UmweltforschungInsektensterben: Jenaer Forscher zeigen, welche Rolle Ozon dabei spielt
Insektizide, zu wenig Lebensraum, verändertes Klima: All das beeinflusst das Insektenaufkommen. Ein Forschungsteam aus Jena hat einen weiteren Einflussfaktor gefunden, der beim Insektenschwund eine Rolle spielen könnte.
Erhöhte Ozonwerte verwirren Fruchtfliegen bei der Paarung. Das zeigt eine Studie des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena, das die Auswirkung von Luftverschmutzung auf Insekten anhand verschiedener Drosophila-Arten untersucht hat. In den Experimenten wurden männliche Fruchtfliegen einer leicht erhöhten Ozon-Konzentration ausgesetzt.
Ozonwerte beeinflussen Fliegen-Paarungsverhalten
Nach zwei Stunden wurde gemessen, ob und wieviel Pheromone sie abgaben. Der Vergleich mit Drosophila-Männchen, die sich in normaler Umgebungsluft aufgehalten hatten, zeigte, dass bei den Männchen in der Ozon-Versuchsgruppe die Pheromonwerte gesunken waren.
Was ist Ozon?
Das farblose und giftige Gas Ozon (chemisch O3) ist eines der wichtigsten Spurengase in der Atmosphäre. Die in einer Höhe von 20 bis 30 Kilometern in der Atmosphäre bestehende natürliche Ozonschicht schützt die Erde vor der schädlichen Ultraviolettstrahlung der Sonne.
In bodennahen Luftschichten entsteht Ozon vor allem durch Verkehrs- und Industrieabgase, die mit den Luftsauerstoff reagieren. Ozon reagiert sehr leicht mit anderen Stoffen.
Es wird von Pflanzen durch die Spaltöffnungen der Blattorgane aufgenommen und kann dadurch Schäden an Blattorganen verursachen. (Quelle: Umweltbundesamt)
Ozon: Warum Fliegen-Männchen auf Fliegen-Männchen fliegen
Und noch etwas war anders. Bei den Drosophila-Melanogaster-Fliegen sind frisch begattete Weibchen vom Pheromon der Partner markiert und stoßen so andere Männchen für ein paar Stunden ab. Die erhöhten Ozonwerte veränderten nun das Verhalten der Männchen dieser Art. Sie versuchten nun nämlich, andere Männchen zu begatten. Diese Veränderung zeigte sich bei insgesamt acht der neun untersuchten Drosophila-Arten. Auch Männchen der Art Drosophila busckii, die in Ozon-veränderter Luft flogen, waren weniger erfolgreich bei der Paarung, obwohl ihr Pheromon durch das Ozon nicht verändert wird. Und bei der Fliegen-Männchen der Art Drosophila suzukii änderte sich gar nichts; ihr Paarungsverhalten hängt nicht von Pheromonen, sondern von optischen Balz-Reizen ab.
Ozon zerstört manche Pheromone (Sexuallockstoffe)
Aber was passiert da eigentlich chemisch? Die meisten Geruchsmoleküle der Insektenlockstoffe enthalten Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen. Diese können durch Ozon leicht zerstört werden. Forscher und Studienautor Markus Knaden zufolge ist das ein bereits länger bekanntes Phänomen, das man von Blumen kennt. Umweltschadstoffe wie Ozon und Stickstoffoxid bauen Blumendüfte ab. Das sorgt dafür, dass Blumen weniger duften, und so weniger Bestäuber anziehen, wodurch dann weniger Blüten und schlussendlich Früchte entstehen. In einer früheren Studie hatten die Jenaer Forscher aufgezeigt, wie veränderte Ozonwerte das Verhalten einer Mottenart, die Tabakpflanzen bestäubt, veränderte.
Erhöhte Ozonwerte stören also nicht nur Blumen, sondern auch die Insektenpaarung. Nach Auffassung des Jenaer Forschungsteams liefert ihre Studie nun eine zusätzliche Erklärung dafür, warum es weltweit immer weniger Insekten gibt, unabhängig vom Einsatz von Insektiziden und von zerstörten oder fehlenden Lebensräumen.
Studien
Die Studie "Pollination in the Anthropocene: a Moth can Learn Ozone-altered Floral Blends" lesen Sie hier.
Die aktuelle Studie "Ozone exposure disrupts insect sexual communication" lesen Sie hier.
lfw
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 07. Dezember 2022 | 17:35 Uhr
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