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BiologieLandwirtschaft und Klimawandel: Der Boden leidet an Tierchenverlust

29. Juli 2020, 14:54 Uhr

Unserem Boden geht es nicht so gut – und es wird nicht besser. Fünf Jahre lang haben Forschende aus Mitteldeutschland Lebewesen im Boden beobachtet und Klimaveränderungen simuliert. Allein die Umstellung auf Biolandbau wird dagegen nicht helfen. Nur eine schnelle Reduktion der Treibhausgase kann die Ökosysteme retten.

Konventionelle Landwirtschaft ist gut für einen kurzfristigen Ertrag – und schlecht für die Organismen im Boden Bildrechte: imago images/Westend61

Und, wachsen die Gurken, Pastinaken oder der Hollerbusch dieses Jahr nicht so, wie sie sollten? Sofern Sie im Garten Wasser- und Nährstoffmangel, eine ungeeignete Standortwahl und Schäden durch die Eisheiligen bereits ausgeschlossen haben, sollten sie es mal mit einer Bodenanalyse probieren. Denn möglicherweise lebt der nicht mehr ganz so, wie er sollte.

Nehmen Sie mal eine handvoll Gartenerde. Und schauen Sie genau hin: Gut, Sie werden bis auf ein Häufchen Erde ehrlicherweise nicht viel sehen. Aber: In Ihrer Hand leben jetzt mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt. Das Problem ist, dass die Tierchen kleiner werden. Und vor allem: weniger. Eine fatale Entwicklung, wie Forschende am mitteldeutschen Helmholtzzentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig jetzt im Fachjournal eLife festgestellt haben. Fünf Jahre haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genauer hingesehen. Und bestätigen, was bereits vermutet wurde: Das Ökosystem im Boden gelangt langsam unter Stress, was sich auch auf die Fruchtbarkeit des Bodens auswirkt. Also, genau genommen geraten kleinste Lebewesen wie Insekten und Spinnentiere, z.B. Springschwänze und Milben unter Stress.

Intensive Landwirtschaft und Klimawandel sorgen für Stress

Denn dass intensive Landwirtschaft sich nicht unbedingt aufs Bodenwohl und das dortige, meist unsichtbare, Tierreich auswirkt, ist bekannt. Aber was macht eigentlich der Klimawandel mit der Feld- und Gartenerde? Und was machen beide Faktoren zusammen? Mit der Untersuchung der Forschenden gibt es dazu jetzt erste Daten. "Das wichtigste Ergebnis war, dass beides, der Klimawandel und auch eine intensive Landnutzung, zu einer Reduzierung der Biomasse im Boden führen", erklärt Nico Eisenhauer vom iDiv. "Darüber wusste man bisher so gut wie nichts", ergänzt sein Kollege Martin Schädler vom UFZ.

7 Fakten über Regenwurm & Co. So wenig wissen wir über das Leben "da unten" im Boden...

Unglaubliche 80 Prozent aller lebenden Tiere auf unserem Planeten sind Fadenwürmer. So viele gibt es von ihnen! Dafür wissen wir aber ganz schön wenig über diese Lebewesen. Wir kennen gerade einmal 2 Prozent ihrer Arten. Bildrechte: imago/blickwinkel
Schon besser wissen wir über Ameisen Bescheid. Wahrscheinlich kennen wir etwa 50 bis 60 Prozent der Arten auf unserem Planeten - und es gibt 25.000 bis 30.000! Bildrechte: PantherMedia / bereta
Im Reich der Regenwürmer dagegen tappen wir im Dunklen. Wir kennen gerade einmal 20 Prozent ihrer Arten. 7.000 verschiedene Regenwurmarten unterscheiden wir. Wahrscheinlich sind es aber eher rund 30.000. Bildrechte: PantherMedia / Stootsy
Jetzt wird's unübersichtlich. Wir wissen, dass sich auch eine unfassbar große Menge von Einzellern im Erdreich tummelt. 21.000 Arten können wir unterscheiden. Das ist eine verschwindend geringe Menge, über die wir Bescheid wissen... Forscher gehen davon aus, dass es bis zu 70 Millionen Arten geben könnte. Bildrechte: PantherMedia / wir0man
Da kennen wir uns schon besser mit Termiten aus. Fast 90 Prozent der rund 3.000 Arten haben wir bereits entdeckt. Glückwunsch! Bildrechte: PantherMedia / membio
Unglaubliche 100.000 verschiedene Pilzarten können wir neben dem Exemplar mit diesen Fruchtkörpern unterscheiden. Doch echte Pilzkenner sind wir damit nicht. Denn wahrscheinlich gibt es über fünf Millionen Pilzarten. Tja, da haben wir noch einiges an Forschungsarbeit vor uns. Bildrechte: PantherMedia / TTstudio
Schätzungen zufolge tummeln sich rund 50.000 Arten von Springschwänzen in der Erde. Immerhin: Über 8.000 dieser Sechsfüßer (zu denen gehören auch die Insekten) kennen wir inzwischen. Bildrechte: imago images/Ardea

Global Change Experimental Facility – also Experimentelle Einrichtung für den globalen Wandel –, so heißt die Freiland-Versuchsanlage in Bad Lauchstädt im Süden Sachsen-Anhalts, die nicht nur verschiedene Bodennutzungstypen, sondern auch Klimaveränderungen simulieren kann. Die Wettervorhersage für die Jahre 2070 bis 2100: 0,6 Grad wärmer, zwanzig Prozent weniger Niederschlag im Sommer, je zehn Prozent mehr im Frühjahr und Herbst. Das Augenmerk des Forschungsteams lag dabei auf Springschwänzen und Milben, die für die Nährstoffkreisläufe im Boden besonders wichtig sind.

Lebewesen im Boden: Kleiner und weniger

Die Ergebnisse der Untersuchung weisen darauf hin, dass die Tiere künftig weiter schrumpfen würden. In der Simulation waren es vierzig Prozent. Dabei werden es nicht nur weniger Tiere, sie werden auch weiterhin kleiner. Nico Eisenhauer: "Im Schnitt kam es zu einer Reduktion der Körpergröße. Das hatte damit zu tun, dass es andere Gemeinschaften im Boden waren, aber auch damit, dass Tiere innerhalb der Arten kleiner werden. Was wiederum deutliche Auswirkungen darauf hat, wie diese Gemeinschaften funktionieren." Ganze zehn Prozent kleiner waren die kleinen Lebewesen auf Versuchsflächen mit höheren Temperaturen und veränderten Niederschlägen. Nur, warum? Wenn's weniger werden, haben doch die Verbliebenen mehr Platz zum Wachsen, könnte man meinen.

Kleiner Springschwanz: Wenn er futtert, sorgt er für den Nährstoffkreislauf. Bildrechte: imago/blickwinkel

Nehmen Sie mal den Eisbär im kalten Norden und den deutlich wärmere Gefilde bevorzugenden Kragenbär. Obwohl es beides Verwandte der Gattung Ursus sind, ist der Eisbär deutlich größer und schwerer. Ein kleiner Körper hat auch auch eine verhältnismäßig große Oberfläche. Vorteilhaft, um in warmen Gebieten Wärme abzugeben, aber keine so gute Idee für die Arktis. So auch bei den Lebewesen im Boden. Die geringere Masse an Organismen zieht aber auch eine geringere Leistung für den Nährstoffkreislauf nach sich.

Bio ist gut, reicht aber nicht

Zudem bleibt das Problem der intensiven Landwirtschaft. "Interessanterweise steckt dahinter ein anderer Vorgang", erläutert der UFZ-Biologe Martin Schädler die Ergebnisse der Studie. "Anders als das Klima verringert die Nutzung nicht die Größe der Tiere, sondern die Dichte." Das heißt: Auf einem Flecken mit konventioneller Landwirtschaft befinden sich weniger Insekten und Spinnentiere als bei traditioneller Landwirtschaft – um fast die Hälfte!

Na dann eben einfach ökologisch. Klingt gut, ist aber neben nicht so einfach. Die Forschenden zeigen klar, dass die negativen Faktoren Klimawandel und intensive Landwirtschaft sich nicht beeinflussen. Die Hoffnung, dass Bioanbau ein Ökosystem durch mehr Vielfalt im Boden resistenter gegen klimatische Störungen macht, ist damit vom Tisch. Hier gilt es, so die Biologinnen und Biologen, direkt bei den Treibhausgasen anzusetzen. Ob ökologische Landwirtschaft weniger CO2 produziert, steht auf einem anderen Blatt und kann nicht pauschal beantwortet werden, weil auch Faktoren wie ein Umdenken bei der Ernährung berücksichtigt werden müssen. Auf jeden Fall reicht sie nicht allein, damit nicht nur das unterirdische Tierreich wieder fideler ist, sondern auch Gurken, Pastinaken und Hollerbusch wieder besser wachsen. Auch in Ihrem Garten.

flo/af

Link zur Studie

Die Studie Climate change and intensive land use reduce soil animal biomass via dissimilar pathways erschien am 28. Juli im Fachjournal eLife.
DOI: 10.7554/eLife.54749

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