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Die Steinhummel erkennt man an ihrem leuchtend roten Hinterteil. Bildrechte: imago images / blickwinkel

InsektenzählungWas die blaue Holzbiene über Sachsen verrät

25. Juni 2020, 11:39 Uhr

Wenn die Ausbeute bei der Insektenzähl-Aktion des NABU beim einen oder anderen mager war, lag das vielleicht nicht nur an fehlenden Biokenntnissen, sondern auch am Mangel an Insekten. Ein neues Insektenschutzgesetz soll jetzt helfen. Der NABU fühlt der Natur regelmäßig auf den Zahn in Zählaktionen, die erste Insekteninventur 2020 ist Geschichte. Eine Stunde lang sollten wir im Mai im Garten, Park oder auf dem Balkon nach Bienen, Käfern und Wanzen Ausschau halten. Und die Bilanz?

Dass die Steinhummel auch im dritten Jahr der Insektenzählungen im Mai auf Platz 1 geflogen ist, ist auch für den NABU nicht überraschend. Man kann sie kaum übersehen, Steinhummeln sind an sich schon imposante Flieger, sagt Biologin Dr. Laura Breitkreuz vom Naturschutzbund Deutschland. Dass sie so häufig gezählt werden, liegt aber auch daran, dass sie angesichts ihrer Größe wenige Fressfeinde haben und auch nicht festgelegt sind auf eine bestimmte Region.

WissenSchön und schillernd: Die Blaue Holzbiene

Die bislang einzige Überraschung bei der Zählung im Mai 2020 war das Vorkommen der Blauen Holzbiene in Sachsen, sagt die Expertin im Gespräch mit MDR Wissen. Deutschlandweit wurden beispielsweise 1.860 Exemplare gemeldet, und zwar auch in Sachsen. Aus Sicht der Biologin ein Zeichen dafür, dass es in Sachsen trockener und wärmer geworden ist als noch vor zwei Jahren und es somit auch zum Lebensraum für die eindrucksvollen blauen Brummer wird. Auch eine gehäufte Sichtung von Trauerrosenkäfern in Sachsen lässt aufhorchen. Der Trauerrosenkäfer, lateinisch Oxythyrea funesta, profitiert von warmen Wintern.

Erste Nebenwirkungen der noch jungen Insekteninventur?

Vielleicht ist es auch nur ein erster Nebeneffekt, den sich der Naturschutzbund generell von solchen Zählaktionen erhofft: Dass Menschen ihr natürliches Lebensumfeld bewusster wahrnehmen und einen Blick dafür entwickeln, wie die Lebensräume und Bedürfnisse jedes Lebewesens mit den anderen verknüpft sind. Dann lassen sich Gesundheitszustand und ökologisches (Un-)Gleichgewicht des Gartens am Vorkommen oder Fehlen bestimmter Insektengruppen ablesen. Wenn zum Beispiel in NABU-Zählmeldungen vom Mai ausschließlich "800 Läuse" in einem Garten gesichtet werden, deutet das darauf hin, dass im Garten nicht alles im Lot ist: Wie steht es mit der Wasserversorgung? Was sind die natürlichen Fressfeinde und was bräuchten sie, um sich in dem "Läusegarten" wohl zu fühlen und anzusiedeln?

Noch vor dem Sommer Entwurf für ein Insektenschutzgesetz

Allerdings kann es nicht allein die Bevölkerung richten. Auch die Politik hat das massive Insektensterben inklusvie ökologischer Zusammenhänge auf dem Schirm und widmet ihm regelmäßig "Runde Tische zum Insektenschutz". Auf dem jüngsten wurde ein Insektenschutzgesetz angekündigt, für das noch vor der Sommerpause des Bundestages ein Entwurf vorliegen soll. "So wie bisher kann es nicht weitergehen", hatte Umweltministerin Svenja Schulze im Vorfeld des Treffens mit den Umweltverbänden betont. Das geplante Gesetz soll Regelungen enthalten gegen Lichtverschmutzung, einen erweiterten Biotopschutz der artenreiches Grünland und Streuobstbestände umfasst, Regeln für Gewässerabstände, wenn Pflanzenschutzmittel angewendet werden. Pflanzenschutzmittel sollten generell schwerer zugänglich zu machen, sagte Umweltministerin Schulze im Vorfeld des Runden Tisches im Gespräch mit dem Bayrischen Rundfunk: "Vielen ist gar nicht bewusst, wie gefährlich die sind, wenn man die bei sich selber im Garten anwendet."

Wie viel wurde denn wo gezählt?

Aus den ersten Zwischenergebnissen der NABU-Insektenzählung - im August wird noch mal gezählt - lässt sich herauslesen, wie viele Haushalte pro Bundesland Insekten gezählt haben. Insgesamt wurden 5.000 Meldungen eingereicht, aus Sachsen 260, aus Thüringen 170 und Sachsen-Anhalt 105. Eine deutschlandweite Karte zeigt, wo es eine große Dichte an Insektenzählungen gab und wo weniger. Was aber immer auch in Relation gesetzt werden muss zur Bevölkerungsdichte eines Bundeslandes und seiner Infrastruktur.

Biene ist nicht gleich Biene

Weißfleckige Trauerbiene Die weißfleckige Trauerbiene erkennt man gut an ihrer grauen und schwarzen Behaarung. Sie nistet gern an Lehm- und Lösswänden in Sandgruben und Hohlwegen. Die Larven leben als Parasiten von anderen Pelzbienen. Bildrechte: IMAGO
Die braunbürstige Hosenbiene macht ihrem Namen alle Ehre mit ihren langen, braun gefärbten Haaren an den Hinterbeinen. Der helle Pollen färbt ihre "Hosen" auffallend weiß. Bildrechte: Hannes Petrischak
Die raufüßige Hosenbiene ist nur zwölf Millimeter groß. Im Sommer findet man sie am Wegesrand in den Blüten der Wegwarte oder anderen Korbblütengewächsen. Ihre Nester legt die Hosenbiene unterirdisch im Sandboden an. Sie braucht wie viele andere Bienenarten möglichst offenen Sand. Bildrechte: imago/blickwinkel
Die zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene fliegt auf leere Schneckenhäuser, die beispielsweise auf kalkreichen Magerrasen liegen, aber auch in naturnahen Gärten. Pollen und Nektar sammeln die auffällig rotbraun behaarten Weibchen an verschiedenen Pflanzen. Im Schneckenhaus legen sie dann eine oder mehrere Kammern an, die sie mit einem Nahrungsvorrat für ihre Larven versehen. Dann legen sie ein Ei dazu. Als Schutz vor Wind und Wetter wird noch etwas renoviert und eine Wand aus zerkauten Blättern eingezogen. Bildrechte: imago/blickwinkel
Blutbiene Im Volksmund heißt die Blutbiene auch "Auen-Buckelbiene". Man erkennt sie leicht an ihrem rötlichen Hinterteil. Bildrechte: imago/blickwinkel
Filzbiene Eine kleine, schwarze Bienenart, die sich zum Schlafen mit ihren Oberkiefern an Pflanzenteilen festbeißt und dann wie tot senkrecht oder waagerecht herunterhängt. Bildrechte: IMAGO
Hahnenfuß-Scherenbiene Hier überrascht eine Hahnenfuß-Scherenbiene eine Gemeine Keulenwespe in deren Nest. Bildrechte: imago/McPHOTO
Die Keulhornbiene nistet in markhaltigen Pflanzenstengeln und überwintert darin auch. Wir finden sie in den Stengeln von Disteln, Brombeeeren, Glockenblumen oder Holunder. Wer ihr helfen will, bindet markhaltige Pflanzenstengel senkrecht oder schräg an einen Zaun und bricht die Spitzen ab. Dann kann sich die Keulhornbiene ins Mark nagen. Bildrechte: imago/blickwinkel

Sagen die Daten etwas über die Insekten-Kenntnisse in verschiedenen Regionen aus?

Auf den ersten Blick wenig, denn aus Datenschutzgründen lässt sich vieles nicht erschließen, sagt Biologin Laura Breitkreuz. Also ob zum Beispiel in Bayern besonders viele Menschen besonders viele Insekten identifiziert haben, oder ob Thüringer versierter sind beim Insektenbestimmen. Wer die Auswertungskarte des NABU öffnet, kann sich die Meldungen aber im Detail anschauen: Da gibt es die klassisch vergröberten Meldungen wie "5 x Fliege, 2 x Biene, 1 x Hummel". Oder eben sehr akkurate Bestimmungen wie "3 x Frühlingspelzbiene, 1 x Kegelbiene, 3 x Mauerbiene, 2 x  Blattschneiderbiene, 2 x Gemeine Wespenschwebfliege". Und wer die Meldungen der anderen durchforstet, staunt vielleicht: Was man theoretisch auch noch alles hätte zählen können! Wenn man es erkannt hätte und wenn die Umgebung es hergäbe. Kann aber alles noch werden, denn vom 31. Juli bis 9. August gibt es die nächste Insektenzählung.

Insekten, die wir hätten zählen können

Wer die beiden sieht, stutzt: Sind das langgezogene Marienkäfer? Falsch, das sind Ameisensackkäfer und sie heißen so, weil sie ihre Eier in einen Sack aus Kot packen und in der Nähe von Ameisennestern ablegen. Die Ameisen halten den Sack für Beute und schleppen ihn in ihr Nest. Dort schlüpfen dann die Käferlarven und futtern sich groß; erst wenn sie ausgewachsen sind, verlassen sie das Ameisennest. Bildrechte: imago images / imagebroker
Die Larven der Späten Großstirnschwebfliege ernähren sich von Läusen und verputzen 20 verschiedene Blattlaus-Arten. Die adulten Tiere trifft man meist auf doldenartigen Blüten sowie auf Disteln, Zypressenwolfsmilch, Brom- und Himbeeren, und bisweilen auf Geranien auf dem Balkon. Bildrechte: imago/imagebroker/schauhuber
Sieht gefährlich aus, ist aber nur gefährlich für Blattläuse: Die gemeine Stiftschwebfliege. Sie legt ihre Eier auf Blattlaus-befallene Pflanzen, damit sich ihre Larven dann von den winzigen Läusen ernähren können. Zwanzig Tage braucht die Fliege bei günstigen Bedingungen vom Ei bis zum adulten Tier. Bildrechte: imago stock&people
Gichtwespen, oder auch Schmalbauchwespen genannt, sind Parasiten. Mit ihrem langen Ovipositor, der langen Röhre am Hinterleib, pressen die Weibchen ihre Eier in die Nester verschiedener Bienenarten. Die Larven saugen Bieneneier aus und ernähren sich vom Pollenvorrat einer Brutzelle, bevor sie sich verpuppen und weiterentwickeln. Danach leben sie vegetarisch. Bildrechte: imago/blickwinkel
Die Erlenweichwanze wohnt auf Erlen, Haseln und Birken; sie saugt und nagt an unreifen Fruchtständen und jungen Trieben. Bildrechte: imago/imagebroker
Die punktierte Zartschrecke hat Fühler, die doppelt so lang sind wie ihr Körper. Ab August zirpen die Männchen leise, um Weibchen anzulocken. Das funktioniert nur bei den Schrecken, denn die Töne sind für uns Menschen nur über Ultraschalldetektoren hörbar. Die Weibchen legen ihre Eier in Ritzen oder Spalten von Baumrinden. Bildrechte: imago/blickwinkel
Wenn das kleine Wiesenvögelchen seine Flügel hochklappt, könnte man es dank der gräulichen Unterseite für eine Motte halten. Öffnet der Tagfalter seine Flügel, sieht man einen dunklen Augenfleck auf einem leuchtend orangefarbenem Untergrund. Zwischen April und Oktober sind diese Falter unterwegs, man sieht sie häufig an trockenen bis mäßig feuchten Grasrändern. Bildrechte: imago stock&people
Die Flügel sind so lang wie der Körper, die Männchen der grünen Scheinbockkäfer haben dicke Hinterschenkel und schimmern blau. Insgesamt gibt es 25 Arten von Scheinbockkäfern. Ihre Larven entwickeln sich in Holz oder Pflanzenstängeln, ausgewachsene Käfer ernähren sich von Pollen oder Nektar. Bildrechte: imago/CHROMORANGE
Balkenschröter sind Totholzkäfer aus der Familie der Hirschkäfer. Sie leben in abgestorbenen oder kranken Bäumen und zwar ausschließlich von Laufholz, das von speziellen Pilzen befallen ist, das den Käfern hilft, das Holz in seine Bestandteile zu zerlegen. Das machen sie übrigens auch mit kompletten Holzbrettern. Daher auch der Name Balkenschröter. Sie haben recht scharfe Kiefer, weswegen man sie auch nicht auf die Hand nehmen sollte. Ab Mai kommen die ausgewachsenen Käfer ins Sonnenlicht zur Partnersuche. Die Männchen kämpfen mit Konkurrenten, indem sie sie mit ihren Mundwerkzeugen umherschieben - so soll ein Weibchen beeindruckt werden. Die Eier werden nach erfolgter Begattung in morsches Holz gelegt, wo sie im Laufe von zwei bis drei Jahren zu Käfern heranwachsen. Wenn sie nicht vorher gefressen werden, denn bei Spechten, Eulen und Fledermäusen stehen solche Käferlarven auf dem Speiseplan. Bildrechte: imago/blickwinkel
Der Rotzipfel- oder Malachitkäfer ist einer von 3.000 verschiednen Zipfelkäfer-Arten, von denen es allein in Deutschland 34 verschiedene Arten gibt. Die Käfer verzehren andere Insekten oder Pollen, die Larven räubern unter Rinden toter Bäume. Bildrechte: imago images/blickwinkel
Sein Name, verrät, wo man ihn findet: Der weißpunktige Schwertlilienrüssler ist auf der Schwertlilie zuhause. Im Gegensatz zu den meisten Käfern hat er nur eine einzige Klause an den Füßen. Die erwachsenen Exemplare ernähren sich in den Blüten der Schwertlilien, die Larven dagegen in den Fruchtkapseln. Insgesamt gibt es allein Deutschland 900 Rüsselkäferarten. Viele ernähren sich nur von "ihrer" Pflanze. Bei ausbalanciertem Garten-Gleichgewicht werden die Rüsslerpopulationen von natürlichen Gegenspielern wie Igeln, Laufkäfern, Spinnen, Spitzmäusen oder Tausendfüßlern in Schach gehalten. Bildrechte: imago stock&people
Die Schwarze Habichtsfliege: Sowohl die ausgewachsenen Tiere als auch ihre Larven leben räuberisch. Die adulten Tiere ernähren sich von anderen Insekten wie Mücken, Fliegen, Schnaken und parasitischen Wespen. Die Larven fressen andere Insektenlarven. Die Fortpflanzung erfolgt meist im Flug, genau wie die Eiablage. Bildrechte: imago stock&people

(lfw)

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