LandwirtschaftWeniger Antibiotika in der Tierhaltung
670 Tonnen Antibiotika wurden im letzten Jahr in Deutschland an Schweine, Hühner, Kühe, Pferde und alle anderen Tieren verabreicht. Das ist durchaus ein Erfolg, denn vor neun Jahren waren es noch 1.700 Tonnen. Wie war es möglich, die Menge so stark zu reduzieren und auf wieviel können wir vielleicht noch verzichten? MDR Wissen Redakteurin Annegret Faber hat recherchiert.
Bakterienkulturen, die auf kein bekanntes Antibiotikum mehr reagieren, können für Menschen, die bereits geschwächt sind, lebensbedrohlich werden. Allein in Europa sterben nach Angaben des Robert-Koch Instituts jährlich rund 30.000 Patienten an diesen sogenannten multiresistenten Keimen. Sie entstehen durch einen übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin, aber auch in der Fleischproduktion. Damit die Tiere trotz kritischer Haltungsbedingungen gesund bleiben, werden sie prophylaktisch mit Antibiotika versorgt, die der Verbraucher mit verzehrt.
Es war längst überfällig, dass die Verbrauchszahlen in der Landwirtschaft gesenkt werden.
Lisa Keinz, Agrarwissenschaftlerin, PETA
Der Tierechtsschutzverein PETA aber auch andere Organisationen wie der WWF oder der BUND kritisieren den massiven Einsatz schon seit Jahren. Auch der Geschäftsführer des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e.V., Heiko Färber, hält es für wichtig, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu reduzieren. Er erklärt aber auch, dass bei 670 Tonnen das untere Ende der Fahnenstange wahrscheinlich schon recht nahe sei. Denn das Tierschutzrecht würde verletzt werden, wenn akut erkrankte Tiere nicht mit Antibiotika behandelt würden. Das betont auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:
Kranke Tiere haben ein Recht auf eine angemessene Behandlung bei bakteriellen Infektionen. Das ist Vorschrift im Sinne des Tierschutzes.
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Erst testen, dann Medikamente
Dennoch wurden im letzten Jahr nur noch 40 Prozent der Antibiotikamengen eingesetzt wie noch vor neun Jahren. Wie war es überhaupt möglich, die Zahl so weit runter zu schrauben? Heiko Färber begründet das mit der Verbesserung der Haltungsbedingungen und der Gesundheitsvorsorge. Auch ein paar Vorgaben hätten dazu beigetragen, auch wenn Färber mehrmals betont, dass es in Deutschland keine Verbote, oder Grenzwerte beim Einsatz von Antibiotika gebe. Wichtig sei die Novelle der Apothekerverordnung im Jahr 2018 gewesen. Damals wurde eine Testung der Bakterien eingeführt, bevor das Antibiotikum gegeben wird, so dass man gezielter heilen kann.
Lisa Keinz von PETA interpretiert die Zahlen anders und führt die heute geringen Mengen darauf zurück, dass es inzwischen viel wirksamere Mittel gäbe, also noch vor zehn Jahren.
Die tatsächlichen Anwendungen von Antibiotika in den Ställen, die sind nicht so stark gesunken. Hier werden die Verbraucher getäuscht.
Lisa Keinz, PETA
Wir müssen unseren Konsum überdenken
Dem wiederspricht Heiko Färber. Untersuchungen hätten ergeben, dass sowohl bei neuen, wirksameren, wie auch bei älteren Medikamenten die Mengen gesunken seien. Der Agrarwissenschaftlerin Lisa Keinz sind 670 Tonnen Antibiotika im Jahr für Tiermedizin trotzdem noch zu viel. Sie fordert, dass die Verbrauchszahlen weiter sinken - nicht nur, indem verantwortungsbewußter mit Antibiotika umgegangen wird. Sondern auch durch einen bewussteren Umgang mit der Ware Fleisch. Wenn wir den Verzehr nicht reduzieren, werden die Haltungsbedingungen dramatisch bleiben.
Dann ist ein Antibiotika-Einsatz notwendig, damit die Tiere die Zeit bis zum Schlachthof überhaupt überstehen.
Lisa Keinz, PETA
(af)
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