Erneuerbare EnergieDie Energiewende hat (k)ein Speicherproblem
Der letzte Winter hat es noch einmal mit aller Deutlichkeit gezeigt: Wenn die Wende weg von fossilen Energieträgern gelingen soll, dann sind Speicher unverzichtbar.
Hat die Energiewende ein Speicherproblem? Auf keinen Fall, sagt Hans-Josef Fell in einem Beitrag auf telepolis. Und der Mann sollte es wissen. Immerhin ist er einer der Autoren des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Und so zählt er drei Beispiele auf, die das belegen. Zwei davon sind Batteriespeicher. Das klingt gut, aber reicht das?
Batteriespeicher sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende und die Speicherkapazität in Deutschland steigt deutlich. Bis 2030 könnten es bereits 100 Gigawatt sein, so eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg, über die wir im Dezember berichteten. Allein 13 Gigawatt könnte bis zu diesem Zeitpunkt, also in sieben Jahren, bereits der Anteil der privaten Stromspeicher ausmachen, so Jörg Jaspers vom Energieunternehmen EnBW auf einem Symposium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina am 16. Februar 2023 in Halle. Klingt gigantisch. "Aber wir erleben heute schon Lastschwankungen von 70 Gigawatt im Netz", so der Energiewirtschaftsexperte. Wenn wir über Energiesicherheit reden, reichen Gigawattspeicher nicht. Für 2045 rechnet sein Unternehmen mit nötigen Speicherkapazitäten von 47 bis 110 Terawattstunden. Und das geht nur mit Wasserstoff.
Es geht um mindestens 75 Terawattstunden
In diesem Bereich bewegen sich auch die Szenarien, die Harald Bradke vorstellt. 75 Terawattstunden in Form von Wasserstoff sind nötig, denn die Aussage "'irgendwo scheint immer die Sonne, weht Wind' ist leider nicht realistisch", so der Experte für Energietechnologien und Energiesysteme vom Fraunhofer Institut ISI. Die Herausforderung: Die Herstellung dieses grünen Wasserstoffs erhöht den für 2045 prognostizierten Strombedarf noch weiter. Deutschland würde bei einem Jahresverbrauch von dann bis zu eintausend Terawattstunden vom Stromexporteur (heute 10 %) zum Stromimporteur in gleicher Größenordnung (10 %) werden, so Bradke.
Chemische Energiespeicherung ist der Schlüssel, so Walter Leitner vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion. "Aber die eine Lösung gibt es nicht." Und die Priorisierung der Elektrifizierung trage dem nicht Rechnung, so der Chemiker und Experte für Molekulare Synthese, der den Blick ebenfalls auf Wasserstoff richtet, nur in anderer Form. Ammoniak oder LOHC (liquid-organic hydrogen carrier, zu Deutsch flüssige organische Wasserstoff-Träger) lassen sich viel günstiger transportieren. Auch Technologien wie Power to X – die Herstellung synthetischer Brenn-, Kraft- und Grundstoffe aus elektrischer Energie - müsse deutlich stärker ausgebaut werden. "Die Energiewende ist mehr als Strom", so Leitner auf dem Leopoldina-Symposium. Nur die Inputenergie müsse dekarbonisiert werden, wobei ihm der Begriff "defossilisiert" besser gefällt, "denn ohne Kohlenstoff geht es nicht". Und Kohlenstoff ist jede Menge vorhanden, nicht nur als CO2 in der Atmosphäre, wir könnten ihn auch aus anderen Quellen nutzen, etwa der Zement- oder Stahlindustrie, so Leitner, der auch als Professor für Technische Chemie und Petrolchemie an der RWTH Aachen lehrt. Sein Credo: Jetzt anfangen, selbst wenn noch nicht alles grün ist, die 1.0-Varianten sind da.
Erdgasfelder und Salzkavernen als Speicher
Dass wir kein Speicherproblem für Wasserstoff haben, machte Thomas Jordan klar. Ehemalige Erdgasfelder und Salzkavernen existieren, mit einem verfügbaren Speichervolumen von umgerechnet 266 Terawattstunden. Wasserstoff als leichter Energieträger mit geringer Energiedichte braucht eben viel Platz, so der Wasserstoff-Sicherheitsexperte vom Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). Aber sein Vorteil ist, dass er als Langzeitspeicher saisonale Schwankungen ausgleichen kann. Eine sichere Lagerung ist in kleinerem Maßstab auch in Röhrenspeichern möglich, die unter Feldern vergraben werden können. Solche Projekte gebe es bereits in der Schweiz. Wie dringend wir solche Speicher benötigen, zeigt bereits die aktuelle Energiesituation. "Weil Speicher fehlen, verlieren wir jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro, weil wir die Energiesysteme abregeln müssen", so Jordan, der als Professor am KIT Wasserstofftechnologien lehrt.
Was, wenn wir Metalle als Speicher nutzen?
Wasserstoff ist dabei keineswegs das Ende der Speicher-Fahnenstange. Stefano Passerini, der ebenfalls als Professor für Physikalische Chemie am KIT lehrt und auch am Helmholtz-Institut Ulm arbeitet, empfiehlt reaktive Metalle wie Aluminium, Silizium, Titan, Calzium, Magnesium oder Natrium als mögliche Energiespeicher. Ihr Vorteil ist die hohe Energiedichte. Natrium-Batterien könne man so aus Meerwasser gewinnen. Ganz nebenbei würde so noch Süßwasser und Chlor entstehen, so der Experte für elektrochemische Energiespeicherung.
Aluminium wäre sogar nach besser. So könnte ein Aluminiumblock von sieben Meter Dicke in der Größe eines Fußballfeldes eine Terawattstunde Energie speichern. Und Aluminium gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Metallen in riesigen Mengen, ergänzt Dierk Raabe. Dutzende Millionen Tonnen werden jedes Jahr weltweit hergestellt, so der Werkstoffwissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Eisenforschung. "Und zwei Milliarden Tonnen Eisen", so Raabe. Wie Metalle verbrennen, erleben wir jedes Jahr zu Silvester. Jetzt müsse es nur noch gelingen, sie wie im Fall von Eisen nachhaltig wieder zu reduzieren (Oxidation, Reduktion, Sie erinnern sich bestimmt noch an das Prinzip).
Lösung doch mit einer Batterie?
Aber vielleicht kommt eine Lösung auch aus einer ganz anderen Richtung, einer Batterie. Allerdings keiner elektrischen, sondern einer sogenannten Carnot-Batterie. "Die Technologie dahinter ist über 100 Jahre alt", so André Thess vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Eine mit erneuerbarer Energie betriebene Wärmepumpe erhitzt ein Medium (Wasser, Salz, Steine), eine Dampfturbine kann diese Energie bei Bedarf wieder in Strom verwandeln. Laut Thess sind dabei hohe Wirkungsgrade möglich, also wenig Energieverluste währen der Umwandlung.
Speicherkapazitäten bis eintausend Megawatt seien so möglich. Das Energieunternehmen LEAG plant in der Lausitz bereits ein entsprechendes Projekt. Thess sieht in den Anlagen die Chance zum Umbau von bestehenden Kohlekraftwerken. Das sei kostengünstiger als der Abriss, so der Experte, der auch als Professor für Energiespeicherung an der Uni Stuttgart lehrt. Ganz neue Hochtemperaturwärmepumpen würden dafür zum Einsatz kommen. Wirtschaftlich wäre das sicher interessant. Das Projekt "DLR Global Coal Atlas" setzt hier an und wird die "technische Machbarkeit und die Kosten der weltweiten Dekarbonisierung von Kohlekraftwerken" analysieren. Immerhin gibt es weltweit noch gut 2.500 davon und über eintausend sind in Planung. Dekarbonisierung tut Not.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 10. Februar 2023 | 08:56 Uhr