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Bildrechte: SACHSENSPIEGEL-Zuschauer Rainer Mathe

BiodiversitätSchmetterling – vom Ausflattern bedroht, in Sachsen gepflegt

10. Juli 2020, 13:57 Uhr

Thereotisch gibt es in Deutschland tausende Schmetterlingsarten. Praktisch werden es weniger, denn die Lebensumstände für die Falter werden knapper und unwirtlicher. Sachsen steuert seit 2015 mit einem Projekt gegen. Immerhin 500 Freiweillige lassen inzwischen als "Schmetterlingswiesner" zu, dass auf Flächen wächst, was Schmetterlingen Nahrung und Schutz bietet zum Paaren, Leben und Wachsen.

von Liane Watzel

60 Schmetterlingsarten sind ausgestorben, knapp 500 vom Aussterben bedroht, beziehungsweise stark gefährdet. Mit diesen Zahlen kommt jetzt das Bundesamt für Naturschutz in Bonn um die Ecke. Das betrifft nicht nur selten Arten wie den Schillerfalter, sondern auch ganz gewöhnliche Arten, wie Andreas Segerer, Vizedirektor der Zoologischen Staatssammlung München sagt: "Der Artenrückgang geht quer durch die Bank, selbst viele Allerweltsarten wie das Tagpfauenauge oder der Kohlweißling sind im Bestand merkbar rückläufig." Beispielhaft für diese Tendenz ist das Donautal: Dort werden seit 200 Jahren Daten über Schmetterlinge gesammelt. Und dort sind 39 Prozent von mehr als 120 Arten verschwunden, die Hälfte davon allein in den vergangenen 20 Jahren.

Deutschland, Deine SchmetterlingeIn Deutschland gibt es 3.700 Schmetterlingsarten. Etwa 190 sind Tagfalter. ihre natürlichen Feinde sind Fledermäuse, Spinnen und Vögel.

Wenn wir nur wüssten, wie sie heißen - Schmetterlinge in Deutschland

Der Zitronenfalter ist hart im Nehmen: Er überwintert bis minus 20 Grad in Baumspalten, an Grasbüscheln oder Brombeersträuchern. Das Geheimnis seiner Unverwüstlichkeit: Ein körpereigenes Frostschutzmittel und die Fähigkeit, im Winter fast alles Wasser aus dem Körper abzulassen. Bildrechte: Colourbox.de
Der Distelfalter ist ein Wanderfalter, der im Jahresverlauf in nachwachsenden Generationen von Nordafrika nach Nordeuropa fliegt und zurück. Bildrechte: imago images/Shotshop
Von oben sieht der Distelfalter ganz anders aus als von unten. Bildrechte: imago images / blickwinkel
Schmetterling des Jahres 2020: der Brombeerzipfelfalter. Der einzige in Deutschland, dessen Flügelunterseiten grün sind. Der Nachwuchs überwintert als Puppe. Bildrechte: imago/blickwinkel
Der Große Perlmutterfalter lebt in Wäldern und an deren Rändern sowie auf offenem Gelände. Bildrechte: SACHSENSPIEGEL-Zuschauer Werner Arlt
Der blauschillernde Feuerfalter mag Heidekraut, Habichtskräuter und Schafgarbe. Die Weibchen legen ihre Eier gern neben Maulwurfshügeln ab. Die Raupen sehen aus wie winzige grüne Asseln und fressen am liebsten Sauerampfer. Bildrechte: imago stock&people
Das Kleine Wiesenvögelchen ist wohl die einzige Falterart, die auch mehrere Mahden überlebt. Wir sehen sie von Mai bis September fliegen. Ihre Raupen sind im Gegensatz zum adulten Falter nachaktiv. Bildrechte: imago stock&people
Der Bläuling überwintert als Raupe. Kurios: Die Falter laben sich gern in Pfützen oder an Pferdeäpfeln. So nehmen sie gelöste Salze oder Aminosäuren auf. Bildrechte: imago images/Nature Picture Library
Der Schwalbenschwanz: Ein prächtiger Falter, der zur Paarungszeit von Bergkuppen, Hängen oder Ruinen segelt, um einen Paarungspartner zu finden. Seine Raupen sind grün gefärbt mit schwarzen Querstreifen. Fühlen sich die Raupen dieser Art angegriffen, stülpen sie eine orange gefärbte Nackengabel aus. Deren Duftstoff vertreibt Ameisen. Bildrechte: SACHSENSPIEGEL-Zuschauer Rainer Mathe
Großer Kohlweißling am Flieder. Nicht verwechseln mit dem Karstweißling, dessen Flügelfleck viereckig ist. Bildrechte: SACHSENSPIEGEL-Zuschauer Werner Arlt
Aurorafalter - von oben hui... Bildrechte: imago images / blickwinkel
... zusammengeklappt unauffällig wie ein Birkenblatt am Stamm. Ihre Raupen fressen gern Wiesenschaumkraut ud Knoblauchrauke. Adulte Flieger trinken gern deren Nektar. Bildrechte: imago images / blickwinkel
Der Admiral ist ein Wanderfalter. Vor Jahren flog er noch von Nordeuropa aus im Frühjahr nach Mitteleuropa, inzwischen gibt es eigenständige Populationen, die aus Mitteleuropa im Sommer Richtung Skandinavien fliegen. Der Falter sitzt gern auf vier Beinen, das dritte Beinpaar benutzt er nur zum Tasten, Riechen, Schmecken und um sich zu putzen. Die Männchen warten erhöht auf Dächern, Hügeln und Büschen, auf paarungsbereite Weibchen. Bildrechte: SACHSENSPIEGEL-Zuschauer Werner Arlt

Aber wie kann das sein? Aus Sicht der Wissenschaft ist die Reaktion der Natur wenig überraschend, denn es sind viele Faktoren, die Aktien am Rückgang der Schmetterlinge - aber auch anderer Insekten - haben. Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz weist auf den Klimawandel mit seinen extremen Dürre- und Hitzeperioden hin und auf die intensive Landwirtschaft mit Pestiziden, Düngemitteln und häufiger Wiesenmahd. Konkret sind das laut BUND sogenannte Hochleistungsäcker - wie Raps-, Mais- oder andere Monokulturen ohne Randstreifen.

Andere Faktoren für schwindendendes Schmetterlingsvorkommen sind Chemikalien in der Forstwirtschaft, reine Fichtenforste ohne andere Baumarten, Flächenversiegelung für Haus- und Siedlungsbau sowie Industrie- und Gewerbegebiete.

Pflegearm: Schottergärten. Hier fallen weder Laub noch vertrockenete Blumenblüten an. Bildrechte: MDR/ Mayte Müller

Sachsen: Mehr als 500 gelistete Schmetterlingswiesen

Und was ist mit Blühstreifen und Patenschaften, die es hier und da und dort gibt? Wer in Sachsen beschließt, seine Wiese in eine Schmetterlingswiese zu verwandeln, kann sich beim NABU Sachsen einfach melden unter www.schmetterlingswiesen.de und sich ein Schild schicken lassen.

Schillerfalter

Bildrechte: Rainer Roth | Rainer Roth

Mehr als 500 Menschen haben das schon getan, sagt Ina Ebert vom NABU Sachsen im Gespräch mit MDR Wissen, und sind jetzt also gelistete Wiesenpfleger. Auf der Projektseite führen sie kleine Blogs und posten je nach Engagement Bilder von Schmetterlingsfunden auf ihren Wiesen. Das Grundprinzip für so einen schmetterlingsfreundlichen Lebensraum ist einfach, sagt Ina Ebert, die das Projekt betreut:

Man braucht Geduld, und nur noch ein oder zweimal im Jahr mähen. Dann tut sich schon was auf der Wiese.

Man kann regionales Saatgut säen, sagt sie, aber auch, wenn man einfach nur die Pflanzen wächsen lässt, die schon da sind, statt alles herauszurupfen, was man als Unkraut ansieht, ist das gut, denn dann verteilen sich Samen. Dazu kommt Saatgut, das Vögel mitbringen.

Es ist spannend zu beobachten, wie sich so eine Fläche entwickelt, wenn man sie weniger bewirtschaftet, wieviel Vielfalt schon da ist, wenn man sie wachsen lässt.

Bildrechte: imago images / Nature Picture Library

Und sie fügt hinzu: "Man hat dann auch mehr Zeit, den Garten zu genießen, man muss weniger pflegen und herausrupfen." Und vielleicht winken dann schon bald über den frischgewachsenen Blühflächen nicht nur Blumenblüten, sondern auch Gräser und andere Pflanzen, die Schmetterlinge für ihre verschiedenen Entwicklungsstadien brauchen.

Mehr Entspannung dank Garten-Wildnis

Bildrechte: imago/Jürgen Ritter

Wenn nicht gemäht und gemulcht wird, wo die Mahd nicht direkt auf der Fläche verteilt wird, entsteht also Lebensraum für Schmetterlinge und zwar in allen Lebensstadien: Blätter, auf oder unter denen Eier angeklebt werden, Gräser, an denen Kokons angehangen werden; Blätter, die Raupen nähren, wie die Brennnessel. Das, was viele an ihrem Rasenroboter lieben, ist die Verteilung des milimeterkurzen Rasenschnitts auf der Mähfläche, ohne dass man den Schnitt entsorgen muss. Doch diese raspelkurzen Rasenflächen sind gleichzeitig der Friedhof der Schmetterlinge und anderer Insekten: Das millimeterkurze Gras, das mit seinem eigenen Schnitt gemulcht wird, fühlt sich unter nackten Füßen ultraweich an - ist aber gleichzeitig eine Wüste für jedes Insekt. Egal, ob für Schmetterling, Spinne oder Heupferd.

lfw

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