StatistikPrognose-Fail: Frankreich wird nicht Fußball-Europameister
Für Fußballturnier-Fans hat das Warten endlich ein Ende: Am 11. Juni begann die UEFA EURO 2020 der Männer – mit einem Jahr Verspätung. Aber wer wird wohl das Rennen machen? Das wollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz genau wissen und haben sich an eine Prognose gewagt und einen Favoriten gefunden. Aber wie kommen die darauf?
Update 29.06.2021: Der Weltmeister ist raus
Nach dem Achtelfinale der EM steht fest: Die Forscher aus Innsbruck lagen mit ihrer Prognose daneben. Frankreich, der Weltmeister von 2018, ist ausgeschieden, "vernichtet. Von ganz oben abgestürzt", wie es die französische Zeitung L'Equipe schreibt. Die Schweiz hat den Elfmeterkrimi in Bukarest gewonnen.
Statistisch gesehen haben die Franzosen dieses Jahr die besten Chancen, den Titel zu holen. Ihre Gewinn-Wahrscheinlichkeit liegt einem internationalen Forschungsteam zufolge bei fast 15 Prozent. Doch im Rennen um die Fußball-Europameisterschaft verfolgen sie die Engländer mit 13,5 Prozent und die Spanier mit mehr als 12 Prozent Gewinn-Wahrscheinlichkeit. Die Deutschen sind nach dieser Prognose kein Top-Favorit, sagt Statistik-Professor Achim Zeileis von der Universität Innsbruck.
Ich glaub, das ist jetzt auch nicht sehr überraschend, dass das jetzt nicht die stärkste deutsche Mannschaft ist, die man in den letzten Jahren gesehen hat und dass die Gruppe natürlich Hammer ist: Das ist natürlich mit Abstand die schwierigste Gruppe von allen.
Prof. Dr. Achim Zeileis, Universität Innsbruck
Deutschland auf Augenhöhe mit Portugal
Aber mit zehn Prozent Wahrscheinlichkeit auf den Titel seien die Chancen wiederum nicht so schlecht, so Zeileis, immerhin "genau auf Augenhöhe mit Gruppengegner Portugal. Also da ist noch alles drin." Denn auch er kann natürlich nicht vorhersagen, was wirklich passieren wird, betont der Statistiker. Aber er kann mithilfe der Statistik eine Prognose erstellen und demnach wird das französische Team am wahrscheinlichsten Europameister. 15 Prozent Gewinnwahrscheinlichkeit für Frankreich heißt natürlich auch, dass Frankreich mit 85 Prozent Wahrscheinlichkeit nicht Europameister wird.
Also von Gewissheiten sind wir doch sehr weit entfernt, aber das ist ja das Schöne, sonst wäre ja Fußballschauen auch extrem fad.
Prof. Dr. Achim Zeileis
2018 lagen die Forscher daneben, 2010 und 2012 richtig
Und so passiert immer wieder Unvorhersehbares: Bei der Weltmeisterschaft 2018 etwa sagten die Zahlen, dass Deutschland gegen Brasilien im Finale stehen würde. Tatsächlich gewann bekanntermaßen Frankreich im Finale gegen Kroatien. Doch Zeileis lag auch schon richtig: Mit der Prognose von Spaniens Welt- und Europameistertiteln von 2010 und 2012 zum Beispiel. Damit er dieses Mal Recht behält, hat er sich noch mehr Fachwissen mit ins Boot geholt.
Wir haben alle unsere Vorerfahrung, aber in der Kombination haben wir es noch nicht gemacht. Wir haben also noch mehr Informationen, noch mehr Expertise dieses Mal zusammengebracht und hoffen, dass wir also noch ein Stück besser werden.
Prof. Dr. Achim Zeileis
Neues Modell mit mehr Daten
Und wie kommt das Forschungsteam jetzt zu seiner Prognose? Dafür analysierten sie Daten aus mehreren Quellen in statistischen Modellen: Eines zur Spielstärke des Teams auf Basis aller Länderspiele der letzten acht Jahre, eins beruhte auf den Wettquoten der Buchmacher und ein weiteres auf individuellen Ratings der einzelnen Spieler und ihrer Leistungen in Stammverein und Nationalmannschaft. Ein hoch komplexer Datensatz also.
Und die werden dann noch mit weiteren Variablen wie dem Marktwert und Ähnlichem verheiratet und in einem kombinierten Prognosemodell verwendet, um diese Spielstärken zu prognostizieren und damit simulieren wir dann das Turnier 100.000 Mal ab. Also ich hab die EM schon paar Mal gesehen, die jetzt kommt.
Prof. Dr. Achim Zeileis
Machine Learning heißt also die Zauberformel des Forschungsteams. Wie zuverlässig die Daten allerdings die Zukunft vorhersagen oder ob doch viel mehr Glück und Zufall über den Ausgang der Fußball-Europameisterschaft mitentscheiden, werden wir erst in gut einem Monat wissen – wenn feststeht, wer tatsächlich im Finale um den Titel kämpft.
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