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ImmuntherapieWie Covid-19 mRNA-Impfstoffe gegen Krebs vorangebracht hat

24. Oktober 2023, 12:33 Uhr

Die Covid-19-Pandemie hat der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen zum Durchbruch verholfen. Jetzt arbeiten die Forscher mit neuen Ressourcen an ihrem alten Ziel weiter: der mRNA-Immuntherapie gegen Krebs.

von Clemens Haug

Die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen SARS-Coronavirus-2 war der finale Durchbruch einer Idee, die ein paar Forscher am Salk Institute for Biological Studies im kalifornischen La Jolla bereits Ende der 1980er Jahre entwickelt hatten: In dem man den menschlichen Zellen den genetischen Bauplan für bestimmte Eiweiße spritzt, kann man sie dazu bringen, sogenannte Antigene selbst herzustellen und dem eigenen Immunsystem als Ziel zu präsentieren. Nur weil die Forschung an diesem Prinzip bereits seit über 30 Jahren läuft, gelang es 2020 innerhalb weniger Monate, einen Impfstoff zu entwickeln, zu testen und auf den Markt zu bringen. Der Erfolg hilft den Forschern jetzt dabei, ihrem ursprünglichen Ziel näher zu kommen: mRNA-Impfungen zur Therapie von Krebs einzusetzen.

Wie mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 wirken

Ein entscheidender Vorteil von mRNA-Impfstoffen gegenüber traditionellen Verfahren: Ein Eiweiß, das vom Immunsystem als fremd erkannt und angegriffen werden soll, wird vom Körper selbst hergestellt und provoziert so eine starke, gezielte Antwort des adaptiven, also das lernenden Immunsystems. Verschiedene Studien aus Großbritannien deuten bereits an: Die mRNA-Impfungen wirken am besten gegen die Viren.

Die Vakzine nutzen ein Grundprinzip des Immunsystems aus: Bei ihrer Bildung lernen T- und B-Lymphozyten die Eiweiße des eigenen Körpers von fremden Proteinen zu unterscheiden. Was fremd ist, wird angegriffen, blockiert und zerstört. Im Fall der Covid-Impfstoffe ist das Ziel das Spikeprotein vom Coronavirus. Diese antennenartige Struktur auf der Hülle der Viren ist praktisch der Anker, mit dem die Krankheitserreger an den Oberflächenstrukturen der menschlichen Zelle kleben bleiben und so die Verschmelzung von Viren- und Zellhülle einleiten können. Hat das Immunsystem bereits Antikörper gegen dieses Spikeprotein gebildet, verkleben sie die klebrigen Stellen des Ankers und machen ihn so wirkungslos.

mRNA-Impfungen gegen Krebs werden individuell auf Patienten zugeschnitten

Aus Sicht der Entwickler der mRNA-Impfstoffe hat die Technologie allerdings noch ein wesentlich größeres Potenzial. Die Forscherinnen und Forscher hoffen, dass sie den Immunsystemen von Krebskranken mit Hilfe von mRNA beibringen können, bestimmte Eiweiße von Tumorzellen als fremd zu erkennen. Dann würde die Körperabwehr Krebszellen abtöten, die sie zuvor übersehen hat.

Weil sich die meisten Krebsarten von Patient zu Patient leicht unterscheiden, müssten Mediziner in einem ersten Schritt analysieren, welche Eiweiße sich am besten als Ziel eignen. Dann passen sie den jeweiligen mRNA-Bauplan spezifisch für den Patienten an.

Niels Halama, Leiter der Forschungsgruppe Adaptive Immunotherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, erklärt in einem Interview: "Man muss sagen, dass der mRNA-Impfstoff bei Corona seine Stärke noch gar nicht voll ausspielt. Denn die liegt darin, dass man den geimpften Bauplan, also die Sequenz der mRNA, ganz individuell anpassen kann." Technisch sei das relativ leicht umsetzbar. "Das versetzt den Produzenten in die Lage, sehr schnell einen personalisierten Impfstoff herstellen zu können, der auf die biologischen Merkmale eines speziellen Tumors zugeschnitten ist. Und wir reden dann nicht mehr von vielen Monaten oder Jahren, bis die Therapie zum Einsatz kommen kann, sondern von Wochen."

Voraussetzung: Immunsystem muss Krebszellen bekämpfen können

Nach Ansicht beteiligter Wissenschaftler wie Halama, aber auch der BioNTech Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin, hat der Durchbruch der Covid-Impfstoffe auch die Entwicklung von mRNA gegen Krebs enorm vorangebracht. Denn durch die klinischen Studien, aber auch durch die Daten aus dem massenhaften Einsatz haben die Forscherinnen und Forscher viel über Nebenwirkungen und Verträglichkeit der Impfstoffe gelernt. Nun können sie dieses Wissen auch bei Entwicklung von Krebstherapien einsetzen.

Allerdings eignet sich der Ansatz voraussichtlich nicht für jede Art von Krebs und auch nicht in jedem Krankheitsstadium. Eine Voraussetzung ist, dass das Immunsystem noch schlagkräftig genug ist und nicht selbst durch die Krankheit bereits vollkommen geschwächt wurde. Ein anderes Problem entsteht, wenn die Krebszellen an Stellen wachsen, die von Immunzellen nicht erreicht werden können. "Wenn die Immunzellen diese „Burgmauer" nicht überwinden können, ist die Impfung sehr wahrscheinlich wirkungslos. Dann müssen eventuell andere Therapien vorgeschaltet werden, die hoffentlich dabei helfen, diese Mauer zu durchbrechen", sagt Halama.

Erste mRNA-Therapien gegen Krebs ab 2025 möglich

Gute Chancen bestehen hingegen, wenn die Tumorzellen vom Immunsystem zwar erreicht, aber noch nicht als Gefahr erkannt werden. Dann kann die Impfung der Abwehr das richtige Ziel zeigen. "Die Impfung muss dann so designt sein, dass der Körper das Signal erhält, hier besonders aktiv zu werden. Die Zielstruktur bekommt dann gewissermaßen das Label 'besonders gefährlich'. Dazu bietet die mRNA-Technologie verschiedene Möglichkeiten, und das ist auch eine ihrer Stärken", sagt Halama.

Bis wann mRNA-Impfstoffe zur Krebstherapie zur Verfügung stehen, können Forschende aktuell noch nicht sicher sagen. Laut einem Bericht des Südwest-Rundfunks (SWR) laufen aktuell 17 klinische Studien zum Einsatz der Technologie gegen Krebs. Das Paul-Ehrlich-Institut rechne mit einer ersten Zulassung frühestens Mitte der 20er Jahre.

Covid-19-Impfung: Gewinne finanzieren Forschung gegen Krebs

Allerdings stehen dank des Erfolgs der Covid-19-Impfstoffe nun große finanzielle Mittel dafür bereit. Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat BioNTech allein bis September 2021 rund sieben Milliarden Euro aus der Herstellung des Covid-Vakzins erlöst. Am ersten Dezember hat die Firma nun Richtfest für ein neues Firmengebäude in Mainz gefeiert, in dem vor allem an der Entwicklung der Krebstherapie weitergearbeitet werden soll. Ab 2023 sollen hier rund 500 Beschäftige mRNA-basierte Krebsmedikamente herstellen.

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