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SprachentwicklungsstörungenSachsen: Jedes dritte Kind hat Sprachprobleme

20. März 2020, 08:29 Uhr

Rund ein Drittel aller Schulanfänger in Sachsen fällt durch Sprach- und Sprechprobleme auf - und das seit Jahren. Viele davon werden zum Arzt überwiesen oder sind schon in Behandlung. Experten sagen: Das müsste nicht sein, wenn wir von Anfang an intensiver mit unseren Kindern sprechen und ihnen mehr vorlesen würden.

Bevor ein Kind zur Schule kommt, werden bei einer Schuleingangsuntersuchung neben der körperlichen Gesundheit auch verschiedene Fähigkeiten genauer unter die Lupe genommen. So werden Sprach- und Sprechfähigkeiten geprüft, denn sie sind die Grundlagen für den Schriftspracherwerb und das Lesenlernen. Zum Schuljahr 2018/2019 mussten 8,7 Prozent der Kinder aufgrund von Sprach- oder Sprechstörungen zum Arzt überwiesen werden, 14,2 Prozent waren bereits in Behandlung, weitere 10 Prozent zeigten geringere Defizite. Insgesamt war der Entwicklungstand bei 32,9 Prozent der ABC-Schützen in dieser Hinsicht nicht ausreichend, auch in den Vorjahren waren es immer rund ein Drittel. Das teilte das Sozialministerium MDR Wissen mit.

Wenn aus "Dadada" kein "Papa" wird: Entwicklungsstörungen früh erkennen

Die genaue und lückenlose Begutachtung zur Schuleingangsuntersuchung offenbart meist ein Defizit, das sich eigentlich schon viel früher zeigt. Kann ein Kind bei der U7-Untersuchung im Alter von zwei Jahren noch keine 50 Wörter und Zweiwortsätze sprechen, nennen die Fachleute das "Late Talker" - "später Redner". Diese Kinder haben eine Sprachentwicklungsverzögerung. Können sie es mit drei Jahren immer noch nicht, spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung. Das sei oft von Geburt an so angelegt, die Kinder entwickelten sich eben langsamer, so Sonja Utikal vom Deutschen Bundesverband Logopädie e.V.:

Um Spätfolgen wie Probleme mit dem Wortschatz, dem Sprachverstehen und der Grammatik abzufedern, muss man frühzeitig intervenieren.

Sonja Utikal, Logopädin

Sprechstörungen hingegen sind dann zum Beispiel Lispeln und Stottern, auch sie lassen sich gut behandeln, wenn sie frühzeitig erkannt werden.

Beste Sprachlehrer sind Mama und Papa

Einen Grund für die zunehmenden Spach- und Sprechstörungen bei Kindern sieht Sonja Utikal im Medienkonsum. Nicht nur in dem der Kinder, wenn sie durch Fernsehen eine Einweg-Kommunikation erleben, sondern auch in dem der Eltern.

Wer ständig mit seinem Handy beschäftigt sei, verpasse die Gelegenheit, seinem Kind ein Sprech-Vorbild zu sein und verbal auf sein Kind zu reagieren. Dabei bietet der Alltag viele Möglichkeiten, schon Kleinkinder ganz bewusst in die Kommunikation einzubeziehen.

Kinder lernen die Sprache und das Sprechen, indem man viel mit ihnen spricht und indem man zulässt, dass sie sich verbal und nonverbal ausdrücken dürfen.

Professor Moritz Daum, Entwicklungspsychologe

Entwicklungspsychologe Professor Moritz Daum von der Universität Zürich erklrät es so: Wenn Eltern sich mit ihren Kindern beschäftigen, führe das dazu, dass die Kinder Sprache üben und anwenden. Wenn sie viele Wörter hören, fließt das in ihren Wortschatz ein - fünf bis zehn neue Wörter lernen Kinder bis zum Schulalter täglich.

Redet - kommuniziert mit euren Kindern!

rät Daum daher den Eltern - und das bei jeder Gelegenheit. Ob verbal oder nonverbal - Hauptsache man ist präsent, reagiert und bestätigt die Kinder, wenn sie sich mitteilen möchten.

Wenn das Kind auf etwas zeigt und man sagt dann: Oh ja, da hängt ja ein Luftballon an der Wand! Dann merken sie, dass sie gehört werden, Kommunikation etwas schönes ist und dass sie damit etwas erreichen können.

Prof. Moritz Daum

Vorlesen schafft Wortschatz und Nähe

Vorlesen fördert die Sprachentwicklung. Bildrechte: imago images / Westend61

Gemeinsam Bücher anzuschauen, vorzulesen und über das zu sprechen, was auf den Bildern zu sehen ist, ist ein weiterer Schlüssel für den Spracherwerb. Das Zuhören und die Konzentration werden geschult, der Wortschatz wächst "fast nebenbei". Entscheidend für den Erfolg ist zum einen die Auswahl der Bücher. Wenn sie altersgerecht wiedergeben, was das Kind aus eigenem Erleben nachvollziehen kann, wird es mit Vergnügen bei der Sache bleiben. Und derjenige, der vorliest, sollte auf den kleinen Zuhörer eingehen, ihn das Buch und die Passagen selbst aussuchen lassen. Unter solchen Bedingungen sind Kinder rasch motiviert, sich selbst die Bedeutung unbekannter Wörter aus dem Kontext heraus zu erschließen. Doch die Vorlesestudie der Stiftung Lesen 2019 ergab: Nur etwa ein Drittel der Eltern liest ihren Kindern regelmäßig vor.

Sprachförderung auch im Kindergarten

Viele Kinder verbringen einen Großteil ihres Alltags in einer Kindertageseinrichtung. Auch dort bieten sich viele Gelegenheiten, das Interesse der Kommunikation zu wecken. Das Bundesprogramm Sprach-Kitas bietet Erziehern spezielle Weiterbildungen, Seminare, Informations- und Lernmaterialien an - zum Beispiel auch "Sprachspiele mit Biss". Auf einer Internetseite oder per App können sich Pädagogen immer neue Ideen zur spielerischen Sprachförderung holen - je nach Alter und Größe der Gruppe. Auch nach bestimmten Schwerpunkten sind die Angebote strukturiert, wie Wortschatzerweiterung oder Sprachverständnis.

Im Alltag miteinander reden, vorlesen und Sprache gemeinsam mit Freunden spielerisch entdecken - es gibt also viele Möglichkeiten, eine altersgerechte Sprach- und Sprechentwicklung zu fördern und damit eine unbeschwerte Einschulung zu ermögliche.

kk/krm

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