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UmweltschutzWitzige Plakate gegen Müll im Wald – und warum sie nur bedingt wirken

23. August 2021, 15:20 Uhr

Vor Hinweisschildern im Wald biegt man sich selten vor Lachen. Meist sind sie bieder, lehrreich und ein bisschen verschnarcht. Nicht so das Plakat einer Agentur aus dem Schwarzwald gegen unliebsame Waldbewohner. Es gibt dem Müll seltsame Namen und soll helfen, dass der eine oder andere Mülltroll seinen Abfall nicht mehr in die Natur pfeffert. Aber wirkt es auch? Es ist ein langer Prozess, sagt die Forschung.

von Annegret Faber

Bildrechte: Baiersbronn Touristik

Es ist ein buntes, farbenfreudiges Plakat, das erst bei genauem Hinschauen den Ernst der Lage Preis gibt.

Andreas Padberg bei seinem täglichen Spaziergang durch das Oberholz mit Jagdhund Kato, einer deutschen Bragge mit dem schönen sächsischen Namen "Von der Muskauer Heide". Bildrechte: MDR/Annegret Faber

Andreas Padberg hat es im Leipziger Oberholz an eine Holztafel gepinnt, ein 600 Hektar großer Wald, südöstlich von Leipzig. Padberg erklärt, warum das Plakat wirkt: "Hier wird sehr schön dargestellt, welche negativen Wirkungen das Liegenlassen von Müll im Wald hat: nicht belehrend, sondern keck. 'Unbeliebte Naturbewohner, die leider noch nicht vom Aussterben bedroht sind und ihre Verrottungszeiten." Das Plakat zeigt einen schönen Waldboden, allerdings voller Müll. Eine Plastikflasche liegt im Moos, Babywindeln, Zigarettenkippen oder Kaffeebecher. Alle haben Fantasienamen bekommen und ihre Verrottungszeit wird angegeben. Da wird die gelehrte Wasserflasche zum "Geknickten Dürstling, trappatoni babbela"; die medizinische Gesichtsmaske zum "Maultäschle, Maskus nixkuss", das zerknüllte Papiertaschentuch zu "Weißer Rotzling, Popel schnupfus alba." Und ganz unten auf dem Plakat der Hinweis: Die getarnte Vermehrung dieser Naturbewohner lasse sich leicht stoppen, da sie sich ohne Widerstand entfernen ließen.

Der "Blaue Dunstling Tabacci rauchica" bevölkert nicht nur den Waldboden, sondern auch Strände. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Beim Amtsleiter des Leipziger Forsts fiel das Plakat sofort auf fruchtbaren Boden. Padberg findet es einerseits amüsant, andererseits trotzdem lehrreich: "Bilder, die klar zuordnen, der Kaffeebecher, das pappige Becherlein, Coffea Warnikum, lateinisch, bis zu 50 Jahre, bis er verrottet, oder Stinkie Bombulus Windelie, kann man sich denken, was gemeint ist, 500 bis 800 Jahre." Wer das Plakat sieht, schmunzelt unweigerlich, trotz des schwierigen Themas.

Ein Plakat erobert die deutschsprachigen Wälder

Tatsächlich hat es auch bei der Entstehung des Motivs viele Lacher gegeben, berichtet Patrik Schreib.

"Das gelbe Schalentier Rutschus bananicum" - Verrottungszeit im Wald: ein bis drei Jahre. Bildrechte: IMAGO / CHROMORANGE

Er ist Tourismusdirektor der Gemeinde Baiersbronn im Schwarzwald. Zusammen mit Kollegen entwarf er das Plakat, das so gut ankommt. Seine persönlichen Favoriten: "Der weiße Rotzling ist schon ziemlich weit vorne bei mir und das gelbe Schalentier." Gemeint sind die Bananenschale und ein Taschentuch. Menschen werfen beide gerne in die Natur. Die Resonanz auf das Plakat ist Schreib zufolge überwältigend. Mittlerweile hängt es in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz, erzählt Annette Pojtinger, die für die Grafik zuständig war. "Fast täglich gibt es Resonanz übers Internet, per Telefon oder Mail. Da kommen Anfragen: Dürfen wir das verwenden? Auch für Schulbücher ist es jetzt angefragt worden." In Österreichs Wäldern soll es Menschen ebenfalls dazu anregen, den Müll nicht in die Natur zu werfen.

Der Haken an der Sache: Wer solche Plakate liest, schmeißt den Müll sowieso nicht in den Wald

Peter Zellmann leitet das Institut für Freizeit und Tourismusforschung in Wien. Er hält es für eine gute Idee, Menschen augenzwinkernd auf das Thema aufmerksam zu machen. Allerdings ist das Müllproblem so schnell dann doch nicht zu lösen, gibt Zellmann zu bedenken: "Menschen, die sich mit dem Plakat, oder seinem Inhalt auseinandersetzen, sind genau die, die ohnedies ihren Müll mit nach Hause nehmen."

"Maultäschle maskus nixkuss" Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Das sei der Haken bei all diesen Kampagnen. Diejenigen, um die es geht, würden nicht erreicht. "Weil Menschen Egoisten sind, weil man meint, auf mich kommt es ja nicht an und ich bin ja ein Einzelner und es ist doch ganz egal." Tatsächlich zeigten Studien des Instituts für Freizeit und Tourismusforschung, dass ein Viertel bis ein Drittel der Menschen so denken. Und dabei ist es egal, ob es um Umweltfragen geht, Kultur oder Politik. Zellmanns Institut macht seit Jahren regelmäßig Befragungen. "Das ist relativ mühsam, weil niemand sagt, 'ich werfe meinen Müll weg'. Aber bei qualitativen Interviews, bei denen man in die Tiefe gehen kann, kann man relativ genau abschätzen, ob es jetzt 30, oder 40 Prozent im Einzelfall sind." Aber er glaubt auch, selbst dieser Bevölkerungs-Anteil würde irgendwann verstehen, dass es wenig Sinn macht, den Müll in der Natur liegen zu lassen.

Die Gesellschaft wandelt sich, wenn auch nur im Schneckentempo

Allerdings wäre das ein sehr langer Prozess: "Das Aufklären der Menschen, das Informieren über Zusammenhänge, braucht mehr Zeit, als sich Politikerinnen, Politiker dafür nehmen." Sonntagsreden oder Plakate wirkten nicht nachhaltig, aber viele kleine Mosaiksteinchen führten zu gesellschaftlicher Veränderung. Die brauche aber eine ganze Generation und beginnen müsse diese Aufklärung in der Grundschule. Der Veränderungsprozess sei schon im Gang und das Plakat leiste einen Teil. Patrick Schreib, Geschäftsführer der Nationalpark Region Schwarzwald hofft allerdings, dass das alles schneller geht, als Peter Zellmann prognostiziert.

Die Agentur taufte Windeln als "Gefüllter Dungfang. Stinki bombulus windeli". Es dauert Generationen, bis sich Verhaltensweisen ändern, vermutet Forscher Peter Zellmann, Bildrechte: IMAGO / Loop Images

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