Diskussion über Zeitpunkt für EinschulungMit sechs oder sieben in die Schule – was ist besser?
Aktuell steht für viele Kinder in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein großer Tag an: die Einschulung. Nun beginnt der "Ernst des Lebens" und es stellt sich vielen die Frage: Wird mein Kind das schaffen? Stillsitzen ab Montag? Lernen? Sich in der Klasse zurechtfinden? Dabei spielt vor allem das Alter der Kinder eine Rolle, manche sind erst sechs Jahre geworden, andere sind schon fast sieben. Studien haben nun gezeigt: Septemberkinder sind besser in der Schule – aber stimmt das wirklich?
Die jüngste Studie dazu stammt aus Großbritannien und Schweden und zeigt, dass jüngere Schulkinder es später im Leben schwerer haben. Eine andere Studie aus den USA hat bereits früher festgestellt: Je später Kinder eingeschult werden, desto besser kommen sie in der Schule klar und auch mit. Da kann Prof. Wieland Kiess, der Direktor der Universitätskinderklinik in Leipzig, nur den Kopf schütteln:
Die Debatte, wann soll man Kinder einschulen und wann nicht, ist so alt wie die Schulen. Sie geht wahrscheinlich zurück auf die Antike, wenn man es provokant formulieren möchte.
Prof. Wieland Kiess, Direktor der Leipziger Universitästskinderklinik
Man könne zum besseren Verständnis auch andere Länder anschauen – etwa Südkorea, Japan, China oder Singapur. Diese Staaten schulen ihre Kinder sehr früh ein, verkürzen damit quasi die Kindergartenzeit und trainieren die Kinder wissenstechnisch extrem, erklärt der Experte.
Es gibt entsprechende Studien zu kulturellen Unterschieden im Bildungsbereich: Im asiatischen Raum ist ein sehr frühes Einschulen normal, was ist nicht sehr demokratieoffen und liberal ist. Hier hingegen probiert man eher neue Schulkonzepte aus, wir setzten nicht auf Pauken.
Wieland Kiess
Bei Entwicklungstests wurde nicht auf Geschlechterunterschiede eingegangen
In Leipzig und Dresden wurden beispielsweise Modellschulen eröffnet, in denen Kinder sehr individuell gefördert werden, was Kiess sehr unterstützt. Mit Kollegen hat er Studien wie LIFE Child durchgeführt, die die Vorteile auch empirisch belegen können: Kinder sind im Alter zwischen fünf und sieben Jahren noch sehr unterschiedlich. Das eine kann mit fünf Jahren locker in die Schule gehen, ein anderes braucht auch noch mit sieben Jahren Unterstützung.
Überraschend für mich, weil wir uns sehr tief mit diesem Thema beschäftigt haben, sind die Ergebnisse aus nicht geschlechtsspezifischen Entwicklungstests wie zum Beispiel "Sechs bis sechs". Da werden Jungs und Mädchen über einen Kamm geschoren. Wir wissen aber alle, dass Mädchen in vielen Bereichen ein bis zwei Jahre früher dran sind als die Jungs – und zwar schon in der frühen Kindheit.
Wieland Kiess
In der Pandemie zu wenig über Kitas und Kindergärten geredet
Die Studie aus den USA berücksichtigt den Unterschied zwischen den Geschlechtern hingegen. Und so fasst der Professor die momentane Studienlage zusammen: Bildungssysteme, wie beispielsweise das weltweit erfolgreichste wie in Singapur, wollen wir nicht haben. Aber Kinder so lange wie möglich vorm Lernen zu schützen, ist auch keine Lösung, da sie von Natur aus neugierig sind und viele Jahre "spielend lernen".
Wir müssen in unserem Land viel mehr für die frühkindliche Entwicklung tun. Wir haben jetzt in der Pandemie alle über Schulen und auch ein bisschen über Universitäten geredet. Über die Kindertagesstätten, die Kindergärten und die frühkindliche Bildung haben wir viel zu wenig geredet.
Wieland Kiess
Deutschland und gerade Ostdeutschland haben da ein langes und gutes Konzept, meint der Experte, mit guten Kindergärten und sehr gut ausgebildeten Kindergärtnerinnen, Erzieherinnen und Erziehern. Da sei einiges verloren gegangen und es brauchte mehr Diskussionen – und auch mehr Förderung und Akzeptanz für diese Berufe.
Außerdem, so Kiess, habe man in der Pandemie über Luftfilter für die Klassenräume geredet, statt sich die seines Erachtens viel wichtigere Frage zu stellen: Sind die Schulklassen nicht einfach viel zu groß und damit auch die Klassenräume zu klein? Aber ob sechs oder sieben: Egal wie alt die Kinder sind, die sich nun in einer ersten Klasse im Raum mit fast dreißig anderen wiederfinden. Die Umstellung ist für alle groß.
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