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Gewusst?FAQ Organspende: Wartelisten, Regeln und Spender

17. Januar 2020, 15:57 Uhr

von Kristin Kielon

Über die Frage, wie die Organspende künftig gesetzlich geregelt wird, hat der Bundestag abgestimmt. Es gilt die sogenannte "erweiterte Entscheidungslösung". Das hochemotionale Thema wirft darüber hinaus noch viel mehr Fragen auf, denn vielen Menschen ist gar nicht klar, wie das mit der Organspende in der Praxis eigentlich läuft. Wie wird entschieden, wer welches Organ bekommt? Und wer kann überhaupt Organspender sein? Wann ist man eigentlich hirntot und was heißt das überhaupt?

Fast jeder kann Organspender werden. Auch die Organe von Menschen, die älter als 65 Jahre sind, können biologisch noch völlig in Ordnung und auch für jüngere Patienten geeignet sein. Nur bestimmte Krankheiten sind ein Ausschlusskriterium. Für Kinder entscheiden die Eltern. Besonders kranke Kinder kann oft nur das Organ eines etwa gleichaltrigen Kindes retten, denn die Organe von Spender und Empfänger müssen zum Beispiel in Gewicht und Größe zueinander passen.

Wie "finden" Organe zum Empfänger?

Patienten, die ein Organ brauchen, werden über ihr zuständiges Transplantationszentrum auf eine Warteliste gesetzt. Professor Paolo Fornara leitet eines davon am Universitätsklinikum Halle. Die Vergabe und die Warteliste verwaltet die Stiftung Eurotransplant. Bei jedem Spenderorgan wird die Liste neu sortiert.

Das Warten auf der Warteliste ist nicht nur eine emotional zermürbende Zeit ist. Der Patient wird in dieser Zeit gesundheitlich nicht besser. Sein Herz-Kreislauf-System ist zusammengebrochen, seine Gefäßsituation ist einfach nicht mehr für den Anschluss zum Beispiel der Niere geeignet.

Prof. Paolo Fornara - Uniklinikum Halle

Wie funktioniert die Organvergabe?

Und schon bekommt ein anderer Patient das Organ. Die Organvergabe ist ein kompliziertes Verfahren und die Kriterien dafür sind streng geregelt. Sie umfassen etwa Merkmale wie die Blutgruppe, den Gewebetyp oder auch die Dringlichkeit des Falls. Auch die Erfolgsaussichten sind ausschlaggebend: Im Zweifelsfall bekommt beispielsweise eher eine ansonsten gesunde 20-Jährige als ein 60-Jähriger Alkoholiker eine Spenderleber.

Wer kann Organspender werden?

Auf der deutschen Warteliste von Eurotransplant stehen derzeit rund 9.000 Patienten. 2019 wurden der Stiftung Organspende zufolge fast 3.000 Organe von postmortal transplantiert. Postmortal heißt, die Spender waren hirntot. Denn Organspender kann nur werden, wer auf einer Intensivstation beatmet in den Zustand des Hirntods kommt. Das heißt, dass Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm nicht mehr funktionieren und auch nicht reaktiviert werden können, erklärt der Berliner Neurochirurg Professor Dag Moskopp:

Prof. Dag Moskopp Bildrechte: Dag Moskopp

Wenn jemand hirntot ist, dann ist ein gewisses Risiko für die Patienten dahingehend, dass der Salz-Wasser-Haushalt bald zusammenbrechen wird und selbst wenn alle anderen Gewebe außerhalb des Gehirns mit Sauerstoff versorgt werden - also auch das Herz -, kann dieser krankhafte Salz-Wasser-Haushalt zusammenbrechen.

Hirntod - was ist das?

Der Hirntod bedeutet das Lebensende: Fallen die Gehirnfunktionen aus, fallen auch alle anderen Organe aus. Der Patient hat keinerlei Bewusstsein mehr, empfindet keine Schmerzen und wacht definitiv nie wieder auf - auch, wenn das Herz-Kreislauf-System und die Atmung noch künstlich aufrechterhalten werden können. Die Hirntod-Diagnose ist durch eine Expertenkommission der Bundesärztekammer streng reguliert und besteht aus mehreren Stufen, erklärt Moskopp:

In Deutschland wird das auf drei Ebenen bestimmt. Man klärt die Voraussetzungen, erhebt ein klinisches Zustandsbild - ein klinisches Syndrom also - und führt dann den Unwiderbringlichkeitsnachweis. Das zieht sich meist über mehrere Stunden hin und ist extrem gut protokolliert.

Prof. Dag Moskopp - Vivantes Klinikum Friedrichshain

Man wird nicht aus Versehen Organspender

Aus Versehen wird in Deutschland also niemand zum Organspender. Auch Ängste davor, dass Ärzte nur auf Spenderorgane aus sein könnten, sind eher unbegründet. Ganz im Gegenteil würden einige Kliniken eher zu wenige als zu viele Spenderorgane melden, sagt Fornara. Denn die verursachten ihnen eher Kosten als Nutzen:

Die OP-Schwester, die die ganze Nacht durchgearbeitet hat, die Assistenten, die die ganze Nacht durchgearbeitet haben, müssen am nächsten Tag - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Arbeitszeitgesetzes - nach Hause gehen. Die Aufgaben, die sie normalerweise wahrnehmen müssten, fallen einfach aus. Diese logistischen Aspekte führen dazu, dass man auch - ich sage jetzt mal sehr provokativ - vielleicht einen Spender bewusst übersieht.

O-Ton: Prof. Paolo Fornara - Uniklinikum Halle

Läuft dagegen alles wie es soll, kann ein Organspender sogar mehrere Leben retten: Den rund 930 Spendern im vergangenen Jahr wurden nämlich durchschnittlich drei Organe entnommen. Nach der Spende kann der Körper dann ganz normal bestattet werden.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 16. Januar 2020 | 12:00 Uhr

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