Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Eine grafische Darstellung eines Wurmlochs im Universum, in das ein Astronaut hinein gezogen wird. Bildrechte: MDR/ J. Strippentow

Astrophysik oder Fantasie?Was sind Wurmlöcher und wie kann man sie entdecken?

17. März 2023, 15:09 Uhr

Wurmlöcher beflügeln die Fantasie, doch sie sind nur eine Theorie – bisher. Physiker und Physikerinnen beschäftigen sich seit langem mit den hypothetischen Löchern in der Raumzeit. Sind sie eine Abkürzung, um an andere Orte im Universum zu kommen? Oder sind Wurmlöcher das Tor zu Multiversen? Was haben Schwarze und Weiße Löcher damit zu tun? Und wie können Forschende ein Wurmloch überhaupt finden?

von Patrick Klapetz

Durch das Weltall zu reisen, muss sich fantastisch anfühlen. Zwar ungemütlich, da in den Raumkapseln recht wenig Platz ist, dafür aber eine unvergessliche Erfahrung. Weiter als bis zur Internationalen Raumstation ISS oder dem Mond ist die Menschheit mit einer Besatzung noch nicht aufgebrochen. 

Und doch sucht die Astronomiegemeinde im fernen Universum nach neuen bewohnbaren Planeten, den Exoplaneten. Einige davon wurden bereits gefunden und mithilfe von Teleskopen, die das Licht in unterschiedlichen Wellenbereichen einfangen können, kann auch der Aufbau der Atmosphären dieser fremden Welten erfasst werden. 

Doch bis wir einen solchen Exoplaneten erreichen, wird noch viel Zeit vergehen. Zunächst würden Satelliten zur Erkundung geschickt. Erst später würden bemannte Missionen aufbrechen, jedoch würde die Reise zu einem bewohnbaren Exoplaneten mehrere Menschenleben dauern. Moderne Ionen-Antriebe, wie sie in Dresden erforscht werden, könnten die Reise beschleunigen. Kryoschlaf wäre dennoch nötig – einfrieren lassen sich Menschen bereits, aber das Aufwecken ist immer noch eine der großen Herausforderungen.

Klingt nicht danach, dass irgendwann in nächster Zeit Astronautinnen und Astronauten einen Exoplaneten besuchen können. Außer, wir finden eine Abkürzung. Nehmen wir doch ein Wurmloch, das uns einiges an Zeit ersparen könnte. Wurmloch? Ist das nicht der Schwachsinn aus Science-Fiction-Romanen und -Filmen? Was nach futuristischer Fantasie klingt, wird seit Jahrzehnten von Astrophysikern und Physikerinnen als möglich empfunden. 

Eine künstlerische Weltraumdarstellung mit einem Wurmloch. Bildrechte: MDR/J. Strippentow

Auch wenn die Existenz von Wurmlöchern noch nie bewiesen wurde, sind etliche Theorien zu den exotischen Objekten entstanden, die ihr mögliches Aussehen und Verhalten beschreiben. Aber was ist ein Wurmloch eigentlich? 

Wurmlöcher, die Abkürzung durchs Weltall

Bei einem Wurmloch handelt es sich im Grunde um eine Abkürzung im Universum, durch die Materie und vielleicht sogar ein Raumschiff fliegen kann, um lange Distanzen in relativ kurzer Zeit hinter sich zu lassen. Unser Universum ist zwar gigantisch groß, aber relativ flach. Stellen Sie sich einfach ein Blatt Papier vor, sinnbildlich für das gesamte Universum. Wenn Sie ein Loch durchbohren, führt es erst mal nirgendwo hin. 

Das gebogene Universum, das an zwei Punkten mit einem Wurmloch verbunden ist als schematische Darstellung. Bildrechte: MDR, J. Strippentow

Wenn sie nun aber das Blatt biegen, sodass die beiden Enden des Universums parallel übereinanderstehen und dann einen Strohhalm durch die Oberflächen bohren, verbindet dieser die beiden entfernten Punkte im Universum nun mit einer Abkürzung, einem Wurmloch.

Lokal flaches Universum kann in Wahrheit eine Kugel sein

Ob es Wurmlöcher geben kann, ist ungewiss. Immerhin müsste sich das gesamte Universum biegen und das benötigt enorm viel Energie. Zwar ist das sichtbare Universum flach. Das heißt aber nicht, dass das gesamte Universum ebenfalls flach ist. Vielleicht verhält es sich wie bei einem alten Lederfußball. Die einzelnen Panels (so heißen die einzelnen Sechsecke) sind relativ flach, aber alle ledernen Panels zusammengenommen, bilden einen runden Ball. 

Die genaue Form des Universums ist bisher unbekannt. Forschende gehen von einer Kugel aus, deren Krümmung aber so gering ist, dass sie lokal betrachtet flach wirkt – ähnlich wie bei unserem Standpunkt auf der Erde wirkt der Bereich, den wir überblicken können, als flach. Der Weltraum könnte aber auch die Form eines Donuts haben – wenn wir uns lange genug fortbewegen, müssten wir irgendwann wieder am Anfangspunkt ankommen. Vorausgesetzt, wir bewegen uns schneller, als sich der Raum ausdehnt. Da dieser sich teilweise schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnt, eher unwahrscheinlich.

Eine schematische Aufstellung von möglichen Formen des Universums: Kugeloberfläche, hyberbolische Geometrie und ein flaches Universum. Bildrechte: MDR, J. Strippentow

Wir können aber nur einen bestimmten Bereich des Raums betrachten, das beobachtbare Universum. In diesem Fall ist die Erde tatsächlich das Zentrum des Universums, aber nur von unserem Standpunkt aus. Die Gestalt des Universums ist beim beobachtbaren Universum eine Kugel – vollkommen unabhängig von der Form des gesamten Weltalls. Der Urknall war vor 13,8 Milliarden Lichtjahren, doch das Universum expandiert und somit bewegen auch wir uns immer weiter weg. 

Die heute am weitesten entferntesten Objekte waren damals, als sie das Licht aussandten, gerade einmal 40 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Doch heute liegen zwischen uns und diesen Objekten 46,6 Milliarden Lichtjahre. Alles darüber hinaus liegt hinter dem Ereignishorizont des Universums, dem Bereich, hinter dem Objekte von uns aus nicht mehr beobachtbar sind. Die tatsächliche Größe des Universums müsste bei mindestens 78 Milliarden Lichtjahren liegen, kann aber auch größer sein.

Kann ein Wurmloch künstlich erzeugt werden?

Von einem zum anderen weit entfernten Punkt zu reisen, erscheint somit fast unmöglich. Außer man würde durch ein Wurmloch fliegen. Ein Wurmloch künstlich entstehen zu lassen, scheint schier unmöglich zu sein. Immerhin müsste dafür der gesamte Raum gekrümmt werden. Und es braucht "eine große Menge positiver Energie, die mit der eines Schwarzen Lochs vergleichbar ist, um dieses Tor durch die Raumzeit zu öffnen", schreibt der weltberühmte Physiker Michio Kaku in seinem Buch Die Gottes-Formel.  

Zudem wäre ein Wurmloch instabil und würde sich von selbst wieder schließen. Um es aufrecht zu halten, bräuchte man negative Energie oder negative Masse. Diese unterscheidet sich aber deutlich von Antimaterie: "Materie mit negativer Masse hat einen deutlich abstoßenden Effekt und würde das Wurmloch auf diese Weise am Zusammenbruch hindern." Diese müsste anti-gravitativ wirken, erklärt Kaku. Doch eine solche negative Materie haben Forschende noch nie zu Gesicht bekommen. Einige Physiker und Wissenschaftlerinnen gehen jedoch davon aus, dass Wurmlöcher eine Naturerscheinung sind, die sich nach dem Urknall verbreitet hat.

Wie kann man ein Wurmloch überhaupt finden?

Wurmlöcher kann es somit seit Anbeginn der Zeit geben. Aber wie man sie findet? Dafür hat ein Forschungsteam ein Modell erstellt, das ein elektrisch geladenes, kugelförmiges Wurmloch und seine Auswirkungen auf das umgebende Universum simuliert. Die Forschenden wollten herausfinden, ob Wurmlöcher durch beobachtbare Auswirkungen auf ihre Umgebung nachweisbar sein könnten. 

Wurmlöcher sind (theoretische) trichterförmige Portale, durch die Materie über große Entfernungen reisen könnte. Das Modell des Forschungsteams zeigt, dass Wurmlöcher, sollten sie existieren, massiv genug sein könnten, um einen Aspekt der Einsteinschen Relativitätstheorie auszulösen: Dass extrem massive Objekte würde das Gefüge der Raumzeit so stark krümmen, dass es eine Krümmung des Lichts verursacht. 

Warum heißt das Wurmloch eigentlich Wurmloch?Der Name wormhole oder Wurmloch entstammt der Analogie eines Apfels, durch den sich ein Wurm hindurch frisst. Der Name setzte sich 1957 durch, doch die Theorie ist viel älter. Der österreichische Physiker Ludwig Flamm beschrieb das Phänomen 1916 zum ersten Mal. Albert Einstein und Nathan Rosen beschrieben 1935 die Brücke im Universum erneut, weswegen das Wurmloch auch Einstein-Rosen-Brücke genannt wird.

Stellen Sie sich dafür ein über einen Keilrahmen gespanntes Lacken als Universum vor. Nun lassen sie einen Apfel auf das Lacken rollen und seine Masse wird das Lacken leicht nach unten drücken. Er krümmt somit die Raumzeit. Wenn sie nun eine Wassermelone mit einer größeren Masse nehmen, wird die Raumzeit noch stärker gekrümmt.  

Das Licht von dahinter liegenden Objekten wird nun um das massereiche Objekt herum geleitet. Obwohl vor uns ein großes und massereiches Objekt liegt, können wir dahinterliegende Himmelskörper erkennen. Von unserer Perspektive aus vergrößert das gekrümmte Licht das, was sich hinter dem massiven Objekt verbirgt. Dieses Phänomen wird als "Microlensing" bezeichnet und ermöglicht es Wissenschaftlern, massive Objekte wie Galaxien und Schwarze Löcher zu nutzen, um extrem weit entfernte Objekte wie Sterne und Galaxien aus dem frühen Universum zu betrachten.

"Die Vergrößerung durch die Verzerrung eines Wurmlochs kann sehr groß sein, was eines Tages getestet werden könnte", erklärte Lei-Hua Liu. Er ist der Hauptautor einer aktuellen Studie zur Suche von Wurmlöchern und Physiker an der chinesischen Jishou Universität in Hunan. 

Wurmloch und Schwarzes Loch: Massereich, jedoch unterschiedlich

Die Masse eines Wurmlochs ist wie bei einem Schwarzen Loch enorm hoch. Doch Forschende könnten beide voneinander unterscheiden, erklärt Liu. Bei einem Schwarzen Loch werden durch das Microlensing vier Spiegelbilder des dahinter liegenden Objekts erzeugt. 

Das Bild eines Schwarzen Lochs hat einen hellen Emissionsring, der einen Schatten umgibt, den das Schwarze Loch wirft. Dieser Ring besteht aus einem Stapel immer schärfer werdender Teilringe, die der Anzahl der Bahnen entsprechen, die die Photonen um das Schwarze Loch genommen haben, bevor sie den Beobachter erreichten. Bildrechte: George Wong (UIUC) and Michael Johnson (CfA)

Bei einem Wurmloch würden theoretisch jedoch nur drei Bilder erzeugt werden. In der Simulation des Autors werden zwei schwache und ein sehr helles Bild erzeugt. Wie das Ganze in der Praxis angewandt wird, erklärt das Forschungsteam nicht. Jedoch ist es ein erster Ansatz für die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, dem Wurmloch durch Raum und Zeit. Doch vielleicht haben wir schon längst Wurmlöcher entdeckt. Einige Forschende vermuten, dass Schwarze Löcher eigentlich Wurmlöcher sind. 

Schwarzes Loch + Weißes Loch = Wurmloch?

Theoretisch könnte ein Schwarzes Loch der Eingang zu einem Wurmloch sein. Auf der anderen Seite würde man ausgespuckt. Da ein Schwarzes Loch alles verschlingt, müsste es einen Gegenpart geben, der alles wieder ausspuckt: ein Weißes Loch. "Ein Weißes Loch erfüllt genau dieselben Gleichungen wie ein Schwarzes Loch. Mit dem Unterschied: Der Zeitpfeil zeigt in die andere Richtung", erklärt Kaku. 

Im Weltraum soll es nicht nur Schwarze Löcher (l.) sondern auch Weiße Löcher (r.) geben. Erstere fressen alle Materie, die anderen spucken sie aus. Bildrechte: MDR / J. Strippentow

Bisher wurde noch kein Weißes Loch entdeckt. Jedoch könnte es sein, dass der Urknall eigentlich ein Weißes Loch war. Mathematisch ist die Existenz eines Weißen Lochs, aus dem nur etwas raus, aber nichts reinkommen kann, möglich, erklärt Heino Falcke. Er und sein Team haben das Bild des ersten Schwarzen Lochs veröffentlicht sowie die Aufnahme von Sagittarius A*, dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße

"Im Prinzip könnten so ein Weißes und ein Schwarzes Loch über eine Brücke miteinander verbunden sein", erklärt der deutsche Astronom. Damit meint er die Einstein-Rosen-Brücke, der ältere Name für ein Wurmloch. Somit könnte man in ein Schwarzes Loch hineinfliegen und aus einem Weißen Loch herauskommen. Wurmlöcher würden damit "zwei Bereiche des Universums miteinander verbinden, und man wäre schneller als das Licht", schreibt Falcke in seinem Buch Licht im Dunkeln

Ein Weißes Loch kann es jedoch ohne ein Schwarzes Loch physikalisch nicht geben. Isolierte Weiße Löcher sind unmöglich, da die ausgespuckte Materie und Energie irgendwo herkommen muss und nicht aus dem Nichts entstehen kann. Wurmlöcher selbst sind physikalisch denkbar, sie wären Einbahnstraßen, die in nur eine Richtung führen.

Wurmloch als Tor zum Multiversum?

Statt ein Tor zu einem anderen Ort in unserem Universum könnten Wurmlöcher auch das Portal zu einem anderen Universum sein, erklärt Kaku. Mathematisch könnte ein Schwarzes Loch, das ein schnell rotierender Ring ist, zu einem Paralleluniversum führen. Betritt man diesen Ring erneut, würde das aber nicht zum ursprünglichen Universum führen. "Man bewegt sich von einem Universum zum nächsten, wie man mit dem Aufzug von einem Stockwerk zum nächsten fährt", erklärt Kaku. Jedes erneute Betreten führt somit zu einem völlig neuen Universum. 

Ein Wurmloch zu einem anderen Universum? Vielleicht – zumindest als künstlerische Darstellung. Bildrechte: MDR/ J. Strippentow

Die Antwort auf die Existenz von Multiversen könnten hypermassive Schwarze Löcher sein. Sie sind "das Letzte, was von einem Universum wie dem unseren übrig bleiben sollte", erklärt Falcke. Denn ein Schwarzes Loch kann nicht aufhören zu fressen, bis es alles in seiner Umgebung verschlungen hat. Wenn der größte Teil der Masse verschwunden ist, verschwindet ein Schwarzes Loch laut Stephen Hawking einfach in einem hellen Auswurf von Masse und Energie. Ein mittleres Schwarzes Loch bräuchte bis zu seiner Auflösung mehr Zeit, als das Universum heute alt ist – eine 1 mit 67 Nullen. 

Ob Paralleluniversen oder Multiversen existieren, wissen wir nicht. Ob es weiße Löcher gibt, wissen wir nicht. Und auch die Existenz von Wurmlöchern ist fraglich. Aber die Existenz von Schwarzen Löchern klingt ebenfalls fast wie ein Hirngespinst. Doch diese können wir heute nachweisen. Warum dann nicht irgendwann Wurmlöcher?

Links/Studien

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen