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Torkelnde InsektenWerden Wespen betrunken vom Nektar einer Passionsblume?

14. August 2020, 12:10 Uhr

Eine MDR-Wissen-Nutzerin beobachtet auf ihrem Balkon, dass Wespen wirr durch die Gegend fliegen und abstürzen, nachdem sie vom Nektar einer Passionsblume genascht haben. Spielt hier Alkohol eine Rolle?

von Clemens Haug

Auf ihrem Balkon hat MDR-Wissen-Nutzerin Ilona Böttcher seltsam fliegende Insekten beobachtet. Könnte es einen Zusammenhang mit den blühenden Passionsblumen geben, fragt sie uns.

Wir haben auf dem Balkon in der 11. Etage mehrere Passionspflanzen, die sehr schön blühen. Es herrscht ein reger Publikumsverkehr mit Wespen. An den Blüten nagen sie; an den Blattansätzen befinden sich klebrige Tropfen, die sie bevorzugt aufsuchen.

Ilona Böttcher

So weit so normal. Doch dann verhalten sich die Wespen mitunter merkwürdig, schreibt sie weiter, "indem sie irgendwie wirr durch die Gegend fliegen, auf den Tisch stürzen, nach vorn beziehungsweise zur Seite wegkippen, sich schütteln und dann erneut in die Pflanzen fliegen. Außerdem inspizieren sie häufig die Küche, obwohl sich keine Lebensmittel offen befinden. Sie sind durchaus friedfertig und lassen sich auch wieder nach draußen geleiten."

Sollte eine alkoholische Gärung in den Pflanzen zu diesem Verhalten führen?

Ilona Böttcher

Theoretisch ist es möglich, Insekten betrunken zu machen. Bienen etwa brauchen dafür aber große Mengen, am besten reinen Alkohol. Das haben Forscher der Ohio State University in den USA in Experimenten herausgefunden.

Bienen, die nur noch Ethanol erhielten, konnten sich irgendwann nicht mehr bewegen und blieben auf dem Rücken liegen. Auch Wespen können betrunken werden, etwa wenn sie gährendes Obst essen. Friedlich bleiben sie dann allerdings nicht, schreiben Naturschützer vom Nabu.

Aber ist Alkohol auch die richtige Erklärung für die Wirkung der Blüten der Passionsblume auf die Wespen?

Christoph Neinhuis ist Direktor des Botanischen Gartens der Technischen Universität Dresden und hält diese Theorie für sehr unwahrscheinlich. "Passionsblumen leben in enger Abhängigkeit von Schmetterlingen. Diese Schmetterlinge sind immun gegen die vielen Giftstoffe, die die Passionsblumen haben, darunter Alkaloide, Glykoside wie beim Fingerhut, Flavanoide oder Terpenoide", erklärt er. Die Gifte seien auch in kleinen Nektartropfen auf den Blättern enthalten. Auch Ameisen seien immun dagegen und könnten den Nektar sammeln. Viele andere Insekten, darunter offenbar auch die Wespen, hätten aber große Probleme.

Wespen sind exotisches nicht gewöhnt

Gewusst?Unbeliebt, aber nützlich: Wespen

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"Jetzt im Spätsommer sind Wespen überall auf der Suche nach süßer Nahrung, deshalb sammeln sie offenbar auch den extrafloralen Nektar auf den Blättern", sagt Neinhuis. Der bekomme den Tieren aber offenbar nicht. "Besonders, wenn Passionsblumen als Zierpflanzen aus Südamerika zu uns kommen, sind unsere Insekten hier nicht dran gewöhnt", sagt der Botaniker.

Bienenforscher Robert Paxton von der Martin-Luther-Universität in Halle kennt ähnliche Strategien von anderen Pflanzen. "Sie geben komplexe Chemikalien ab, um die Insekten beeinflussen, etwa um Ameisen und andere Blattlaus-Fresser anzulocken. Kaffee etwa lockt Honigbienen mit Koffein an. Sie bevorzugen Kaffee-Blüten wegen ihrem Koffein-Inhalt."

Fassen wir also zusammen. Wespen und Alkohol - das geht, ist aber keine gute Mischung. Wespen und Passionsblumen wirkt offenbar auch, hat aber nichts mit Alkohol zu tun.

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