Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Ein Nosferatu-Spinnen- Weibchen bewacht das Gelege, in dem die nächste Generation heranwächst. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

SpinnenWarum es die Nosferatu-Spinne fast in allen Regionen Deutschlands gibt

30. Dezember 2022, 09:46 Uhr

Ihr Name klingt schaurig, aber wer von ihr gebissen wird, wird weder unsterblich noch zum Vampir: Nosferatu-Spinnen, biologisch korrekt Zoropsis Spinimana, sorgen oft für Schlagzeilen. Es mehren sich die Funde, der Nabu hat sogar eine eigene Seite eingerichtet, auf der man Exemplare melden kann. Was ist da los, was macht Nosferatu-Spinnen so erfolgreich? Und was tun, wenn man eine im Keller entdeckt?

von Liane Watzel


Nosferatu-Spinnen fühlen sich tatsächlich in vielen Regionen Deutschlands wohl, das Klima ist prima, jedenfalls aus Spinnensicht. Vor allem im Westen, entlang des Rheins sind die haarigen Achtbeiner bis hoch nach Bremen etabliert. Das zeigt beispielsweise eine Karte der Arachnologischen Gesellschaft, in die man als registriertes Mitglied Spinnenfunde mit Fundort eintragen kann. Experten überprüfen die Bilder, bevor die Funde auf der online einsehbaren Karte ausgespielt werden. Auch ein Exemplar aus Sachsen findet sich dort, aus dem Januar 2018 in Leipzig.

Im Westen viele Funde und Fundorte, im Osten wenige, zeigt eine Online-Meldekarte. (Stand 31.08.2022) Nosferatuspinnen machen nur langsam rüber. Bildrechte: Arachnologische Gesellschaft e.V.

Sperma-Sparen: Das Erfolgsrezept der Nosferatu-Spinnen

Robert Klesser vom Naturkundemuseum Leipzig hat diese Spinne über mehrere Monate beobachtet und untersucht. "Die Spannweite des Tieres betrug sechs Zentimeter, die Körperlänge in gut genährtem Zustand 18 Millimeter," schreibt er in einer Analyse.

Gefangen: Zoropsis-Spinimana Bildrechte: Robert Klesser

Nach 14 Tagen im Naturkundemuseum baute das Tier einen Kokon, 182 Eier wurden gezählt. Bis Juni 2021 erfolgten im März, April und Juni weitere Eiablagen, aber mit immer weniger Eiern. Ohne Männchen, wie geht das? Zoropsis Spinimana-Weibchen haben, wie viele Spinnen, Spermatheken, das heißt, sie lagern Sperma ein, erklärt der Experte im Gespräch mit MDR WISSEN: "Die Spermaspeicherung kann somit als starker Faktor bei der Etablierung der Art angenommen werden." Aber Sperma-Aufsparen ist natürlich nicht der einzige Faktor, der Nosferatus so erfolgreich beim Ausbreiten macht, auch andere Spinnen haben schöne Spermatheken. "Zoropsis Spinimana produziert zum einen viele Nachkommen; sie baut mehrfach Kokons und sie kann über einen längeren Zeitraum befruchtete Eier ablegen", listet Robert Klesser auf und fasst zusammen: "Das ist einfach eine super-robuste Spinne."

Nosferatu-Spinne im Osten seltener als im Westen des Landes

Klesser bekommt nach eigenen Angaben inzwischen häufig Hinweise auf Nosferatu-Spinnen, unter anderem auch aus Leipzig: "Seither habe ich aus dem gleichen Wohngebiet etliche Meldungen geschickt bekommen", sagt er. Und sonst im MDR Sendegebiet, wie sieht es da aus? In Sachsen-Anhalt gab es Klesser zufolge bereits 2018 einen Hinweis auf einen Fund an das Landesamt für Umweltschutz in Halle; aus Dresden wurde 2021 im Juli auf der Seite iNaturlist.org ein Fund gemeldet. Die erste ihrer Art in Deutschland wurde 2005 in Freiburg im Breisgau entdeckt, hat sich über den Südwesten in Richtung Norden etabliert, Ende 2020 wurde in Bremen erstmals über Funde berichtet. Das Verbreitungsmuster, im Westen viele, im Osten wenige, wie die Online-Meldekarten zeigen, verleitet zum sprachlichen Spinnen: Die Nosferatuspinne macht offenbar nur langsam rüber.

Nosferatu-Spinne: Raustragen oder totschlagen?

Das hätte sich Max Schreck alias Nosferatu nicht träumen lassen: Dass die Umrisse eines Gesichts mal einer Spinne einen Namen geben würden. Bildrechte: IMAGO / United Archives

Also was tun, wenn man eine solche Spinne im Keller findet? Totmachen oder raustragen, was rät der Spinnenexperte? "Ich empfehle ignorieren. Denn wenn Sie die raustragen, kommt die wieder zurück. Und wo eine eine ist, sind garantiert mehrere, da hat man meistens eine ganze Hand voll." Zugegeben, das ist jetzt nichts, was der gemeine "Igitt, eine Spinne"-Finder lesen will. Trotzdem alles halb so wild, wenn man sich die Spinne mal weiter anschaut. Frau und Herr Nosferatu haben sich nämlich nicht ohne Grund im Keller angesiedelt: Da ist es ruhig, das Klima beständig, da speist man friedlich. Was eigentlich? Blut ja nun nicht, auch wenn die Spinne heißt wie ein Film-Vampir. Der stand auf Blut, die achtbeinigen Namenskolleginnen hingegen nicht. Höchstens indirekt, falls sie mal eine vollgetankte Mücke erwischen. Was frisst Zoropsis Spinimana denn dann? "Die üblichen Verdächtigen, von Asseln bis andere Spinnen", führt Klesser aus. Also ist sie wie viele Arten im Tierreich an einer Stelle des ökologischen Netzes ein Nützling. Man denke an die Zitterspinne, die im Haushalt Lästlinge wie Lebensmittelmotten, Fliegen oder Silberfischchen beseitigt. Und was ist mit Menschen, wenn sie uns beißt? Ähnlich schmerzhaft wie ein leichter Wespenstich, das Gift selbst ist für Menschen nicht gefährlich. Und wichtig zu wissen: Ihr Gift setzt sie beim Menschen nur ein, wenn sie gereizt wird.

Nosferatu-Spinne: Was hat sie mit dem Filmvampir zu tun?

Aber warum heißt die pelzige Kellerschönheit mit den langen Beinen, die weder Blut trinkt noch auf Kuschelkurs mit Menschen geht, überhaupt Nosferatu-Spinne? Wer eine findet, und ihren Anblick erträgt und sich mal ganz genau anschaut, sieht warum: Die Zeichnung auf ihrem Vorderteil mit zwei schwarzen Flecken erinnert an den Film-Vampir aus den 1920er-Jahren. Wer nicht so lange und direkt gucken kann oder will, macht ein Foto, verlässt den Keller, und trägt den Fund der hauseigenen Insekten-Müllabfuhr auf den Online-Meldeseiten für Spinnen ein.

Sehen Sie die Ähnlichkeit zwischen der Filmfigur Nosferatu und Zoropsis Spinimana ? Bildrechte: Imago UnitedArchives /MDR

Links: Wo kann man Spinnenfunde melden?

Dieser Artikel ist auf Platz 4 der im Jahr 2022 am häufigsten aufgerufenen Artikel (außer Corona).

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen