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Wissenschaftler konnten bei Patienten auch während des Herzstillstands Hirnaktivitäten messen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Pond5 Images

NahtoderlebnisseErinnerungen an den Tod: Studie untersucht Bewusstseinszustände während Herzstillstand

04. Oktober 2023, 11:25 Uhr

US-Forscher haben Klinik-Patienten während eines Herzstillstands und der anschließenden Wiederbelebung begleitet und sie anschließend zu ihren Nahtoderlebnissen befragt. Sie fanden Hinweise auf Gehirnaktivität während des Stillstands.

Ein Patient träumte davon, durch ein verbotenes Haus zu streifen und von der Polizei dabei erwischt zu werden. Während er noch darüber nachdachte, wie er sein Verhalten erklären sollte, wanderte er in eine Pfütze, aus der er trocken emporstieg, nur um anschließend mit dem Bürgersteig zu verschmelzen. "Über mir stand ein Fischer und sang ein Seemannslied, und es regnete", erzählte die Person von der Vision, die sie hatte, während sie im Krankenhaus einen Herzstillstand erlitt und die Ärzte um ihr Überleben kämpften.

Berichte über Nahtoderlebnisse sind nicht neu. Ob man durch einen Tunnel auf ein Licht zugeht, das eigene Leben im Schnelldurchlauf betrachtet oder dunkle Geister versuchen, einen in die Tiefe zu ziehen – wenn das Herz aufhört zu schlagen und die Sauerstoffwerte im Blut sinken, tritt der Hirntod oft nicht unmittelbar ein.

Forschende begleiten über 500 Patientinnen und Patienten während eines Herzstillstands

Ein Team von Forschern um Sam Parnia von der New York University School of Medicine in den USA hat jetzt in einer aufwendigen Studie solche Nahtoderlebnisse von Patienten mit Herzstillstand erforscht und nach Merkmalen gesucht, die zeigen, dass das Gehirn eines sterbenden Menschen noch aktiv ist. Unter anderem die österreichische Tageszeitung der Standard hat kürzlich über die Arbeit berichtet.

Die Forscher beobachteten einerseits eine Gruppe von insgesamt 567 Patientinnen und Patienten, die bereits im Krankenhaus waren, als sie einen Herzstillstand erlitten. Ohne die Maßnahmen zur Wiederbelebung zu behindern, untersuchten die Wissenschaftler Hirnströme und achteten auf Lebenszeichen wie Stöhnen oder Bewegungen. Gleichzeitig testeten sie, ob visuelle oder akustische Signale wie Bilder oder Geräusche die Sterbenden noch erreichten. Insgesamt konnten 53 Personen erfolgreich wiederbelebt werden (9,3 Prozent), was ungefähr der üblichen Wahrscheinlichkeit von 10 Prozent entspricht, einen Herzstillstand zu überleben.

Durch den Tunnel ins Licht oder in die Dunkelheit: Nahtoderlebnisse sind nicht immer positiv

Von den Überlebenden waren 28 Menschen ausreichend fit, um den Forschern in Interviews über ihre Nahtoderlebnisse zu berichten. Einige davon schilderten, wie sie verstorbene Angehörige wiedertrafen, wie etwa die eigene Großmutter geraten hatte, umzukehren und ins Leben zurückzukehren. Andere schilderten, durch einen Tunnel gegangen zu sein und von einem intensiven Gefühl der Liebe durchdrungen worden zu sein. Wiederum andere berichteten, wie ihr Bewusstsein den Körper verlassen und die Szene von außen beobachtet hatte. In einer Schilderung wurde nicht nur das eigene Leben, sondern auch alle Auswirkungen auf die soziale Umwelt bilanziert.

Doch nicht alle Erlebnisse sind positiv. Es wird auch von Aufenthalten in tiefer Dunkelheit berichtet, von Stimmen, die weiter in die Tiefe ziehen wollen, oder von Personen ohne Gesichter in Roben, die die Welt in Grautönen versinken lassen wollen. Auch die Wiederbelebung selbst wird teilweise miterlebt, wenn sich Menschen daran erinnern, wie der Defibrillator auf die Brust aufgesetzt wird und der Stromstoß den Körper durchzuckt. In solchen Fällen kann es sogar passieren, dass Patientinnen und Patienten eine posttraumatische Belastungsstörung davontragen.

Insgesamt teilten die Forscher die Berichte in Kategorien ein: Erlebnisse, die mit dem Aufwachen aus dem Koma verbunden waren, solche, die unmittelbar mit der Wiederbelebung zusammenhingen, traumähnliche Zustände und transzendente Todeserfahrungen (wie Begegnungen mit verstorbenen Angehörigen). Der Test zur Wahrnehmung von visuellen oder akustischen Signalen schlug in fast allen Fällen fehl: Nur ein Patient konnte ein Geräusch wiedererkennen, das ihm die Forscher während des Herzstillstands vorgespielt hatten. Bilder erkannte niemand wieder.

Hirnaktivität kehrt teilweise erst über 30 Minuten nach Wiederbelebung zurück

Aus Sicht der Wissenschaftler ist aber vor allem spannend, dass Aktivitäten im Gehirn messbar waren, viele Minuten nach dem Herzstillstand. So wurden oszillierende Gammawellen beobachtet, die deutlich auf Bewusstseinszustände hinwiesen, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Sauerstoffmangel in den Patienten ausgeprägt war.

Zudem kann das Gehirn auch nach einer längeren Phase nahe dem Tod wieder aktiv werden. Oft nahm das Organ seine Aktivitäten erst 35 bis 60 Minuten nach der Wiederbelebung wieder auf. Auch diese Patienten konnten sich dann mitunter noch vollständig von der Nahtoderfahrung erholen. Die Autoren der Studie sehen durch ihre Arbeit erstmals belegt, dass den vielfach berichteten Nahtoderlebnissen echte Hirnaktivität zugrunde liegt.

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