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Das schmeckt nach PlastikMikroplastik in Nahrungspflanzen

24. Juli 2020, 15:59 Uhr

Haben Sie heute schon Plastik gegessen? Vielleicht haben Sie es nicht bemerkt, denn ein Forscherteam hat jetzt gezeigt: Salat- und Weizenpflanzen nehmen die kleinsten Kunststoffpartikel auf und lagern sie ein.

von Fiona Benfer

Studien zeigen immer wieder: Kleinste Plastikteilchen landen regelmäßig in Nahrungsmitteln und gelangen so in die Menschen. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Shotshop

Kunststoff gibt es überall. Überall, wo Plastik ist, ist auch Mikroplastik. Das Plastikproblem ist auch ein Entsorgungsproblem, denn Kunststoff wird oft nicht kreislauffähig produziert beziehungsweise entsorgt. Kleinste Teilchen lösen sich aus dem Kunststoff heraus und schweben in der Luft, fließen im Wasser und gelangen dadurch in den Boden. Sie sind nur wenige Millimeter oder Zehntelnanometer groß – viele sind gar nicht mit bloßem Auge erkennbar.

Pflanzen nehmen Mikroplastik über Wurzeln auf

An der chinesischen Akademie der Wissenschaft hat ein Forschungsteam herausgefunden, dass Mikroplastik auch von Salat- und Weizenpflanzen aufgenommen wird. Kleine Risse an den Seitenwurzeln ermöglichen die Aufnahme. Dabei sind die Partikel so klein, dass sie in den pflanzeneigenen Kreislauf aufgenommen werden und auch in den essbaren Teilen eingelagert werden. Das Mikroplastik wird nicht Teil des pflanzlichen Stoffwechsels an sich, denn die Pflanze kann den Kunststoff nicht verwerten. Dennoch ist Mikroplastik in den Pflanzen drin – bislang dachte man, dass die Partikel zu groß wären, um von Pflanzen aufgenommen zu werden. Aber aus Mikroplastik ist mittlerweile Nanoplastik geworden – die Plastikpartikel sind zum Teil nur noch ein Tausendstel eines Mikroplastikpartikels groß.

Bislang wurde versucht, durch Verpackungsveränderung den Mikroplastikanteil in Lebensmitteln zu verringern. Allerdings zeigt die Studie, dass ein ganz anderes Problem entstanden ist – Plastik wird jetzt mitgegessen. Es gibt keine Möglichkeit – auch nicht durch sorgsames Abwaschen – die Kleinstpartikel aus dem Salat zu waschen. Man kann sie nicht mal sehen.

Jede Woche fünf Gramm Plastik

Das aufgenommene Mikroplastik kann im menschlichen Körper nicht verstoffwechselt werden. Forschungen im australischen Newcastle zufolge nimmt jeder Mensch pro Woche ungefähr fünf Gramm reinen Kunststoff zu sich – das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Was das für das Verdauungssystem und andere Organe bedeutet, ist bislang sehr wenig erforscht. Nur eins ist klar – vor zwei Jahren wurde im Rahmen einer Untersuchung des Umweltbundesamtes Österreichs bei Probandinnen bereits Mikroplastik im Stuhl nachgewiesen. Die Vermutung liegt also nahe, dass auch der menschliche Körper Mikroplastik nicht verwerten kann. Allerdings ist unklar, wie viel die Testpersonen aufgenommen haben und wie viel davon ausgeschieden wurde.

An Mikroplastik wird geforscht

Wissenschaftlicher vermuten, dass aufgenommenes Mikroplastik im menschlichen Körper das Entzündungsrisiko insbesondere im Verdauungstrakt erhöht oder dass schädliche Begleitstoffe leichter aufgenommen werden. Konkrete Untersuchungen wurden im Rahmen des Forschungsprojekts „Mikroplastik im Wasserkreislauf“ (MiWa) durchgeführt.

Deutschlandweit wurde in verschiedenen Forschungsteams an Analyseverfahren, Trink- und Abwasserproben und den Auswirkungen von Mikroplastik auf Wasserlebewesen und Humanzellen geforscht. Ein wichtiges Ziel war es analytische Verfahren zu entwickeln, um die Mikroplastikkonzentration in Frisch- und Abwasser zu messen. Denn ein zentrales Problem ist, dass „für Routineuntersuchungen derzeit die Rahmenbedingungen fehlen“. Das sagt Heiko Schulze, Bereichsleiter bei den Kommunalen Wasserwerken Leipzig. Damit meint er, dass weder passende Technik noch Techniken vorhanden sind – es gibt keine entsprechenden einsatzfähigen Filteranlagen, einheitlichen Untersuchungsverfahren oder Bewertungsmaßstäbe zu Konzentrationen. Diese wären aber unbedingt notwendig, denn „eine genaue Abschätzung zum Mikroplastik im Abwasser, wie es der Kläranlage zufließt, ist derzeit nicht möglich.“

Durch den Abrieb von Autoreifen auf Straßen werden Mikroplastikpartikel aus dem Reifen gelöst und gelangen so in die Luft. Bei Schuhsohlen und –absätzen verhält es sich ähnlich. Bildrechte: imago images/Westend61

Messverfahren müssen erst noch eingeführt werden

Um die Auswirkungen und Folgen von Mikroplastikvorkommen im Wasser untersuchen zu können, bedarf es also weiterer Grundlagenforschung. Doris Knoblauch leitet das Begleitvorhaben PlastikNet zum Forschungsschwerpunkt „Plastik in der Umwelt“. Sie erklärt, dass zwei Verfahren zur Mikroplastikanalyse von Trinkwasser gerade in der Entwicklung sind. „Das Trinkwasser ist nicht in Gefahr“, sagt sie. „Trinkwasser wird in Deutschland zumeist aus Grundwasser gewonnen. Wasser, das dorthin versickert, passiert über Monate mindestens 30 Meter dicke Bodenschichten. Diese natürliche und gigantische Filterschicht ist für Mikroplastik undurchdringbar“. Allerdings wurden die Analyseverfahren für Nanoplastik noch gar nicht entwickelt. Ganz zu schweigen von Langzeituntersuchungen an Pflanzen, Pilzen oder Tieren. Welche Folgen das heutige Mikroplastik für den Menschen und die Umwelt hat, lässt sich also  nur begrenzt abschätzen.

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