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OrnithologieAlles vereist: Wie trinken Vögel im Winter Wasser?

17. Januar 2024, 09:22 Uhr

Vergangene Woche gab’s mal wieder sowas wie Winter in Mitteldeutschland, sogar Eislaufen war unter Umständen drin. Und die Temperaturen bleiben niedrig, zumindest nachts. Des einen Winterfreud ist des anderen Leid – Wintervögel müssen nicht nur Futter suchen, sondern natürlich auch ab und an mal was trinken. Nur wie machen das die gefiederten Freunde eigentlich, wenn alle Wasserstellen zugefroren sind?

Dass Winfried Nachtigall die etwas einfältige Frage nach seinem Lieblingsvogel schon unverschämt oft beantworten musste, macht sie nicht einfacher. Auch nicht die nach dem liebsten Wintervogel, selbst wenn da die Auswahl kleiner ist. Aber der Seidenschwanz, doch, der hat es dem Vorsitzenden des Landesfachausschusses für Ornithologie im Nabu Sachsen angetan. Der Seidenschwanz ist kein Dauerbrenner: "Eine Art, die kommt wirklich nur alle paar Jahre mal, je nachdem, was für Nahrungssituationen in den Herkunftsgebieten herrschen oder wie hart dort auch die Winterbedingungen sind."

Hierzulande sind es zumindest keine sonderlich strengen, das lehrt die Erfahrung der letzten Winter. Für den Seidenschwanz ist Mitteldeutschland der wonnige Süden zum Überwintern, die Brüterei hingegen erledigt das hübsche Tier in der Taiga im Norden Skandinaviens und Russlands. Wenn es kalt wird, rettet der Seidenschwanz sein exotisch anmutendes Gefieder also zu uns. Aber auch im hiesigen Süden kann es mitunter mal Dauerfrost bis in den zweistelligen Minusbereich geben. Das fast vergessene Phänomen der zugefrorenen Seen, Teiche und Pfützen erleben wir auch in diesen Januartagen mal wieder. Da stellt sich die Frage: Was macht der Seidenschwanz denn jetzt? Und der Rest vom Wintervogeldauerdienst aus Amsel, Drossel, Fink und Star? Sprich: Wie gelingt es den Tierchen, sich in der Eiseskälte mit Flüssigkeit zu versorgen?

Wenn der Seidenschwanz nicht gerade am luxuriösen Futterhäuschen Platz nimmt, dann kümmert er sich eben. Bildrechte: imago/ingimage

Sortieren wir das mit Ornithologe Nachtigall, der erstmal darauf hinweist, dass der Wasserbedarf eines Vogels nicht besonders hoch ist. So eine Meise etwa wiegt zwanzig Gramm und hat anders als Säugetiere keine Schweißdrüsen. Dass da nach unseren menschlichen Maßstäben nicht viel Wasser in das Tier rein muss, lässt sich leicht ausrechnen – kleine Wasserquellen sind also vollkommen ausreichend. "Und insbesondere in den Randbereichen von Standgewässern ist sehr oft natürlich eine kleine Pfütze oder ein kleiner Bereich zugänglich, der dann nicht zugefroren ist", sagt Winfried Nachtigall. Nicht zu vergessen seien auch Fließgewässer, für die es dann noch mehr Kälte braucht, damit sie komplett vereisen. "Also eine völlige Wasserlosigkeit ist wahrscheinlich bei uns in den Breiten selten gegeben."

Brenzlig würde es erst werden, wenn es über einen längeren Zeitraum ganz erhebliche Minusgrade gäbe. Aber, so sei das bei Wildtieren, "wahrscheinlich steigt man um, dass man beispielsweise auch Schnee zu sich nimmt und diesen dann eben als Wasservorrat auch trinkt." Infolge des Klimawandels ist das allerdings ein Szenario, das von Jahr zu Jahr unwahrscheinlicher wird – eine dürrebedingte Trinkwasserarmut im Sommer ist da schon eher ein Ding. Eine große Wasserverfügbarkeit in klimawandelbedingt milden Wintern irritiert die Vögel im Umkehrschluss erstmal nicht, sagt Winfried Nachtigall. Im Gegenteil, die Tiere trinken nur so viel, wie sie wirklich brauchen.

Zur Wahrheit gehört, dass sich die Vögel kümmern würden

Dr. Winfried Nachtigall, Nabu Sachsen, über Vogeltränken

Zusätzliche Wasserflächen würden zudem gern angenommen, Winfried Nachtigall spricht hier von Komfortverhalten: "Das ist beispielsweise im Frühjahr zu beobachten, wenn zusätzliche Wasserflächen auf den Feldern stehen, dann werden diese von Vögeln auch zusätzlich genutzt, dann entstehen dort plötzlich herrliche Stellen, wo sich Möwen treffen, wo Enten plötzlich auf dem Acker umherschwimmen." Ein Phänomen, das auch bei überfluteten Flächen zum Jahreswechsel 2023/2024 zu beobachten gewesen ist – Wasservögeln boten sich da auf einmal vielerorts Pop-up-Planschbecken.

Zurück zum Lebensunterhalt der Wintervögel: Vielleicht nicht sicherheitshalber doch eine winterfeste Tränke im Vorgarten? Winfried Nachtigall findet als Ornithologe daran freilich etwas Schönes. "Aber, und das gehört nach meiner Auffassung zur Wahrheit dazu, müssten wir eine solche Tränke nicht zwangsläufig anlegen, weil sich zumindest bei uns in der Landschaft die Vögel kümmern würden."

Vögel füttern und Wasser zur Verfügung stellen – oder bleiben lassen?

Also lieber der Natur ihren Lauf lassen, auch bei der Vogelfütterung? Denn bevor der Mensch Futterhäuschen und Meisenknödel erfand, musste sich das Federvieh schließlich selbst versorgen. Und überhaupt: Was passiert, wenn man es mit dem Futter zu gut meint, lässt sich an der Skala so mancher Waage ablesen, wenn man eine gewöhnliche Hauskatze drauf absetzt. Droht den gefiederten Freunden vielleicht Übergewicht? Winfried Nachtigall gibt Entwarnung: "Konkrete Untersuchungen kenne ich nicht. Auf der anderen Seite habe ich auch noch nie irgendein Individuum gesehen oder in der Hand gehabt, wo ich sage: Mensch, das ist jetzt so schwer, dass es überhaupt nicht mehr fliegen kann."

Nein, Vogelfütterung sei einfach etwas Schönes. Für die Tiere, um ihnen die Futtersuche etwas zu erleichtern und die Wege zu verkürzen. Und für den Menschen, der dann eben was zum Gucken hat. Ob da nun ein Seidenschwanz bei seinen Ferien im Süden sitzt oder einer der ganzen anderen Winterlieblingsvögel.

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 17. Januar 2024 | 11:20 Uhr

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