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Infektionskrankheiten"Tamponkrankheit" Toxisches Schocksyndrom – was ist da dran?

06. Januar 2022, 09:16 Uhr

Das Toxische Schocksyndrom wird oft als Tamponkrankheit bezeichnet, weil es tatsächlich vorrangig bei menstruierenden Frauen registriert wird. Aber der Tampon an sich ist nicht die Ursache und tatsächlich können alle Menschen diese Infektionskrankheit bekommen. Wir erklären, wie es dazu kommen kann und wie sie sich äußert.

von Jennifer Schollbach

Einmal im Monat ist es so weit – die meisten Frauen bekommen ihre Periode regelmäßig und dann stellt sich die Frage, wohin mit dem Blut. Möglichkeiten gibt es viel: Binden, Menstruationstassen- und Schwämme, Periodenunterwäsche oder Tampons. Letztere sind nach wie vor das beliebteste Menstruationsprodukt in Deutschland. Laut einer Forsa-Umfrage benutzten 2020 71 Prozent der befragten Frauen im Alter zwischen 14 und 60 Jahren Tampons während ihrer Periode. Doch Tampons haftet neben dem Müllproblem, das dieses Wegwerfprodukt verursacht, auch der Mythos an, dass sie tödlich sein können. Genauer gesagt, soll durch sie das Toxische Schocksyndrom ausgelöst werden, das auch als "Tamponkrankheit" bezeichnet wird. Was ist da dran?

Was ist das Toxische Schocksyndrom?

Das Toxische Schocksyndrom, kurz TSS, ist eine Infektionskrankheit, die durch die Keime Staphylococcus aureus oder Streptokokkus pyogenes ausgelöst werden kann. Die Keime an sich kommen aber überall in der Natur vor und sie besiedeln auch uns Menschen. "Die dürfen dort auch sein und machen dort auch nix, solange sie nicht in einer überschießenden Konzentration vorkommen", sagt Dr. med. Romy Handzel, Gynäkologin im Universitätsklinikum Leipzig. Um eine Erkrankung hervorzurufen, müssen sie sich also übermäßig vermehren und dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dann können die Toxine, also Giftstoffe, die die Erreger bilden, gefährlich werden. Laut Robert Koch-Institut beruht TSS auf der Superantigenwirkung des Toxic-shock-syndrome-Toxins (TSST-1). Es sind aber auch Fälle bekannt, in denen es durch Enterotoxin B oder Enterotoxin C (ebenfalls Superantigene) ausgelöst wurde.

Wie äußert sich TSS?

Symptome des Toxischen Schocksyndroms sind hohes Fieber über 39°Celsius, Hautausschlag und ein niedriger Blutdruck. Um TSS zu diagnostizieren müssen aber drei oder mehr der folgenden Organsysteme beteiligt sein: der Verdauungsapparat durch Erbrechen, Übelkeit oder Durchfall; die Muskulatur; die Schleimhäute; die Nieren etwa durch erhöhte Harnstoff- oder Kreatininwerte oder die Leber. Weitere Erläuterungen zur Diagnostik finden sie in dieser Erklärung des RKI.

Wer ist davon betroffen?

An TSS erkranken vor allem jüngere Menschen. Im späteren Erwachsenenalter haben mehr als 90 Prozent aller Menschen Antikörper gegen TSS gebildet. Eintrittspforte für das Toxische Schocksyndrom können Hauterkrankungen, Verbrennungen, Insektenstiche oder chirurgische Wunden sein. Bei Frauen kann es auch im Zusammenhang mit Komplikationen im Wochenbett oder einem infektiösen Abort auftreten. Generell können alle Menschen an TSS erkranken, erklärt Romy Handzel.

"Auch Männer können das Toxische Schocksyndrom bekommen, denn es ist letztendlich nur eine überschießende Infektion mit diesen Erregern. Das ist dann aber meistens im Rahmen einer Verletzung typisch. Ohne ein Trauma kommt es eigentlich nur bei Frauen vor." Unter Trauma versteht man Verletzungen, also Wunden, in denen sich die Erreger sammeln und vermehren können. In 92 Prozent der bisherigen TSS-Fälle handelte es sich aber um menstruierende Frauen, die durchschnittliche 23 Jahre alt waren und Tampons benutzten. Laut RKI kommt es dabei zu 3 bis 6 Fällen pro 100.000 Frauen. TSS ist also sehr selten.

Der Zusammenhang von TSS mit Tampons wurde erstmal in den 1980er-Jahren in den USA hergestellt, als besonders saugfähige Produkte auf den Markt kamen. Dieses Tampon wurde damit beworben, dass es länger im Körper verbleiben kann, weil es mehr Blut aufnehmen konnte. In dieser Zeit häuften sich die Fälle von TSS. Ein Tampon kann also ein Toxisches Schocksyndrom auslösen, ist aber keine zwingende Voraussetzung dafür.

Warum kann ein Tampon gefährlich werden?

In der Scheide herrscht ein feucht-warmes Milieu, das viele Bakterien und auch Pilze gernhaben. Die meisten existieren dort einfach und rufen keine Beschwerden hervor. Auch Staphylococcus aureus kann in der Vaginalflora vorkommen. Frauen können also eine asymptomatische Infektion mit diesem Erreger haben. Ein Tampon bietet den Bakterien allerdings eine wunderbare Umgebung, um sich zu vermehren. Er saugt sich mit Blut voll, es ist warm und feucht und die Oberfläche bietet beste Voraussetzungen, um sich dort anzusiedeln. Außerdem gelingt es unsere Immunabwehr schlecht, gegen die Bakterien im Tampon vorzugehen, weil sie dort im Prinzip vom restlichen Körper abgespalten sind. Sie können sich also ohne große Hindernisse gut vermehren. Problematisch wird das, wenn das von den Bakterien produzierte Toxin in die Blutbahn gelangt. Je nachdem wie das Immunsystem aufgestellt ist, kann es dann vorkommen, dass der Körper die Toxine nicht neutralisieren kann. Unbehandelt kann diese Erkrankung lebensgefährlich sein, da es zu einem Multiorganversagen kommen kann.

Können auch andere Menstruationsprodukte TSS begünstigen?

Bei Menstruationstassen oder Schwämmen gilt das gleiche Prinzip. Auch hier können sich Bakterien besser vermehren, wenn nicht auf eine sorgfältige Menstruationshygiene geachtet wird. Das heißt, Tampons sollten alle vier bis sechs Stunden gewechselt werden. Menstruationstassen sollten nach dem Gebrauch nicht nur ausgespült, sondern richtig ausgekocht werden. In der Praxis bedeutet das, dass ausreichend Wechselmaterial eingepackt werden sollte. Und natürlich sollten die Hände vor und nach dem Einführen und Entfernen der Produkte gründlich gewaschen werden.

JeS

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