Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung

Technische SammlungenEscape Room mit Katze Q: Quantenphysik zum Anfassen

29. April 2024, 16:55 Uhr

In den Technischen Sammlungen Dresden gibt es einen neuen und einzigartigen Escape Room, der für Kinder und Jugendliche ab elf Jahren, aber auch für Erwachsene geeignet ist. Darin laden berühmte Phänomene der Quantenphysik auf spielerische Art zum Knobeln ein.

"Eine Wissenschaft, die nicht so einfach ist, dass man sie auf der Straße jedem erklären könnte, ist nicht wahr."

Was für ein Satz! Vor allem, wenn es um Quantenphysik geht. Aber genau dieses Zitat von Max Planck hat Roland Schwarz, Direktor der Technischen Sammlungen Dresden, bei der Eröffnung des neuen Escape Rooms Katze Q aufgegriffen.

Man will diesen Wissenschaftszweig, von dem so wenige etwas verstehen, einem breiten Publikum auf einfache Art nahebringen. "Wir möchten Kinder und Jugendliche für naturwissenschaftliche und technische Zusammenhänge begeistern, zum Tüfteln, Ausprobieren, Experimentieren und Entdecken anregen", sagt Schwarz. "Wir übersetzen echte wissenschaftliche Phänomene in Spielabenteuer."

Eine von 17 Rätsel-Stationen im Escape Room Katze Q: Hier muss mittels dreier im Raum verteilter Rädchen eine Interferenz erzeugt werden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Da drängt sich die Frage auf: Nur Kinder und Jugendliche? Gibt es in der Schar der Erwachsenen nicht einen fast ebenso großen Anteil, der beim Thema Quantenphysik völlig unbedarft ist und also ebenfalls viel lernen kann? Die Antwort gibt Matthias Vojta. Er gehört nicht zu diesem großen Teil der Quantenphysik-Unbedarften, sondern forscht genau dazu am Dresdner und Würzburger Exzellenzcluster "ct.qmat" und ist einer der wichtigsten Köpfe hinter dem neuen Escape Room.

Wenn sich jemand hinstellt und sagt, er versteht das komplett, dann würde ich sagen, er lügt. Das gilt auch für mich.

Matthias Vojta, Professor für Theoretische Festkörperphysik an der TU Dresden

Quantenphysiker Matthias Vojta im Escape Room Katze Q Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Tatsächlich sei der Escape Room für alle, sagt Vojta, "natürlich auch für Erwachsene". Alle können etwas lernen, das sei völlig klar. Denn ohnehin gelte: "Wenn sich jemand hinstellt und sagt, er versteht das komplett, dann würde ich sagen, er lügt. Das gilt auch für mich, ich verstehe das auch nicht komplett, was in der Quantenphysik alles passieren kann."

Aber zumindest versteht Vojta mehr davon als die allermeisten anderen. Hauptaufgabe war für ihn, Phänomene der Quantenphysik wie Welle-Teilchen-Dualismus, Superposition oder Verschränkung so zu "übersetzen", dass das gesamte Publikum sie verstehen kann. "Rüberzubringen, dass es coole Effekte gibt, wo man Schwierigkeiten hat, die sich vorzustellen, die aber offensichtlich eine Rolle spielen, das ist wichtig", sagt Vojta. Und er ist sich sicher: "Ein Gefühl dafür bekommen, was in der Quantenphysik ungefähr passiert, kann man relativ leicht."

Escape Room: Wer die App "Katze Q" gespielt hat, hat einen Vorteil, aber nur einen kleinen

Um ein bisschen zu testen, ob man diese Art von Rätseln mag, muss man übrigens nicht sofort nach Dresden kommen. Denn der Escape Room baut bei Inhalt und Design auf der kostenlosen, werbefreien und mehrfach preisgekrönten Spiele-App "Katze Q" für Smartphones und Tablets auf, die ebenfalls von den "ct.qmat"-Forschern und Game-Designer Philipp Stollenmayer entwickelt wurde.

Wer diese App gespielt habe, gehe mit einem kleinen Vorteil in den Escape Room, sagt Matthias Vojta, aber wirklich nur einem kleinen. "Es gibt ein paar Rätsel, die sind so ähnlich, aber auch ein paar, die sind völlig anders. Es sind neue dazugekommen und andere weggefallen."

Außerdem ist es ein Riesenunterschied, ob man nur auf einem kleinen Bildschirm durch Wischen und Antippen agieren kann, oder ganz real und haptisch in einem echten Raum. Also verspricht der Dresdner Quantenphysiker allen, die die App kennen: "Ja, man hat einen Vorteil, aber nicht so, dass es einem den Spaß verdirbt."

Escape Room Katze Q ist für Familien und Schulklassen ausgelegt

Was diese Rätselstation mit Quantensprüngen zu tun hat, erfährt man im Escape Room. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Escape Room ist eigentlich eine ganze Wohnung, bestehend aus vier Räumen, inklusive Küche und Bad. Überall sind Rätsel und Hinweise versteckt, und alle Räume sind so konzipiert, dass nicht nur eine Familie, sondern auch eine ganze Schulklasse gleichzeitig und gemeinsam agieren kann.

Damit es nicht zu Staus kommt und alle alles der Reihe nach ausprobieren können, wurde ein akustischer "Hausmeister" engagiert, dem man anhört, dass er einen Pullunder mit grün-gelbem Rautenmuster trägt. Es ist Olaf Schubert, dessen Stimme freundlich, aber bestimmt dafür sorgt, dass nach knapp einer Viertelstunde der nächste der vier Räume betreten wird. Insgesamt dauert das Spiele-Abenteuer also ziemlich genau eine Stunde.

Praktische Anwendungen der Quantenphysik: Energieeinsparungen und extrem schnelles Rechnen

Nach jedem gelösten Rätsel im Escape Room bekommt man einen leicht verständlichen weiterführenden Text über die physikalischen Hintergründe des jeweiligen Phänomens zu lesen. Wer sich dafür interessiert, kann also zum Beispiel erfahren, warum die Buchstabenkombination "MnBiTe" in der Quantenphysik eine wichtige Rolle spielt. Sie steht für Mangan-Bismut-Tellurid, ein Material, das das Zeug dazu haben könnte, den weltweiten Stromverbrauch von Computern drastisch zu senken.

Wer im Wohnzimmer von Katze Q die (vorhandene) Schwarzlicht-Lampe benutzt, bekommt einen Hinweis zum Mangan-Bismut-Tellurid-Rätsel. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"IT-Technik ist für 20 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich", erklärt Matthias Vojta. "Da ist also ein Hebel, an dem man drehen kann und drehen sollte." Bei Mangan-Bismut-Tellurid gebe es im Gegensatz zu herkömmlichen Stromleitern einen nahezu verlustfreien Elektronentransport, allerdings nur im "Randzustand", wie Vojta es nennt. "Das funktioniert im Labor bei sehr tiefen Temperaturen, und es funktioniert halt noch nicht unter Alltagsbedingungen. Das ist Teil dessen, woran wir forschen."

Weiterer Forschungsschwerpunkt sind Quantencomputer. Ihr Vorteil gegenüber klassischen Computern: Sie rechnen nicht nur mit Bits aus 0 und 1, sondern können auch mit Überlagerungszuständen rechnen, so ähnlich wie bei Schrödingers Katze, die tot, lebendig oder beides in einem ist. Quantencomputer rechnen nicht "1+1", erklärt Matthias Vojta, "sondern die rechnen gleichzeitig 0+0, 0+1, 1+0 und 1+1. Das heißt, die führen, weil sie mit Superpositionszuständen arbeiten, gleichzeitig viel mehr Operationen aus."

Rechenzeit: Größter klassischer Computer 10.000 Jahre, Quantencomputer eine Stunde

Bei speziellen Aufgaben, wie zum Beispiel Optimierungsproblemen ("Wie finde ich den besten Weg von A nach B, wenn ich noch über C und D muss?"), bringe die Parallelität der Berechnungen einen Zeitvorteil, der astronomisch groß sein kann, sagt Matthias Vojta. "Es gibt Abschätzungen und mittlerweile auch schon Demonstrationen, dass ein Quantencomputer für spezielle Aufgaben, für die er gut geeignet ist, eine Stunde braucht, für die der größte klassische Computer, den es aktuell gibt, 10.000 Jahre bräuchte."

Problem dabei: Einen richtigen Quantencomputer gibt es heute noch gar nicht, erklärt Vojta. "Was wir haben, sind Vorläufermaschinen", sagt er. Um die Quantenoperationen auszuführen, damit man von einem universellen Quantencomputer sprechen könnte, gebe es technische Grenzen, die heute noch nicht knackbar sind. "Am Ende hängt es damit zusammen, dass der Quantencomputer in relativ kurzer Zeit seine Informationen vergisst, weil die Zustände nicht hinreichend robust sind."

Die Forschung sei aber auf einem sehr guten Weg, sagt der Wissenschaftler. Irgendwann werde er sicher kommen, der universelle Quantencomputer. Vielleicht entwickelt ihn in ein paar Jahren eines der jetzigen Kinder, die im Escape Room zum ersten Mal mit Quantenphysik in Berührung kommen. Ab diesem Wochenende (27./28. April) ist das möglich.

Weiterführende Links

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | Sachsenspiegel | 25. April 2023 | 19:18 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen

Nachrichten

Mehr zum Thema