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Landlebewesen MenschWas geschieht in unserem Körper, wenn wir ertrinken?

29. Juli 2020, 15:39 Uhr

Wir Menschen sind geschaffen für ein Leben an Land. Uns längere Zeit über Wasser zu halten, kostet Kraft und wenn wir die nicht realistisch einschätzen, kann uns das schnell zum Verhängnis werden. Denn wir sind Lungenatmer und kommen daher unter Wasser schnell an unsere Grenzen. Aber was genau geschieht eigentlich in unserem Körper, wenn wir ertrinken?

Geraten wir mit Mund und Nase unter Wasser, hilft uns zunächst der Tauchreflex. Alle lungenatmenden Lebewesen haben ihn, also auch wir. Tauchen wir unter, steht die Atmung plötzlich still, der Herzschlag verlangsamt sich und der Blutkreislauf konzentriert sich auf die lebenswichtigen Organe. Damit sinkt der Sauerstoffverbrauch. Nur so können wir unter Wasser überhaupt für einige Minuten überleben. Ein einzelner Auslöser für diesen Schutzmechanismus wurde bislang nicht bewiesen. Vermutlich spielen unter anderem Rezeptoren auf unserer Haut eine Rolle, besonders in der Nähe von Nase und Oberlippe. Entdeckt hat den Tauchreflex übrigens der Physiologe Paul Bert - bei der Beobachtung einer gründelnden Ente.

Babyschwimmen - bis zum 6. Monat besitzen die Kleinen den Tauchreflex, der den Kehlkopf schließt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Sind wir jedoch zulange unter Wasser, kann Flüssigkeit in unsere Atemwege gelangen. Ein weiterer Schutzmechanismus wird dann ausgelöst: Der Stimmritzenkrampf. Er soll eigentlich verhindern, dass Wasser in unsere Lunge gerät. Doch wie jeder andere Krampf auch lässt er sich nicht aktiv lösen, selbst wenn der Ertrinkende an die Wasseroberfläche geholt wird. Das Atmen wird dadurch unmöglich, es mangelt dem Körper an Sauerstoff. Nach kurzer Zeit wird der Betroffene ohnmächtig.

Jede Minute zählt

Drei bis fünf Minuten lang kommt unser Körper mit dieser Unterversorgung aus, dann sterben die ersten Gehirnzellen. Auch andere Organe wie die Lunge selbst nehmen Schaden. Bei etwa zehn bis 15 Prozent der Ertrinkenden löst sich der Stimmritzenkrampf von allein, so dass sie instinktiv Wasser einatmen. Während für die Ärzte früher eine Rolle spielte, wie viel Wasser dadurch in die Lunge gelangte, weiß man heute, dass das eine untergeordnete Rolle spielt. Entscheidend ist, wie lange der Sauerstoffmangel anhält.

Die Wassertemperatur ist entscheidend

Je kälter das Wasser, desto stärker kühlt auch der Körper aus, der Stoffwechsel wird heruntergefahren. Mit jedem Grad weniger sinkt der Sauerstoffbedarf von Gehirn und Organen um ganze sechs Prozent. Damit steigt auch die Chance, den Unfall im Falle eines Überlebens ohne Folgeschäden zu überstehen. So konnten zum Beispiel auch Kinder gerettet werden, die fast eine Stunde im Wasser lagen. Gleichzeitig besteht dabei aber auch immer die Gefahr der Unterkühlung, die wiederum ebenfalls Organschäden verursachen kann.

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"Trockenes Ertrinken": Wasser in der Lunge ist eine Zeitbombe für die Lungenbläschen

Gelangt Wasser in die Lunge, egal ob viel oder wenig, können die Lungenbläschen verkleben. Die zarten Membranen halten der Kraft des Wassers nicht stand. Der Sauerstoffmangel verstärkt diesen Effekt und schränkt den Stoffwechsel weiter ein. Das muss sich aber gar nicht sofort am Unfallort bemerkbar machen, sondern kann auch erst Stunden später auftreten. Genauso wie eine Infektion durch das eingeatmete Wasser, die dann zu einer Lungenentzündung führen kann. Bekannt ist dieses Phänomen unter dem Begriff "sekundäres Ertrinken", der unter Medizinern jedoch umstritten ist und den die WHO auch nicht anerkennt. Deshalb ist es wichtig, dass jeder, der gerettet werden konnte, anschließend für mindestens 24 Stunden im Krankenhaus beobachtet wird. Selbst wenn er das eingeatmete Wasser ausgespuckt hat und insgesamt einen stabilen Eindruck macht.

Ob der Ertrinkende Süß- oder Salzwasser einatmet, spielt nur eine geringe Rolle. Zwar sind im Salzwasser Ionen enthalten, die umliegenden Zellen dazu animieren, noch mehr Wasser in die Lunge zu pumpen. Aber im Vergleich zum Effekt des Sauerstoffmangels an sich, ist das nicht entscheidend für die Überlebens- und Genesungschancen des Geretteten.

Landlebewesen Mensch: Wie lange halten wir es unter Wasser aus?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab: wer gesund und gut trainiert ist und die Ruhe bewahrt, kann unbeschadet länger unter Wasser bleiben als jemand in schlechter körperlicher Verfassung, der im Wasser wild um sich schlägt. Absolute Apnoe-Tauchprofis schaffen es ganze zehn Minuten lang, dann wird auch bei ihnen die Kohlenstoffdioxid-Konzentration im Blut zu hoch. Der Drang, Luft zu holen, steigt. Der Körper signalisiert: auftauchen bitte - oder eben: einatmen!

Badeunfälle vermeiden - aber wie?

Bildrechte: imago/Friedrich Stark

Im vergangenen Sommer sind bei uns in Deutschland mindestens 504 Menschen ertrunken. Ganze 86 Prozent von ihnen in Binnengewässern. Darunter Nichtschwimmer, die verunglücken, Schwimmer, die ihre Kräfte überschätzen. Auch ein Herzinfarkt oder Schlaganfall mitten im See, Übermut oder Alkohol und Drogen können einen Badeunfall verursachen. Wohl überlegt ins tiefe Wasser zu steigen und sich über seine Kondition vorher Gedanken zu machen, kann helfen, ein Unglück zu vermeiden.

Kindchenschema gefährted die Kleinen selbst in flachem Wasser

Wer noch nicht schwimmen kann, ist in und an tiefen Gewässern grundsätzlich in Gefahr. Die üblichen Schwimmhilfen sind keine Überlebensgarantie und ersetzen auf keinen Fall die persönliche pausenlose Aufsicht durch erwachsene Schwimmer. Aber auch im seichten Wasser besteht ein hohes Risiko: Aufgrund ihres Körperbaus können sich Kinder selbst im Flachen oft nicht retten. Sie toben ausgelassen, fallen hin und bekommen den Kopf nicht mehr über die Wasseroberfläche. Er ist im Vergleich zum Körper einfach zu groß und zu schwer. Je kleiner das Kind, desto stärker der Effekt.

Eine Forsa-Umfrage ergab, dass in Deutschland 59 Prozent der Zehnjährigen nicht sicher schwimmen können. Als sicherer Schwimmer gilt in diesem Zusammenhang, wer das Jugendschwimmabzeichen in Bronze abgelegt hat. Dafür muss man unter anderem eine Distanz von 200 m in einer Zeit von unter 15 Minuten zurücklegen. Auch wenn die Zahl der Toten durch Badeunfälle seit 1951 deutlich zurückgegangen ist, sieht die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG das Ergebnis kritisch. Die Schließung vieler öffentlicher Bäder aus Kostengründen hätten dazu geführt, dass etwa 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad haben, um Schwimmunterricht durchzuführen. Und dort lernten schließlich die meisten Kinder das sichere Schwimmen.

Dieses Thema im Programm:Das Erste | BRISANT | 24. Juni 2019 | 17:15 Uhr