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"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 23. März 2023Wie wär's mal mit einer Plattform?

23. März 2023, 07:42 Uhr

Bei der Deutschen Welle steht das Management weiter in der Kritik. Das Gesamtbudget der Öffentlich-Rechtlichen überspringt eine besondere Marke. Und der neue ProSieben-Chef bringt die alte Idee einer gemeinsamen Plattform von Öffentlich-Rechtlichen und Privaten wieder auf. Heute kommentiert Klaus Raab die Medienberichterstattung.

von Klaus Raab

Das Altpapier"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Deutsche Welle: Management in der Kritik

Reden wir über Geld. Zum Beispiel über das Geld der Deutschen Welle. Beim Auslandsrundfunk, der zur ARD gehört, aber nicht aus dem Rundfunkbeitrag finanziert wird, sondern aus Steuermitteln, soll gespart werden (Altpapier vom Montag). Und wie! So sehr, dass es nicht einfach als Nachricht gemeldet und anschließend zu den Akten gelegt wird. Es geht schon einigermaßen an die Substanz, auch an die der Mitarbeiter, die von den Kürzungen betroffen wären. Und es gibt offene Fragen. Etwa, ob es Managementfehler gab.

Joachim Huber vom "Tagesspiegel" berichtet heute über eine 120-minütige Mitarbeiterversammlung, die am Mittwoch stattfand. Und er schreibt, was sich seit Ende letzter Woche, als die Kürzungspläne verkündet wurden, geändert habe, sei die Stimmung: "Immer noch angespannt, aber nicht mehr von der am Freitag vorherrschenden Emotionalität geprägt." Die Frage nach Fehlern der Leitung steht aber wohl immer noch im Raum, was dafür spräche, dass es keine rein aus der Emotionalität heraus gestellte Frage ist. Intern wird etwa moniert, dass die drohende Unterfinanzierung eigentlich lange bekannt gewesen sei (was von Intendant Peter Limbourg anders dargestellt werde, so Huber in einem anderen Text). Nun schreibt er:

"Statt frühzeitig unter Einbeziehung der Belegschaft und Belegschaften zu reagieren und Investitionen zurückzustellen, habe die Geschäftsführung weiter Geld ausgegeben. In der Mitarbeiterversammlung wurde der Vergleich mit der Privatwirtschaft gezogen, wo ein solches Verhalten einer Insolvenzverschleppung gleichkäme."

Annika Schneider, die zum Altpapier-Team gehört, hat für die Mediensendung @mediasres des Deutschlandfunks Stimmen zusammengetragen, unter anderem die eines Sprechers der Deutschen Welle und die zweier Bonner Personalräte, die kritisieren, dass "die massiven Budgetsteigerungen der vergangenen Jahre" nicht gut genutzt worden seien, wenn das Budget nun erstmals stagniere. "Wie konnte die Führung in diesem Maße versagen, dass wir uns vor einem solchen Loch wiederfinden?" ist zwar auch in der Schärfe keine komplett untypische Formulierung für einen Personalrat, der die Interessen der Arbeitnehmer eines Betriebs oder einer Dienststelle vertritt. Aber man kann sie nicht bei jeder Gelegenheit nutzen.

Das Gesamtbudget der Öffentlich-Rechtlichen

Reden wir weiter über Geld. Das Kölner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik hat den Gesamtetat von ARD, ZDF und Deutschlandradio für 2023 berechnet, also die Einnahmen aller Anstalten aus allen verfügbaren Einnahmequellen über den Rundfunkbeitrag hinaus. Und es kommt, wie das "Handelsblatt" aufgreift, auf eine Zahl, die einen gewissen medialen Schauwert hat. Erstmals verfügt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem Haushaltsjahr demnach über mehr als 10 Milliarden Euro Gesamtbudget: "Die Addition der Zahlen aus den Haushaltsplänen ergibt für das laufende Jahr eine voraussichtliche Ertragssumme von 10,027 Milliarden Euro."

Extrem weit weg davon dürfte man auch vorher nicht gewesen sein. Allein der Rundfunkbeitrag brachte den Öffentlich-Rechtlichen 2021 rund 8,42 Milliarden Euro, und in die Rechnung des Instituts gehen nun noch Einnahmen aus Werbung und Sponsoring sowie "aus sonstigen Erträgen" ein. Aber wo vorher eine neunstellige Zahl war, ist nun eine zehnstellige. Eine Art Schallmauer ist das schon.

Eine genauere Aufschlüsselung der Zahlen liegt derzeit nicht öffentlich vor. Denkbar ist, dass zu den sonstigen Erträgen auch das zählt, was zum Beispiel eine NDR-Tochterfirma wie Studio Hamburg einspielt. Und viel Kleinvieh macht vielleicht ja auch zumindest ein bisschen Mist. Von dort jedenfalls, vom Studio Hamburg, kommt ja etwa – Christian Bartels hat hier am Dienstag darauf hingewiesen – der Krimi "Miss Merkel", der zwar schlicht genug gewesen wäre, um auch auf einem Regionalkrimi-Sendeplatz bei ZDF oder ARD zu landen, wie mein Kollege meinte. Der allerdings bei RTL lief.

Die "Süddeutsche" findet den Film in ihrer heutigen Ausgabe übrigens fad, so "als bekäme man Bœuf bourguignon vom Kobe-Rind serviert, bei dem der Koch leider das Salz vergessen hat". Aber das nur nebenbei.

Eine Plattform, eine Plattform!

Wollen wir noch weiter über Geld reden? Bert Habets hat es jedenfalls getan, der seit November amtierende Vorstandschef von ProSiebenSat.1 Media. "Wer Geld von fast jedem Haushalt bekommt, muss sich fragen lassen dürften, wie er das Geld ausgibt und natürlich auch, ob effizient damit gewirtschaftet wird", sagte er in einer Keynote einer Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten vor Vertretern von Politik, Medien und Aufsicht, wie dwdl.de berichtet. Der Satz geht natürlich an die Adresse der Öffentlich-Rechtlichen.

Aber die Meldung ist eine andere: Habets hat, so berichtet Alexander Krei, eine Idee aufgewärmt, die von seinen Vorgängern schon durchgespielt und performt worden war: Sein Vorschlag ist, "die hauseigene Streamingplattform Joyn zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der öffentlich-rechtlichen und privaten Medienanbieter in Deutschland zu machen". Leise Grüße vom Murmeltier! Das Kartellamt hatte vor zwölf Jahren Einwände gegen die damaligen Plattformkooperationspläne der Sendergruppen ProSiebenSat.1 und RTL. Andererseits entsprechen zwölf Jahre vielen Zeitaltern, und da ändern sich ja vielleicht auch mal gewisse Voraussetzungen.

Der nicht unumtriebige ARD-Vorsitzende, Kai Gniffke, der der Keynote gelauscht hat, ließ sich hinterher nicht lumpen, Habets Gedanken der Kooperation mit Blick auf die internationale Konkurrenz der großen Streamingdienste "großartig" zu nennen, auch wenn es "ein weiter Weg" sei (rnd.de). Sicher nicht unklug, sich so zu äußern. An ihm soll es nicht gelegen haben.

Man darf – Stichwort "weiter Weg" – nur nicht vergessen, schreibt Alexander Krei bei dwdl.de, dass das ZDF "schon einer gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Mediathek kritisch gegenüber" steht und RTL "einen eigenständigen Netflix-Konkurrenten aufzubauen" versuche, "der jüngst auch um Musik und Hörbücher angereichert wurde".

Aus Nutzungssicht hätte die Idee einer gemeinsamen Plattform freilich schon einen gewissen Alltagsreiz. Alle deutschen Anbieter gemeinsam auf der gelben Taste der Fernbedienung – dann könnte man die rote, blaue und grüne neu belegen, mit Netflix, Disney+ und Paramount+, zum Beispiel. Aber im Ernst: Bis man mal so weit wäre, falls man je so weit käme und dergleichen überhaupt von Habets gemeint wäre, gäbe es vielleicht eher keine Farbtastenbelegung auf Fernbedienungen mehr.

Von Lineker zu Hayali

Einen Bogen von der Gary-Lineker-Debatte (Altpapier) zum deutschsprachigen Fernsehbetrieb schlägt Axel Brüggemann im "Freitag" (für dessen neue Ausgabe ich – dies für die Transparenz – auch geschrieben habe). Und er schließt zugleich an die Debatte darüber an, wie Poltikjournalistinnen und -journalisten sich bei Twitter äußern sollten, die schon in der Trump-Zeit geführt wurde. Aber nun auch wieder (Altpapier). Also:

"Dieses andauernde Kommentieren des eh Offensichtlichen: Seitenstiche gegen Hans-Georg Maaßen und Friedrich Merz, Erinnerungen an Taten wie Hanau, die natürlich nie vergessen werden dürfen. Für wen ist das geschrieben? Für mich, der ähnlich denkt? Oder für die anderen, die sich durch das simple Online-Einmaleins zu sofortigen Beleidigungen provozieren lassen? Oder dient all das nur der Marke Dunja Hayali?"

Schreibt Brüggemann über die neue "heute journal"-Moderatorin Dunya Hayali, um sich dann zu fragen, "ob ich gut finde, dass ich die neue Anchorwoman des ZDF so gut von Twitter kenne". Nun? Er kocht die Frage selbst runter, und ich finde, er hat keine schlechte Antwort gefunden: Man müsse erwarten dürfen, dass Menschen, die öffentlich Meinungen sagen, ihren Job – welcher auch immer es ist – vernünftig machen. Und so…

"sollten wir es auch bei Journalistinnen und Journalisten halten, egal, was sie twittern: Bei Rotlicht ist es ihre Aufgabe, uns einen faktenbasierten Lagebericht der Welt zu geben und Gesprächspartnern unvoreingenommen zu begegnen. Und deshalb freue ich mich, wenn Dunja Hayali das heute journal moderiert, wenn sie den eitlen Twitter-Spiegel zur Seite legt und einfach nur ihren Job macht. Und wenn ich mich über sie aufregen will, besuche ich eben einfach wieder ihren Twitter-Account."


Altpapierkorb (Dyn, Angriffe auf Journalisten, Peter Urban, Regierungsleck)

+++ Während DAZN, der Sportstreaming-Dienst mit dem sehr vielfältig ausgesprochenen Namen, vor einer Woche einen eigenen kostenfreien Kanal nur für Frauensport angepfiffen hat, ist nun schon von einem weiteren Sportdienst die Rede, bei dem der eigentlich alles dominierende Männerfußball keine Rolle spielt. In dem Fall geht es um Handball, Basketball, Hockey, Volleyball und Tischtennis. Dahinter stecken der ehemalige Chef der Deutschen Fußball Liga, Christian Seifert, und als ein Mitgesellschafter Axel Springer. Anlass für die aktuelle Befassung damit ist die Veröffentlichung konkreter Pläne; Details hat dwdl.de. Ach so, der Dienst soll Dyn heißen. Dankenswerterweise übersetzt die "FAZ", dass man das "dein" aussprechen soll. Und nicht etwa "dünn". Oder wie die Norm. Womit das Wichtigste schon ma geklärt wäre.

+++ Es gibt keine Demonstrationen gegen die Corona-Politik mehr. Und die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten sind gesunken. Den Zusammenhang kann man wohl herstellen, das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig tut es jedenfalls und meldet: 56 Angriffe auf Journalisten gab es im vergangenen Jahr in Deutschland. 21 Angriffe weniger als im Jahr zuvor. Besonders gefährdet seien allerdings Lokaljournalistinnen und -journalisten, die nicht "in die Anonymität abtauchen können".

+++ Peter Urban, der den Eurovision Song Contest für den NDR schon moderierte, als er in Deutschland noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß, wird es nur noch einmal tun, im Mai in Liverpool. Und sich dann zurückziehen. Es gibt die ersten Würdigungen und Werkschauen (tagesspiegel.de, spiegel.de u.a.).

+++ Frei lesbar auch ohne "Übermedien"-Abo ist Henrik Wieduwilts Erklärung zur Causa Regierungsleck. Klimaminister Robert Habeck hatte in den "Tagesthemen" deutlich angedeutet, dass ein früher Gesetzesentwurf aus den Reihen der Regierung an "Bild" durchgestochen worden sei. Wieduwilt schreibt, "Durchstechereien" seien nicht an sich der beklagte Tabubruch, aber der Zeitpunkt sei schon sehr früh und deshalb bemerkenswert. "Die Lage spielt Habeck jedenfalls in die Hände:Sie schafft ihm einen eleganten Ausweg aus der ungewohnt schlechten Presse – und schenkt ihm eine Rolle, die er liebt: Die des tief besorgten Sachpolitikers."

Das Altpapier vom Freitag schreibt René Martens.

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