Chikungunja, oder Dengue-Fieber. Das Immunsystem sieht es einfach nicht. Und diese Blindheit versuchen wir mit dem Impfstoff zu überwinden.

Olga Pleguezuelos, SEEK London

Ein Impfstoff gegen alle Mückenkrankheiten

Mückenspeichel ist eine komplexe biochemische Flüssigkeit aus unzähligen Eiweißverbindungen. Könnten die Wissenschaftler Bestandteile darin finden, die das Immunsystem aktivieren würden, damit es die Opfer vor den im Speichel befindlichen Erregern warnt? Mit diesen Bestandteilen könnte man dann impfen. "Durch diverse Versuche fanden wir heraus, dass die kleinsten Proteine das Immunsystem aktivieren", sagt Pleguezuelos. "Mit diesen Speichelproteinen haben wir Tiere geimpft und anschließend mit Malaria infiziert. Und siehe da, es funktionierte: Die geimpften Tiere wurden nicht krank."

Fünf weitere Jahre benötigten die englischen Forscher, um genau die vier Proteine im Mückenspeichel zu finden, die das Immunsystem besonders stark reagieren lassen. Diese Proteine werden nun im Labor synthetisch hergestellt. Sie aus dem Mückenspeichel zu gewinnen, wäre viel zu aufwändig.

Das macht die Herstellung kostengünstiger, da diese Impfstoffe von Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen eingenommen werden müssen. Sie können sich nicht leisten, zehn verschiedene Impfstoffe für alle Krankheiten zu bezahlen, die sie betreffen. Einen Impfstoff zu geben, der mit all diesen Krankheiten umgehen kann, wäre ein großer Vorteil für die Bevölkerung beispielsweise in Afrika.

Olga Pleguezuelos, SEEK London

Impfstoff tötet auch Mücken ab

Positiver Nebeneffekt: Der Impfstoff wirkt auch gegen die Mücken selbst. Sie nehmen beim Stechen die menschlichen Antikörper auf und können kein weiteres Mal stechen. Nach einigen Tagen gehen sie zugrunde, noch bevor sie Eier legen können. Und alle Krankheitserreger, die sich im Mückenspeichel befinden, werden ebenfalls abgetötet. "Wenn man beim Menschen Malaria auslösen möchte, muss man tausende Erreger verabreichen. Wenn sie aber im Mückenspeichel sind, genügen schon fünf. Das zeigt die enorme Wirkung von diesem Speichel", sagt die Forscherin.

Denkste: Irrtümer des Alltags Von wegen, Tigermücke!

Bildrechte: imago images/Blickwinkel | imago images / Westend61

Jetzt hat die englische Biotech-Firma eine erste klinische Studie durchgeführt, bei der Menschen gegen Mückenspeichel geimpft wurden. Ergebnis: Die Probanden haben den Impfstoff gut vertragen und Antikörper gegen den Mückenspeichel gebildet. Die Mücken sind tatsächlich nach acht Tagen gestorben, während die "Kontrollmücken", die dem Impfstoff nicht ausgesetzt waren, 21 Tage überlebten. Die Studie wurde im renommierten Fachblatt "The Lancet" veröffentlicht.

Folgestudien mit mehr Probanden notwendig

Auch in Deutschland ist man von den Ergebnissen sehr beeindruckt. Thomas Jacobs forscht am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. "Erstmal geht es nur darum zu zeigen, dass diese Peptide, die aus dem Mückenspeichel abgeleitet wurden, sicher sind. Bei Impfstoffen dürfen wir uns keinerlei größere Nebenwirkungen leisten, weil wir Gesunde impfen wollen. Noch war die Probandenzahl relativ klein, um größere Nebenwirkungen auszuschließen. Da muss man sicherlich nochmal eine Folgestudie machen, aber ansonsten würde ich denken, ist das auf jeden Fall der richtige Weg", ordnet er den Forschungsstand ein.

Die englischen Wissenschaftler müssen nun eine Phase-2-Studie durchführen, bei der tatsächlich geimpfte Probanden von einer Mücke gestochen werden, die mit einer milden Form von Malaria infiziert ist. Dann wir geprüft, ob die Impfung wirkt. Falls diese Studie ebenfalls erfolgreich verläuft, muss der Impfstoff in einer Phase-3 Studie noch einmal mit Tausend Probanden und danach mit mehreren Tausend im freien Feld getestet werden. Dann könnte der Impfstoff tatsächlich auf den Markt gebracht werden.

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