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Sächsische Schweiz"An solchen Tierkadavern entsteht eine unvorstellbare Insektenvielfalt"

19. April 2024, 15:30 Uhr

Forscher beobachten im Nationalpark ein makaberes, aber auch sehr seltenes Naturschauspiel: Den Verwesungsprozess einer toten Hirschkuh, die nach einem Sturz aus der Höhe in einem Baum verendet ist.

von MDR AKTUELL

In der sächsischen Schweiz haben Parkwächter eine tote Hirschkuh gefunden, die offenbar von einem Felsvorsprung abgerutscht und durch den Sturz verendet ist. Das Besondere: Das Tier landete nicht auf dem Boden, sondern in einem Baum. Forscher sahen darin nun eine besondere Gelegenheit, einen Verwesungsprozess zu beobachten, der nicht von Bodenlebewesen dominiert wird. Hanspeter Mayr, Sprecher der Verwaltung des Nationalparks Sächsische Schweiz erklärt die Hintergründe.

Frage: Ein aufgehangener Hirsch in einem Baum in einem Nationalpark: Ist das so ungewöhnlich, wie es für unsere Ohren klingt? Oder kommt das häufiger vor?

Hanspeter Mayr: Also, dass Wildtiere bei uns im Nationalpark Sächsische Schweiz abstürzen, ist gar nicht so selten. Aber dass sie sich dann in einer Astgabel verfangen und dort hängenbleiben und dort leider verenden, das ist dann schon ein Einzelfall, den wir hier vorgefunden haben. Und den wollten wir für unsere Forschungszwecke nutzen. Weil: Der Standardfall ist, ein Tier verendet und liegt am Boden und wird auch von den Bodentieren zersetzt. Hier geht das ja nicht, und insofern ist es eine Besonderheit, und die wollten wir nutzen, um dort unsere Studien zu betreiben,

Wie ist das Tier denn entdeckt worden? Im Nationalpark wird ja nicht jeder Quadratmeter ständig überwacht, oder?

Die tote Hirschkuh hängt hoch in einem Baum. Bildrechte: Mike Jäger

Unsere Ranger kommen bei den Kontrollgängen auch an solchen Stellen vorbei. Und die haben uns das gemeldet. Und unsere Forschungskollegen haben sich die Situation angeguckt und haben eine Chance erkannt. Und zwar sind wir in den bundesweiten Forschungsverbund integriert. Das ist das Bundesamt für Naturschutz, das in allen 16 deutschen Nationalparks entsprechende Forschung betreibt. Man steht dort noch ganz am Anfang. Aber andere Untersuchungsergebnisse aus dem Nationalpark Bayerischer Wald sind sehr ermutigend. Sie zeigen, dass gerade an solchen Tierkadavern eine plötzliche Insektenvielfalt entsteht, die man sich gar nicht vorstellen kann. Und das wollten wir hier auch untersuchen. Wenn es an einem Wanderweg gewesen wäre, dann hätten wir die Hirschkuh geborgen, weil es schon eine Geruchsbelastung gibt, gerade wenn es wärmer wird.

Kann man sich so ganz grob vorstellen, wie genau das Forschungsprojekt abläuft? Wie beobachten Sie denn, was da passiert?

Wir haben in die Nähe der Hirschkuh eine Insektenfalle in den Baum gehängt, sodass wir mitkriegen, welche Fluginsekten sich dort auf dem Körper niederlassen und mit Verarbeitung beginnen. Und wir haben eine Wildkamera dort aufgehängt, sodass wir dann mitkriegen, wenn Vögel sich dort niederlassen und den Körper auffressen.

Gab es das schon eine erste Überraschung?

Das ist noch zu zeitig. Das hängt alles hoch im Baum. Da können die Kollegen nicht jeden Tag hoch und deswegen haben wir da keine Ergebnisse.

Wie lange wird denn das Projekt gehen? Also klar, natürlich hängt das von der Natur ab. Aber von welchem Zeitraum gehen Sie denn aus? Wann wird denn das Tier denn letztlich so zersetzt sein, dass man sagen kann: Das ist abgeschlossen, die Hirschkuh ist auf natürliche Weise vom Baum runter?

Wir werden dazu nächste Woche eine Entscheidung treffen, ob wir das weiterlaufen lassen, bis da der Körper dann vom Baum fällt oder ob wir das jetzt vorzeitig beenden.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 19. April 2024 | 12:47 Uhr

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