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InsektenplageUnd jährlich grüßt der Schwammspinner

04. Februar 2020, 10:27 Uhr

In Bayern, Sachsen und Thüringen hat sich in den vergangenen Jahren ein Falter namens Schwammspinner breitgemacht: Eine Plage – kahlgefressene Eichen und geschockte Anwohner inklusive. Dieses Jahr wird's ähnlich, so die Prognose. Dank Klimawandel und Pflanzenschutzmitteln.

von Florian Zinner

Eine Schwammspinner-Entfernungsgerätschaft gibt es auch im Jahr 2020 noch nicht. Wenn es eine gäbe, in Gera-Liebschwitz hätte sie vergangenes Wochenende reißenden Absatz gefunden. Doch so mussten sich die Bewohner des südöstlichen Stadtteils mit selbst gebautem Werkzeug behelfen. Und mit Klobürsten. Die eignen sich besonders gut, um die Nester des Falters wegzuputzen. Über 500 Menschen haben sich getroffen, um einer Plage wie im vergangnen Jahr schon vorab den Garaus zu machen.

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Ob's helfen wird? Das wird sich zeigen, denn eine Schwammspinner-Plage wie 2019 gilt als wahrscheinlich, das teilte jetzt die die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) mit. Denn wo doch sonst Schmetterlinge in Wald und Wiese durchaus gefragt sind, dieses Exemplar macht sich keine Freunde: "Der Schwammspinner ist Teil einer Lebensgemeinschaft auf der Eiche. Bei durch den Klimawandel geschwächten Bäumen kann es zu einer Massenvermehrung kommen" erklärt Johann Seidl vom LWF gegenüber MDR WISSEN. "Diese Eigenart kann die Eiche so schädigen, dass sie abstirbt."

Winterbäume im Frühsommer

Wie das aussieht, lässt sich auf Bildern aus dem vergangenen Sommer sehen: Bäume, die wie im Winter daherkommen, vielleicht noch mit einem kläglichen Anstandsrest zartem Grün dran. Die Eichen leiden physisch, der Mensch mit dem Kopf. So wie Bernd Schmidt aus Gera: "Die schwarzen Raupen haben sich durch das Mückenschutzgitter durchgefressen. Als wir früh aufstanden, waren sie in der Wohnung an der Wand. Das war psychisch eine große Belastung!"

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Das sind Schwammspinner

Schwammspinner sind Schmetterlinge – aber keine besonders schönen, muss man sagen. Die Nachtfalter mögen's warm und begegnen uns entweder als Raupe oder schon als fertig entwickelte Falter. Sie befallen bevorzugt Eichen, fressen aber an fast allen Laubbaumarten. Ebenfalls oben auf der Speisekarte: Hainbuche, Buche und Obstbäume.

Sieht aus wie Winter, ist aber Frühsommer: Kahlgefressene Eichen. Bildrechte: imago images/CHROMORANGE

Dass die Belastung auch in diesem Jahr nicht ausbleiben wird, bestätigt auch Sachsenforst gegenüber MDR WISSEN. Ganz so schlimm wie 2019 wird es aber vielleicht nicht. Denn in diesem Jahr sei nur der Leipziger Südraum betroffen, die Region Hoyerswerda wahrscheinlich nicht mehr. Das waren 2019 die beiden Hotspots, auch wenn Einzelbefälle natürlich überall vorkommen können. Franz Matschulla ist Sachbearbeiter beim Waldschutz und ergänzt: "Im betroffenen Gebiet haben wir es mit der Roteiche zu tun, bei der wir davon ausgehen könnten, dass sie einen Befall gut überstehen könnte."

Auch in Thüringen ist keine Besserung zu erwarten: "Nach den bisherigen Monitoring-Ergebnissen ist für Thüringen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch 2020 mit einem massenhaften Auftreten zu rechnen", teilt Horst Sproßmann von ThüringenForst mit und weist daraufhin, dass die massenhafte Vermehrung besonders aggressiv ist, wenn es mehrere Jahre in Folge trocken und warm war. Das ist wohlweißlich der Fall.

Vorhersage durch Monitoring

Und wie lassen sich die ausufernden Fressvorhaben der Insekten jetzt schon vorhersagen? Durch ständige Beobachtung. In allen drei Bundeslängern findet ein sogenanntes Monitoring statt, um einen möglichen Befall prognostizieren zu können. Dazu werden Pheromonfallen aufgestellt, also Fallen mit Lockstoffen. "Bei Auffälligkeiten suchen wir die betroffene Region nach Ablagestellen von Eiern ab", so Matschulla. Wenn es davon besonders viele gibt, ist ein halbes Jahr später von einem Befall auszugehen. Sein Kollege Sproßmann aus Thüringen ergänzt: "Solche Prognosen sind von gewissen Unsicherheiten geprägt: Ein strenger Winter würde helfen, die Population zu reduzieren. Inwieweit die gegenwärtig feucht-milde Witterung dem Bestand durch Verpilzung zusetzt, bleibt abzuwarten."

Aufsammeln ja, Gift erstmal nein

Genau, erstmal abwarten. Dann viel tun lässt sich nicht, mal abgesehen von einem Frühjahrsschwammspinnerputz wie in Gera. "Damit kann man aber nicht auf einer großen Fläche den Befall verhindern", erklärt Franz Matschulla. Auch komme immer mal ein Befall im Bereich von Baumkronen vor, da kommt man nicht ran. Außerdem sind hier Grenzen durch die Arbeitsleistung gesetzt. Soll heißen: So viel sammeln kann man gar nicht, wie man müsste.

Zumindest in Sachsen ist eine Bekämpfung mit der Chemiekeule aus der Luft nicht geplant. In Thüringen wird noch überlegt, eine Entscheidung soll im April getroffen werden. Denn auch andere, wichtige Insekten werden durch das Gift bekämpft, auch natürliche Fressfeinde. Gleich doppelt unpraktisch. Die fehlen dann nicht nur im Ökosystem, sondern erholen sich Experten zufolge schlechter als die Nachtfalter selbst. Unter Umständen haben die ungeliebten Schmetterlinge dann noch ein weiteres Ass im Ärmel.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Thüringen Journal | 01. Februar 2020 | 19:00 Uhr

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