Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Die Stammburg der Hohenzollern im baden-württembergischen Bisingen (Archivbild): Die Adelsfamilie geht seit Jahren mit SLAPP-Klagen gegen kritische Berichterstattung zur NS-Vergangenheit vor. Bildrechte: IMAGO/Pond5 Images

Wissen-NewsEinschüchterungsklagen gefährden Wissenschafts- und Pressefreiheit

23. Februar 2024, 15:20 Uhr

Einschüchterungsklagen beeinflussen und behindern die Wissenschafts- und Pressefreiheit in Deutschland. Forscher der Uni Leipzig haben die Folgen strategischer SLAPP-Klagen am Fallbeispiel der Hohenzollern untersucht.

Einschüchterungsklagen von Anwaltskanzleien beeinflussen und behindern einer Studie zufolge die Forschung und die Presseberichterstattung in Deutschland. Wie die Einschüchterungsversuche der als SLAPP (Strategic Lawsuits Against Public Participation) bekannten strategischen Klagen auf Betroffene wirken, haben Kommunikations- und Medienwissenschaftler der Universität Leipzig unter Leitung von Uwe Krüger am Fallbeispiel der Hohenzollern untersucht. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift "Publizistik" veröffentlicht.

Dr. Uwe Krüger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Bildrechte: Swen Reichhold/Universität Leipzig

Das Adelshaus der Hohenzollern, das seit 1701 die preußischen Könige und von 1871 bis 1914 auch die deutschen Kaiser stellte, ist den Studienautoren zufolge im Zuge seines Reputations- und Krisenmanagements bislang mit über 120 Klagen und Abmahnungen gegen öffentliche Äußerungen zur politischen Rolle der Familie beim Aufstieg des Nationalsozialismus vorgegangen. Adressaten waren demnach Historiker, Redaktionen und andere Beteiligte der öffentlichen Berichterstattung. Die Leipziger Forscher fanden lediglich zehn Betroffene, die zu Interviews bereit waren. Sie schilderten übereinstimmend, dass die rechtlichen Schritte der Hohenzollern-Familie sie zumindest zeitweise erheblich verunsichert und in ihrer Arbeit eingeschränkt hätten. Befragte Journalisten räumten zudem einen defensiveren Sprachgebrauch oder gar eine Vermeidung des Hohenzollern-Themas ein.

Die meisten der Befragten betrachteten das Vorgehen der Hohenzollern zudem als ungerechtfertigt an, da es bei den beanstandeten Aussagen nicht um den Kern der Sache, sondern nur um Nebensächlichkeiten gegangen sei. Zudem behinderten die SLAPP-Klagen laut der Studie auf der zweiten Ebene die Redebereitschaft von Forschern und Journalisten. Auch wenn es den Hohenzollern nicht gelungen sei, die Berichterstattung und Forschung zu NS-Verwicklungen komplett zu unterbinden, so habe die Debatte durch die Beeinflussung von Akteuren doch zumindest in Teilen unterbunden werden können (Agenda Cutting).

SLAPP-KlagenSLAPP (Strategic Lawsuit Against Public Participation), zu deutsch "Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung" ist ein Akronym für eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker einzuschüchtern und ihre öffentlich vorgebrachte Kritik zu unterbinden. SLAPP-Klagen haben in Europa zuletzt immer mehr zugenommen. 2022 wurden nach Angaben der Leipziger Forscher EU-weit rund 160 missbräuchliche Klagen eingereicht, was der bislang höchste je gemessene Jahreswert gewesen sei.

Links/Studien

(dn)

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen

Nachrichten

Mehr zum Thema