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Bildrechte: imago/Anka Agency International

BiologieZebrafische reparieren ihr Herz – und vielleicht auch unseres

24. Oktober 2019, 14:03 Uhr

Die Wissenschaft liebt Zebrafische: Denn die Tiere sind dem Menschen ganz schön ähnlich, auch wenn sie erstmal nicht so aussehen. Die Fische haben im Fall eines schwerkranken Jungen schon einmal eindrucksvoll bewiesen, dass sie Leben retten können. Ihre besonderen Fähigkeiten könnten jetzt ein Vorbild sein, um künftig Herzinfarktpatienten helfen.

von Florian Zinner

Ob der Großteil der Aquarienbesitzer sich eigentlich im Klaren ist, was für ein glorreiches Tierchen da in ihren Becken seine Runden dreht? Der Zebrafisch hat's drauf und liefert von Zeit zu Zeit erstaunlichen Stoff: Forscher schauen sich zum Beispiel gerade genau an, warum Zebrafische keinen Alzheimer bekommen. Ihre Taktik: Gehirnzellen wachsen nach und werden ersetzt.

Ganz ähnlich funktioniert das mit dem Zebrafisch-Herz. Bei einer Verletzung können die Fische es selbstständig reparieren. An der Uni Bern haben Forscherinnen und Forscher jetzt herausgefunden, warum das so ist: Das Upgrade, das diese spezielle Fähigkeit ermöglicht, heißt sox10, ein Gen, das nur in einer bestimmten Gruppe von Herzzellen vorkommt. Denn nicht alle Zellen besitzen diese besondere Fähigkeit, sondern nur eine bestimmte Reparatur-Truppe, die das besonders effizient tut.

Transparente Larven, ähnliche Gene

Dass die Forscher dieses Verhalten ausgerechnet an den kleinen, subtropischen Flussfischen festgestellt haben, ist kein Zufall. Die Tiere sind ein äußerst beliebter Forschungsgegenstand. Das liegt zum Beispiel daran, dass sich Zebrafische sehr schnell entwickeln. Innerhalb weniger Tage entsteht aus einer Zelle ein Tier mit Bauchspeicheldrüse, Leber, Verdauungstrakt, Augen und Herz.

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Margrit Kamel forscht in Dresden mit Zebrafischen Bildrechte: TU Dresden/Ulrich Lippke

"Die Larven sind größtenteils transparent, ihre Organe kann man direkt durch die Haut sehen", erklärt Margrit Kamel. Sie ist Doktorandin am Dresdner Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD) und beschäftigt sich dort mit dem Kampf gegen Diabetes. Beta-Zellen im Körper kümmern sich darum, dass nach einer Mahlzeit der Zuckerpegel im Blut nicht zu hoch ist. Wenn die Zellen nicht richtig funktionieren, leidet ein Mensch unter Diabetes. Angeführt werden sie von einer Art "Chef-Beta-Zelle", die Margrit Kamel und ihr Team zuerst im Zebrafisch nachweisen konnte. Forscher sehen in ihnen den Schlüssel beim Kampf gegen Diabetes.

Die Gene von Zebrafischen und Menschen sind nicht gleich, sonst würden wir wahrscheinlich mit Schwanzflosse und Kiemen im Stromgebiet des Ganges unterwegs sein. Aber: "Viele der Gene, die Zebrafische und Menschen gemeinsam besitzen, spielen eine wichtig Rolle bei der Entwicklung und bei Krankheiten", betont Margrit Kamel vom CRTD.

Zebrafisch-Larve: Nur wenige Millimeter groß, aber die Organe sind schon sichtbar. Bildrechte: CRTD/Margrit Kamel

Zebrafische als Lebensretter

Das zeigt auch einer der berühmtesten Fälle in der Zebrafisch-Forschung: Die Lungen eines Junges hatten sich durch eine Genmutation mit Flüssigkeit gefüllt. Eine seltene Krankheit, bei der es nur die vorübergehende Lösung gab, die Flüssigkeit von Zeit zu Zeit abfließen zu lassen. "Also haben Mediziner die gleiche Genmutation bei Zebrafischen generiert, die daraufhin ein ähnliches Verhalten zeigten wie der Junge", sagt Margrit Kamel. "Es wurden verschiedene Medikamente getestet, bis sie das gefunden haben, was eine normale Funktion wiederhergestellt hat." Und das half schließlich nicht nur den Fischen, sondern auch dem Jungen.

Oben: Unverletztes Zebrafisch-Herz mit kaum sichtbaren sox10-Herzmuskelzellen. Unten: Verletztes Herz mit deutlicher Häufung von sox10-Zellen (rot), v.a. am Rand der Wunde. Bildrechte: Marcos Sand-Melón

Herzreparatur auch beim Menschen?

Dass durch die neuen Erkenntnisse aus Bern jetzt Hoffnung für Herzinfarktpatienten besteht, ist also nur berechtigt. Nach einem Herzinfarkt sterben Millionen von Herzmuskelzellen ab, eine Narbe entsteht. Deshalb möchten die Forscher nun einen genaueren Blick auf das entdeckte sox10-Gen werfen. "Wir möchten herausfinden, ob das Fehlen einer solchen sox10-Zellpopulation bei Säugetieren und auch beim Menschen eine Erklärung dafür sein könnte, warum sich deren Herz schlecht regeneriert", erklärt Nadia Mercader, die die Forschungsgruppe anleitet. Wenn dem so ist, soll es weitergehen: Denn diese Erkenntnis könnte entscheidend sein, um herauszufinden, wie die Eigenreparatur auch beim menschlichen Herz angeregt werden kann.

Spätestens dann heißt es beim nächsten Blick ins Aquarium, den Tieren ein Momentchen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Danke zu sagen. Und beim nächsten Futterkauf nicht gar zu knausrig zu sein.

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