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Kondensstreifen können sich mit Cirruswolken verbinden und bis zu 18 Stunden am Himmel bleiben. Bildrechte: Colourbox.de

FlugverkehrFlughöhe verringert Klimaschädlichkeit von Kondensstreifen

12. Februar 2020, 14:00 Uhr

Flugzeuge hinterlassen nicht nur eine Menge CO2 im Himmel, sondern auch Kondensstreifen. Und die sind ebenfalls ein großes Problem fürs Klima: Sie tragen erheblich zur Überhitzung des Weltklimas bei. Dabei haben sie offenbar noch größere Auswirkungen als CO2. Doch Forscher des Imperial College London zeigen jetzt: Schon geringe Änderungen der Flughöhe können die Auswirkungen der Kondensstreifen erheblich reduzieren.

Kondensstreifen am Himmel sind ein Problem - nicht weil es sich dabei um sogenannte Chemtrails handelt, wie manch ein Verschwörungstheoretiker vermuten würde, sondern weil sie erheblich zur Klimaerwärmung beitragen. Diesen Effekt hat im vergangenen Jahr unter anderem eine Untersuchung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt bestätigt. Doch offenbar können schon kleine Anpassungen bei der Flughöhe die Klimaauswirkungen der weißen Streifen am Himmel reduzieren, schreiben Forscher vom Imperial College London in der Fachzeitschrift Environmental Science & Technology.

Partikel sorgen für Erwärmungs-Effekt

Aber wie erwärmen die vermeintlich unschuldigen weißen Streifen das Klima? Schuld sind schwarze Kohlenstoffpartikel - also Rußpartikel, die das Flugzeug ausstößt, weil der Kraftstoff nicht vollständig verbrannt wird.

Kondensstreifen tragen zur Überhitzung unserer Atmosphäre bei. Bildrechte: MDR/Gerald Perschke

Flugzeugabgase enthalten neben diesem Ruß auch Wasserdampf. In großer Höhe, wo die Luft sehr kalt ist, kondensiert das Wasser an den Partikeln und gefriert. So entstehen die Eiswolken, die wir als Kondensstreifen kennen. Sie halten die vom Boden aufsteigende Wärme in der Atmosphäre gefangen, sodass die Energie nicht ins Weltall entweichen kann und stattdessen die globale Erwärmung anfacht.

Die meisten Kondensstreifen halten nur ein paar Minuten, schreiben die Londoner Forscher. Aber wenn die Atmosphäre vom Eis übersättigt sei, dann könnten sie sich ausbreiten und sich mit Cirruswolken zu "Kondensstreifencirruswolken" verbinden. Und die würden dann bis zu 18 Stunden am Himmel bleiben.

Cirruswolken

Bildrechte: imago/Gottfried Czepluch

Cirruswolken sind reine Eiswolken in sehr großer Höhe. Sie werden aufgrund ihrer Erscheinung auch als "Federwolken" bezeichnet. Meist sind sie in Form von dünnen, leuchtend weißen Bändern oder Fäden am Himmel zu sehen. Natürlich entstandene Cirruswolken haben eine vergleichbare Zusammensetzung wie die Kondensstreifen von Flugzeugen.

Die Londoner Forscher wollten genauer wissen, welche Auswirkungen diese Kondensstreifen haben und welche Eigenschaften ihre Wirkung beeinflussen. Frühere Studien weisen bereits darauf hin, dass sie das Klima stärker erwärmen könnten als die CO2-Emissionen von Flugzeugen. Für genauere Aussagen darüber und mögliche Vorhersagen für die Zukunft haben die Londoner ihre Modellrechnungen verfeinert und weiterentwickelt.

Rund 600 Meter machen den Unterschied

Das Forscherteam aus London hat erst kürzlich ein Modell entwickelt, mit dem sie die Rußemissionen für bestimmte Flugzeugtriebwerkstypen und -leistungen einschätzen können. Das kombinierten sie jetzt mit einem Modell zur Berechnung von Eigenschaften und Klimaauswirkungen der Kondensstreifen einzelner Flüge sowie detaillierten Wetterinformationen.

Das Team hat für die Untersuchung den Luftraum über Japan genauer ins Visier genommen. Das Ergebnis: Gerade einmal 2,2 Prozent aller Flüge sorgten für 80 Prozent der durch die Kondensstreifen verursachten Erwärmung. Könnten die also einfach etwas anders fliegen, um das Klima zu schonen? Ja, lautet die Antwort der Londoner Forscher. Würden nur 1,7 Prozent der Flugzeuge rund 610 Meter (2.000 Fuß) höher oder niedriger fliegen, als ihre geplante Flugbahn vorsieht, könnte das die Bildung von Kondensstreifen eindämmen. Dadurch würde der "Erwärmungseffekt" der weißen Streifen um 59,3 Prozent gesenkt, so die Forscher.

Eisübersättigte RegionenEisübersättigte Regionen (engl. Ice-SuperSaturated Regions ISSRs) sind wolkenfreie Bereiche in der oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre. In diesen Regionen gibt es mehr relative Feuchte durch Eis als von der Luft aufgenommen werden kann - sie liegt also oberhalb der Sättigungsgrenze. Deshalb entstehen hier Cirruswolken, bei denen es sich um reine Eiswolken handelt.Quelle: Spichtinger, Peter (2004): Eisübersättigte Regionen. Dissertation, LMU München: Fakultät für Physik

Doch da scheint es einen Konflikt zu geben: Wenn Flugzeuge Umwege fliegen müssen, um Kondensstreifen zu vermeiden, würde das die Flugwege weniger effizient machen. Dadurch würde wieder mehr CO2 von den Flugzeugen ausgestoßen, was wiederum die Einsparung bei den Kondensstreifen hinfällig machen würde.

Diesem Dilemma widersprechen die Londoner in ihrer aktuellen Untersuchung: Ändern nur die wenigen Flüge, die die stärksten Kondensstreifen verursachen, ihre Flughöhe in geringem Maße, wäre der erwärmende Effekt durch den zusätzlichen CO2-Ausstoß niedriger als die Einsparung bei den Kondensstreifen - statt eines Nullsummenspiels wäre also ein geringerer Klimaeffekt das Ergebnis. Noch besser wäre es allerdings, wenn der technische Fortschritt hier helfen würde, schreiben die Forscher: Langfristig könnte der Kondensstreifen-Effekt sogar um 91,8 Prozent reduziert werden, wenn konventionelle Motoren durch Motoren mit sauberer Verbrennung ersetzt würden.

Kritik kommt von den Fluglotsen

Von der Idee Flugzeuge besonders vereiste Himmelsbereiche einfach ein bisschen höher oder tiefer umfliegen zu lassen, halten die Fluglotsen nicht allzu viel. Wenn Flugzeuge in so großer Höhe fliegen, dann hat das seine Gründe, sagte Jan Janocha von der Gewerkschaft der Flugsicherung MDR Wissen. Der Luftraum sei endlich und es sei deshalb nicht möglich einfach von der Flugbahn abzuweichen. Die Flughöhen würden für jedes Flugzeug jeden Tag entsprechend der aktuellen Wetterverhältnisse und Bedingungen neu berechnet. Das Umfliegen von Kondensstreifen-Zonen wäre dabei also noch eine Variable mehr.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 15. April 2019 | 06:16 Uhr

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