Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung

Mücken, Wanzen, ZeckenWar die Erfindung des Blutsaugens ein Versehen?

12. Oktober 2020, 15:28 Uhr

So schön der Sommer auch ist – es gibt da einiges, dass uns nerven kann. Für die einen sind das viel zu hohe Temperaturen. Für andere die Insekten, die uns quälen, die sich heimtückisch an uns heranschleichen oder uns anfliegen und nur auf eins scharf sind: unser Blut. Diese Nahrungsquelle haben Mücken, Bremsen, Zecken und auch Wanzen schon vor langer Zeit für sich entdeckt.

von Karsten Möbius

Blut ist eine begehrte Fertigmahlzeit. Da ist alles drin, was so kleine Schmarotzer brauchen. Vitamine, Proteine, Nährstoffe - einfach alles. Kein Wunder, dass sich in der Natur viele Insekten auf diesen magischen Saft spezialisiert haben, sagt Zoologe Prof. Klaus Reinhardt von der TU Dresden:

Blutsaugen selbst ist im Tierreich unabhängig voneinander um die 20 bis 25 Mal entstanden.

Bei Vampirfledermäusen etwa, Blutegeln, Wanzen, sehr vielen verschiedenen Fliegengruppen oder Mücken, all das zählt Zoologe Reinhardt dazu. "Das ist tatsächlich eine phantastische Quelle für Proteine."

Theorie: Von der Pflanze zum Tiere

Vor etwa 500 Mio. Jahren, im Kambrium, als die Entstehung von Arten Hochkonjunktur hatte, konnten Sie wahrscheinlich noch seelenruhig das Licht im Schlafzimmer brennen lassen. Da krochen nämlich die Vorläufer unserer heutigen Insekten erst aus dem Meer. Die Urväter oder -mütter von Zecken, Wanzen, Fliegen oder Spinnen. Bis sie Flügel hatten, dauerte es nochmal etwa 70 Millionen Jahre und spätestens dann wäre die Erfindung des Fliegengitters und Mückensprays segensreich gewesen. Eine Theorie, wie die Insekten zum Blutsaugen gekommen sind, geht so:

Also eine Idee ist, dass es früher Pflanzensaftsauger gab, die also an den Pflanzen gesaugt haben und dann aus Versehen mal in einen Menschen reingestochen haben… und da war auch ein interessanter Saft.

Prof. Klaus Reinhardt, Zoologe, TU Dresden

Oder vor den Menschen in einen anderen Säuger. Aber Pflanzensaft und Blut sind doch sehr unterschiedlich. Deshalb gibt es noch eine andere Idee, wie die Blutsauger ihren Appetit auf Säugetiere und den Menschen entdeckt haben könnten, sagt Wanzenexperte Prof. Klaus Reinhardt: Sie nahmen den Umweg über Insekten. "Bei den Raubwanzen ist es so, dass die davon leben, dass die andere Tiere aussaugen, andere Insekten." Und dann saugen sie die Körperflüssigkeit der anderen Insekten auf, also eine Art Insektenblut, die sogenannte Hämolymphe.

Und da kann man sich dann schon eher vorstellen, dass der Schritt dann ein größeres Tier aus Versehen oder auch nicht aus Versehen anzustechen und da den Saft abzusaugen, nicht so groß ist wie von Pflanzensaft.

Wie er sich als Wanzenexperte so einen Zufall oder ein Versehen vorstellen könnte, erklärt Prof. Reinhardt so: "Wanzenarten, die gibt es heute noch, die dann in den Nestern von zum Beispiel Vögeln oder Säugern leben, und dort eben andere Insekten, die dort leben, aussaugen. Und wenn dann mal so ein Küken sitzt, greift man mal daneben als Raubwanze, dann hat man eben auch eine schöne Blutmahlzeit." So könne man sich das erklären, sagt Reinhardt, "oder das ist zumindest eine Idee". Denn so richtig nachvollziehen könne man das nicht.

Insekten spezialisieren sich auf bestimmtes Blut

Wenn diese Zufallsmahlzeit funktioniert hat, wenn der Sauger überlebt hat, wenn das Blut nahrhaft und vielleicht sogar noch lecker war, dann geht es ganz schnell, dass sich Sauger darauf spezialisieren bzw. diese Proteinquelle regelmäßig ansteuern.

Man muss sich das so vorstellen, dass ein Teil dieser Wanzen mehr Eier legen, wenn sie Menschenblut saugen. Während andere mehr Eier legen, wenn sie Fledermausblut saugen.

Das heißt, so der Zoologe, dass bereits eine erste Spezialisierung stattfindet in deren Ergebnis sich die beiden Arten dann sogar voneinander trennen können. "Und die, die besser Eier legen aus Menschenblut, die werden dann auch Menschenblut bevorzugen und dadurch kann es dann auch zu einer Aufspaltung von Arten kommen."

Der Mensch als zuverlässiger Blutlieferant

Arten, die sich nicht nur auf das Blut des Menschen spezialisieren, sondern sich auch auf unsere Lebensweise, auf unseren Lebensrhythmus einstellen, um ziemlich bequem an Nahrung zu kommen. Bettwanzen gibt es wahrscheinlich seitdem die Menschen begannen, sich feste Schlafstellen in den Höhlen einzurichten. Dadurch dass der Mensch auch regelmäßig in die Höhlen zurückkam, erklärt Reinhardt, vielleicht sogar an derselben Stelle schlief, wurde er zur vorhersagbaren Blutquelle zum Beispiel für eine Wanze.

Die setzt sich dann in der Nähe in die Wand und weiß: Aha, auch nächste Nacht liegt dann so ein schönes Blutbehältnis dort für mich.

Das ist sicher eine ganz spezielle Anpassung, um an unser Blut heranzukommen. Zecken, Blutegel, Mücken und Bremsen haben sich da nicht so ganz festgelegt - sie mögen grundsätzlich größere Lebewesen mit dem roten Saft. Ob das bei allen nur mit einem Versehen angefangen hat, obwohl sie eigentlich ganz woanders den Saft herausziehen wollten, das wird sich wohl nie beantworten lassen.

Dieses Thema im Programm:MDR TWEENS | 19. Juni 2019 | 13:36 Uhr