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Projekt "CattleHub" SachsenAssistenzsysteme im Stall: Wenn das Kalb meldet, wie viel Milch es braucht

06. Juli 2021, 10:59 Uhr

Was macht die Kuh, wie geht es ihr, frisst sie genug, zu wenig, ist sie zu dick, zu dünn, ist es Zeit, sie zu melken oder noch zu früh? Technikbasierte Assistenzsystem ermöglichen individuelle Kuh-Begleitung.

Assistenzsysteme in der Kuhhaltung? Das erinnert an Assistenzsysteme für Lastwagen beim Rechts-Abbiegen, damit niemand auf dem Radweg überfahren wird. Aber tatsächlich ist die Wissenschaft dran an Assistenzsystemen für die Haltung von Kühen, wie zum Beispiel auf dem Lehr- und Versuchsgut im sächsischen Köllitsch. Hier wird am bundesweiten Projekt "CattleHub" (auf Deutsch so viel wie Rinder-Basis) unter Federführung der Uni Bonn im Kuhstall experimentiert: mit Tracking, Sensorik und Funkvernetzung. Mitbeteiligt sind auch das Thünen-Institut in Braunschweig, die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, die FSU-Jena, die TU Chemnitz, die TU Dresden und das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Sachsen. Das gemeinsame Ziel: Technik, die bereits auf dem Markt ist, zu vergleichen und zu analysieren. Sieben Themenfelder werden beackert und die Ergebnisse der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt: Tracking, Sensorik und Energieversorgung, Funknetzversorgung, Datenanalyse, Geschäftsprozesse und Assistenzsysteme.

Eines dieser Systeme, das getestet wird, ist das "Milchtaxi". Dabei wird am Rechner ein System mit Daten gefüttert und eine Software berechnet automatisch die Trinkmenge für ein Kalb. Praktisch für die Landwirtschaft, denn das digitale Milchtaxi spart Zeit, wie Agrarwissenschaftlerin Dorothee Heyde erläutert:

Ich kann bei der Tränkung selbst schnell pro Kalb die richtige Menge dosieren, direkt am Milchtaxi eine Gesundheitsbeurteilung machen und auffällige Tiere identifizieren.

Dorothee Heyde, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch, Projekt CattleHub

Sachsen: Kuh-Tracking im Stall und auf der Weide

In Köllitsch werden etwa 200 Rinder von Geburt an von solchen digitalen Assistenzsystemen begleitet, über Halsbänder und Ohrmarken. Das Ortungs- und Tracking-System ermöglicht es, die Daten direkt einem Tier zuzuordnen: Alle Daten, die Gesundheit, Brunst und Fressverhalten des Tieres betreffen, sowie die Bewegungsaktivität, erklärt Heyde. Via Tracking können die gemessenen Positionen im Stall und auf der Weide verhaltenstypischen Aktivitäten zugeordnet werden. Also: Steht die Kuh am Fressgitter, ist sie in der Liegebox, etc. oder was treibt sie gerade auf der Weide, frisst sie, ruht sie, grast sie, wo ist sie? Aus dem Bewegungs-, Liege- und Fressverhalten lassen sich zudem auch Hinweise auf bevorstehende Krankheiten ablesen oder man kann sie zur Bewertung des Tierwohls nutzen.

Im Stall in Köllitsch helfen Antennenanlagen, die Kühe zu identifizieren. Im Gegensatz zu den meisten Stallungen mit festen Melkzeiten, können Kühe hier dank einer entsprechenden Anlage selbst entscheiden, wann sie gemolken werden. Die Anlage erkennt nämlich, ob es für eine Kuh schon Zeit ist zum Melken. Dann wird sie zum Melkbereich gelenkt, anhand eines Transponders am Halsband wird sie identifiziert. Ist es noch zu früh, wird sie raus in den Liegebereich gelenkt. Gemolken wird automatisch. Ein Melkroboter findet per Laser die Zitzen und die Milch wird sofort auf Qualitätsmerkmale wie zum Beispiel ihren Fettgehalt analysiert. Diese Daten können an der Melkmaschine selbst und auf dem Computer abgelesen werden. Ein anderes Assistenzsystem ist die Kamera im Außenbereich, anhand der Bilder lässt sich ablesen, ob die Kuh zu dick ist, oder die genau die richtigen Maße hat. Je nach dem wird die Futtermenge angepasst.

Kuhhaltung: Viele Hilfssysteme, viele Haken

Das klingt nach viel Arbeitserleichterung. Dr. Marko Rößler von der TU-Chemnitz, Spezialist für Sensorik und Elektronik, erklärt den Haken an der Sache: "Die Anforderungen an die Technik für digitale Assistenzsysteme sind enorm. Die größte Herausforderung ist die Langlebigkeit, also das, was wir bauen. Es muss das gesamte Kuhleben an der Kuh überleben. Oder Technik im Stall, muss zehn Jahre leben." Das sind andere Anforderungen als beispielsweise für die Sensorik im Handys mit vergleichsweise kurzen Lebenszyklen.

Von all den Erkenntnissen aus dem Projekt CattleHub soll die Rinderzucht profitieren. Aber funktionieren die auch in der Praxis? Milchwirt Christian Heinrich im sächsischen Arzberg arbeitet bereits mit mehreren Assistenzsystemen. Ihn stört vor allem, dass die Systeme oft untereinander nicht kommunizieren und miteinander arbeiten. Man müsse zu jedem System, das man in den Stall integriert, auch ein Computerprogramm haben, oder ein extra Bedienpanel. Optimal aus seiner Sicht wäre es, wenn die ganzen Systeme auf einem Rechner funktionieren und miteinander arbeiten würden, sodass man diese Informationen bestmöglich nutzen könnte.

Bildrechte: imago images/Countrypixel

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