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Bildrechte: imago/CHROMORANGE

ArtenvielfaltInsektensterben noch schlimmer als gedacht

30. Oktober 2019, 19:00 Uhr

Bisher war das Verschwinden von Insektenarten in Deutschland eine Studie und vor allem ein Gefühl. Nun haben Wissenschaftler der TU München systematisch neue Daten dazu gesammelt - mit erschreckenden Ergebnissen: Die Zahl der Arten ging um etwa ein Drittel zurück, die Gesamtmasse an Gliederfüßern auf Wiesen verringerte sich sogar um 67 Prozent.

Eine verdächtige Stille im Wald, immer weniger Schmetterlinge flattern herum, kaum noch tote Fliegen auf der Windschutzscheibe - das Insektensterben in Deutschland ist schon länger ein Thema in der Öffentlichkeit und den Medien. Allerdings wurde dabei häufig kritisiert, dass es nur wenige verlässliche Zahlen für diese Beobachtungen gibt, gerade auch über lange Zeiträume.

Gesamtmasse nahm um bis zu zwei Drittel ab

Genau eine solche Untersuchung haben nun Forscher unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) angestellt. Die Wissenschaftler sammelten dazu zwischen 2008 und 2017 Daten aus drei Regionen: auf der Schwäbischen Alb in Süddeutschland, im Hainich - einem bewaldeten Höhenrücken in Thüringen - sowie in der brandenburgischen Schorfheide. Dabei kamen Informationen zu mehr als einer Million Insekten und 2.700 Arten zusammen, die am Mittwoch (30.10.2019) im angesehenen Wissenschaftsmagazin "Nature" vorgestellt wurden.

Vom Artenschwund betroffen sind vor allem Wiesen in der Nähe zu stark landwirtschaftlich genutzten Flächen, wie hier in der Schorfheide. Bildrechte: Dr. Ulrike Garbe / Landesamt für Umwelt, Brandenburg

Und diese sind mehr als beunruhigend: Sowohl auf Wiesen als auch in Wäldern nahm die Zahl der Spezies um rund 30 Prozent ab. Die Gesamtmasse der Tiere nahm sogar noch stärker ab - auf den Wiesen um zwei Drittel, in den Wäldern um rund 40 Prozent. Schwankende Wetterbedingungen wurden dabei herausgerechnet.

Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet - das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen.

Prof. Wolfgang Weisser, TUM

Ackerflächen beeinflussen Insektenschwund

Zuvor hatten auch schon anderen Studien wie etwa die ehrenamtlicher Insektenkundler des Entomologischen Vereins Krefeld einen extremen Insektenschwund diagnostiziert - allerdings waren die Untersuchungen auf wenige Regionen oder nur einzelne Arten konzentriert.

Sebastian Seibold. Bildrechte: Sebastian Seibold

Eine Gruppe um Sebastian Seibold, der wie Prof. Weissser an der TUM am Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie forscht, untersuchte dagegen 150 Wiesenlandschaften jährlich zweimal, von den 140 Waldorten wurden 30 einmal pro Jahr analysiert, dazu die anderen Standorte an drei Jahren innerhalb des Gesamtzeitraums.

Das Ergebnis: Der Insektenschwund war besonders besonders stark auf solchen Grasflächen ausgeprägt, die von Ackerflächen umgeben sind. Vor allem die Biomasse solcher Arten ging zurück, die sich nicht weit bewegten. Dadurch hätten diese Insekten möglicherweise schlechtere Überlebenschancen auf von Ackerland umgebenen Gebieten.

Weitere Forschung notwendig

Die Gründe für diese Entwicklungen sind noch weitgehend unklar. Letztlich sind nun noch weitere Untersuchungen notwendig, um genauer zu verstehen, wie sich die Landwirtschaft auf Insekten auswirkt.

cdi/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 18. Oktober 2019 | 18:50 Uhr

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