VerkehrswendeHaben E-Autos Probleme im Winter?
Oslos Nahverkehr hat im Dezember für Schlagzeilen gesorgt. Der Grund: Die Elektrobusse seien "nicht auf die Temperaturen ausgelegt". Gefundenes Fressen für Kritiker der Elektromobilität. Aber was ist dran? Ist Kälte schlecht für Elektrofahrzeuge? Auch in Norwegen gibt es Vorurteile.
Eigentlich sollte es ein Vorzeigeprojekt sein, nun ist die Stadt Oslo ungewollt in die Schlagzeilen geraten. 80 Prozent der Osloer Busse sind Elektrobusse und die seien durch die Kälte "lahmgelegt" worden. So vermelden es einige deutsche Tageszeitungen. Tatsächlich wurden im Dezember – als die Nachricht verbreitet wurde – nur etwa 2 Prozent aller Abfahrten gestrichen. Im Januar waren es knapp 5. Trotzdem hat der Osloer Fall eine neue Debatte über Elektromobilität im Winter eröffnet und gezeigt, dass es nach wie Vorurteile gibt – auch in Norwegen. Hier sind drei davon.
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Haben Elektroautos häufiger Probleme mit dem Start?
Tatsächlich ist die häufigste Pannenursache – sowohl im norwegischen als auch im deutschen Winter – die Batterie. Laut Pannenstatistiken des ADAC und des NAF müssen Elektroautos dafür aber ebenso häufig abgeschleppt werden wie Verbrennerautos. Denn Elektroautos haben nicht nur die Antriebsbatterie, sondern auch eine 12-Volt-Batterie, um den Motor zu starten. Und die ist auch in Verbrennerautos zu finden.
Einziger Unterschied ist, dass die 12-Volt-Batterie in Elektroautos kleiner ausfallen kann, da für den Start weniger Energie gebraucht wird. Laut Katja Legner vom ADAC macht das aber keinen Unterschied: "Die 12-Volt-Batterien – auch Starterbatterien genannt – unterliegen bei E-Autos den gleichen Bedingungen wie denen von Verbrennern, das heißt, sie machen genauso häufig (nicht weniger, aber auch nicht mehr) schlapp." Auch Nils Sødal vom NAF bestätigt die Aussage. Unterschiede gäbe es hinsichtlich der Batterie demnach nur beim Aufheizen im Winter!
Zieht die Heizung die Batterie leer?
Denn das Aufheizen funktioniert unterschiedlich. Während ein Verbrennerauto die Abwärme des Motors nutzt (außer man verwendet die Standheizung), um den Innenraum zu heizen, geht das beim Elektroauto direkt über die "große" Batterie. Das sorgt oft für Angst: Was, wenn die Heizung die Batterie leersaugt und man plötzlich stehen bleibt? Was, wenn man im Stau steht und dann frieren muss?
Ein Muss ist das Frieren nicht: Der ADAC hat 2021 getestet, was passiert, wenn Elektroautos (ein Renault ZOE Z.E. 50 und ein VW e-up) bei -9 bis -14 Grad über Nacht stehen bleiben – mit aktiver Sitzheizung, einer Innentemperatur von 22 Grad und eingeschaltetem Standlicht, um auch im fiktiven Stau sichtbar zu bleiben. Ergebnis: Nach 12 Stunden waren beim Renault 70 Prozent, beim VW 80 Prozent des Akkus verbraucht – das entspricht einem Leistungsbedarf von durchschnittlich 2-3 Kilowatt pro Stunde. Im Renault könnte man laut ADAC damit 17 Stunden im warmen Auto ausharren, im VW 15.
Entscheidend ist dabei, wie voll die Batterie zu Staubeginn war, ebenso wie beim Verbrennerfahrzeug wichtig ist, dass der Tank gefüllt ist. Für letzteren gibt es hier Vorteile: Zum einen kann im Falle eines leeren Tanks ein Ersatzkanister herhalten, zum anderen gibt es deutlich mehr Tankstellen als Lademöglichkeiten. Ein Umstand, der für Norwegen nicht gilt. Trotzdem besitzen viele Norweger neben dem Elektroauto oft noch ein zweites Verbrennerauto. Ein Grund dafür ist die Reichweite.
Reichweite von E-Autos: Kommen Elektroautos nicht weit?
Das Thema Reichweite ist ein Dauerbrenner in Sachen Elektroautos. Für die Norweger ist diese Frage besonders relevant. Nicht nur, weil bewohnte Gebiete oft weit auseinanderliegen, sondern weil viele Menschen auch gerne in die Berge auf ihre Hütte fahren. Nicht verwunderlich also, dass das NAF dem Weg zur Hütte einen eigenen Test gewidmet hat und auch insgesamt große Reichweitentests mit Elektroautos durchführt.
Jedes Jahr werden dafür eine Reihe verschiedener Elektroautomodelle an jeweils einem Testtag im Sommer und im Winter auf ihre Reichweite geprüft. Der letzte Wintertest war Ende Januar 2024: 23 Autos, eine Strecke von Oslo nach Dombås (von 18 Meter über dem Meeresspiegel auf 1069) und Temperaturen zwischen 4 und -11 Grad. Ergebnis: Im Schnitt haben die Elektroautos 4 bis 36 Prozent ihrer Reichweite im Winter verloren.
E-Auto heizen: Standheizung einschalten während das Auto lädt
Bei einigermaßen vergleichbaren Tests (Winter- und Sommerwerte, allerdings mit deutschen Temperaturen und nur 3 getesteten Autos) kommt der ADAC auf Mehrverbräuche von 25 bis 31 Prozent. Bei Benzinern, heißt es, seien es im Mittel plus 15 Prozent, beim Diesel plus 24 Prozent. Je nach Modell und Gegebenheiten verbraucht das Elektroauto im Winter also tatsächlich mehr (oder weniger) als die Verbrennerautos.
Bei Kaltstarts auf Kurzstrecke (23 Kilometer) hingegen steigt der Mehrverbrauch dann laut der Initiative Green NCAP auch mal auf 70 Prozent, wenn die Außentemperatur deutlich unter dem Gefrierpunkt liegt. Vergleichswerte für die Verbrennerautos gibt es hier nicht. Der ADAC rät in jedem Fall dazu, die Autos per Standheizung schon vorzuwärmen. Bei Elektroautos ist die serienmäßig eingebaut und kann den Strom aus der Steckdose ziehen, solange das Auto am Kabel hängt. Kein Eiskratzen inklusive!
Für die Reichweite ist das aber unerheblich: Egal bei welcher Temperatur und mit welchem Modell, die Verluste sind für eine Kurzstrecke unerheblich. Selbst bei den widrigen Bedingungen des norwegischen Winters und der insgesamt bergigen norwegischen Landschaft hat das erste Auto im NAF-Test erst bei 286 Kilometer aufgegeben, der Testsieger hat es 522 Kilometer weit geschafft.
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