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Das Altpapier am 3. August 2018Vorsicht ist die Mutter der Langeweile

Warum setzen die Behörden Journalisten, die auf den "Feindeslisten" deutscher Rechtsextremisten stehen, nicht davon in Kenntnis? "Überfordert" das Thema Rassismus Zuschauer, die am frühen Sonntagabend ORF gucken? Plant Google, sich "vor den Machthabern in Peking in den Staub zu werfen"? Ein Altpapier von René Martens.

Der AutorRené Martens

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat in dieser Woche recherchiert, dass auf drei seit 2011 gefundenen "Feindeslisten" rechtsextremer Gruppierungen 35.000 Namen zu finden sind, der überwiegende Teil auf einer Liste einer Gruppe namens "Nordkreuz". Abgesehen von drei Personen, die 2017 vom BKA informiert wurden, sei aber, so stellt es jedenfalls das RND dar, keiner der Betroffenen in Kenntnis gesetzt worden. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall kritisiert das Verhalten der Behörden in einem Gastkommentar für die taz:

"Sie informieren nicht einmal JournalistInnen, die als besonders exponiert und damit besonders gefährdet gelten dürften, wenn sie derart von den Demokratiefeinden erfasst und gelistet wurden. Das ist unverantwortlich und kann gefährlich werden. Indem er die Namen der Bedrohten geheim hält, macht sich der Staat schuldig, wenn auf die dort Genannten tatsächlich irgendwann ein Anschlag verübt werden sollte."

Tja, warum macht "der Staat" das? Ein Teil Antwort könnte in einem Text stecken, den kurz zuvor die frühere taz-Redakteurin und kurzzeitige Freitag-Chefredakteurin Simone Schmollack geschrieben hat. Sie, die "1999 das erste Mal auf einer steckbriefartigen Liste von Neonazis stand", schildert in dem Beitrag, was sie vor rund 17 Jahren erlebt hat:

"Die Flurwände des Hauses, aus dem ich kurz zuvor ausgezogen war, beschmierten im November 2001 Unbekannte mit 'SA voran', Hakenkreuzen und SS-Runen. Die Hausverwaltung ließ die Schmierereien übermalen, zwei Wochen später waren sie wieder da: neues Hakenkreuz und – meterhoch – 'Simone, pass auf'. Das Doppel-s in Nazi-Runen. Dazu der Satz: 'Wir kriegen dich'. Jetzt schaltete sich das Landeskriminalamt ein und lud mich zur 'polizeilichen Vernehmung' vor."

Über diese "Vernehmung" schreibt Schmollack Folgendes:

"Kleiner Raum, geschlossenes Fenster, vier Beamte mir gegenüber. Sie rauchten wie ein Zellulosewerk und stellten mir unzählige Fragen, so was wie: 'Haben Sie einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte?' 'Könnte das jemand aus Ihrem Umfeld gewesen sein?' 'Haben Sie mal einen Liebhaber abgewiesen?' Ich antworte brav, wunderte mich aber heftig über die Art zu fragen. 'Ich bin das Opfer, nicht die Täterin', sagte ich. Und fragte, was mein Liebesleben mit den Nazi-Schmierereien zu tun habe."

Das ist aber sehr lange her, könnte man nun einwenden. Es könnte ja sein, dass es heute keine Kriminalbeamt*innen mehr gibt, die Journalist*innen, die sich Nazis zum Feind gemacht haben, als Täter*innen sehen. Könnte sein, ja.

Einen anderen möglichen Grund für die (Nicht-)Reaktion der Behörden nennt Vice:

"Vielleicht hat man auch einfach beschlossen, dass allein der Umfang der (dritten) Liste (25.000!) darauf hindeutet, dass die 'Nordkreuz'-Leute sich ein bisschen übernommen hatten – und die reale Gefahr für all diese Menschen nicht allzu groß ist."

Vice zieht zudem in Zweifel, dass die Bundesbehörden "nur drei" Personen informiert hätten. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner, auf der die Berichterstattung basiert, gebe diese Information nicht her.

Was viele ORF-Zuschauer angeblich "überfordert"

Von einer tendenziell aufschlussreichen Programmänderungsmaßnahme beim ORF berichtet Hasnain Kazim für Spiegel Online. Ursprünglich war für den kommenden Sonntag in der Reihe "Österreich-Bild" bei ORF 2 die 26-minütige Dokumentation "Schwarz in Wien von Soliman bis Alaba" vorgesehen, gedreht vom Filmemacher Teddy Podgorski. Der Film wurde aber kurzfristig abgesetzt. Kazim schreibt:

"Podgorski, der nicht zum ersten Mal für diese Reihe arbeitet, interviewte im Juni und Juli insgesamt sechs schwarze Wienerinnen und Wiener. 'Es gibt keine kommentierende Stimme aus dem Off, keine Begleitmusik, keine Bilderstrecken, nichts. Nur die reinen Interviews, in denen diese Menschen zu Wort kommen', sagt er. 'Sie erzählen von ihrem Leben in Wien und welchem Rassismus sie ausgesetzt sind, obwohl sie schon in zweiter, dritter oder vierter Generation Wiener sind.'"

Die erste Begründung des ORF für die Absetzung lautete, der Film habe "technisch, formal und inhaltlich nicht dem beauftragten Konzept entsprochen", der "Gestalter" werde "mit einer Überarbeitung beauftragt". Inzwischen klingt es ein bisschen anders, wie Die Presse berichtet:

"Bei einem Treffen mit den Verantwortlichen der Sendung habe man ihm gesagt, dass sein Film 'ein gutes Produkt' sei, aber nicht in das Format passe, das (…) laut ORF-Beschreibung Dokumentationen umfasse, 'die die schönsten und interessantesten Seiten unserer Heimat vorstellen' und 'ein Bild der regionalen Vielfalt, der Verschiedenheit der Bundesländer' vermitteln sollen. Seine Doku - die 'einen speziellen Wiener Rassismus, der bis ins 17. Jahrhundert zurück reicht', thematisiert - würde die Sehgewohnheiten der 'Österreich-Bild'-Seher überfordern, habe der ORF Podgorski mitgeteilt."

Der ORF prüfe nun, welcher Sendeplatz sich für den Film eigne. Heißt: Der Film läuft in der gelieferten Fassung. Heißt aber auch: Beim ORF ist man der Auffassung, dass eine puristische Dokumentation, in der Menschen über ihre Erfahrungen mit Rassismus berichten, einem Teil der Zuschauer nicht zuzumuten ist.

Grausame Bilder, stumpfe Reaktionen

Der Freitag hat gerade einen bereits in der vergangenen Woche erschienen Essay Georg Seeßlens frei online gestellt, in dem der Autor beschreibt, inwiefern "ein Teil der Gesellschaft gegen Mitleidsbilder immun geworden ist" bzw. sich "unsere" Rezeption solcher Bilder im Laufe der vergangenen drei Jahre verändert hat:

"Das tote Kind am Strand wurde 2015 ein erstes (…) Ikon, das keine Vagheit mehr zulässt. Es stellte nicht mehr die Frage nach der Haltung, sondern die nach der Schuld. Wer vor einem solchen Bild keinen Affekt von Trauer und Mitleid, vielleicht auch Empörung empfindet, der hat die Grenze zur Barbarei überschritten. Tatsächlich gab es eine rechte Reaktion, die Gleichgültigkeit und sogar Freude ausdrückte."

Mit Bezug auf Berichte, die wir vor rund 14 Tagen lesen mussten (so wir denn dazu bereit waren), schreibt Seeßlen:

"Drei Jahre später entsteht ein ähnlich unerträgliches Bild, eine tote Mutter und ihr Kind auf den Planken eines von der libyischen Armee versenkten Flüchtlingsbootes, eine wie durch ein Wunder gerettete Frau, in deren Blick das ganze Entsetzen ob dieser Grausamkeit liegt. Wie fortgeschritten nicht nur die allgemeine Verrohung, sondern auch die ikonographische Abstumpfung gediehen ist, zeigt die Reaktion von Innenminister Matteo Salvini. Er erklärte prompt, das seien alles nur 'bugie', auf trumpisch 'fake news', allgemein gesprochen: Wenn wir erst einmal die Macht über die Bilder haben, brauchen wir die Macht der Bilder nicht mehr zu fürchten. Waren es vor drei Jahren noch Stimmen aus dem inakzeptabel rohen rechten Rand, die ein Mitleidsbild zum eigenen Triumph umdeuteten, so kommen entsprechende Reaktionen nun aus der Regierung und der Mitte der Gesellschaft: Kein Mitleid. Kein Erschrecken vor diesem Blick."

Generell, so Seeßlen, lasse sich sagen:

"Die Mitte der Gesellschaft, in der durch Bilder (wie einst angeblich oder tatsächlich beim Vietnamkrieg) ein Stimmungsumschwung stattfinden kann (weshalb die Nachfolgekriege auch unter einer hohen Bilderkontrolle durch das Militär und durch einen 'embedded' Journalismus stattfinden sollten), existiert in der Form einer klassischen Konsensmaschine nicht mehr. Das Grauen, das solche Bilder auslösen, wird noch übertroffen von der Erfahrung der Stumpfheit, mit der so viele auf sie reagieren."

Böse Libelle

Von Michael Hanfeld wusste man bisher nicht, dass er auch entomologisch veranlagt ist. Gewissermaßen dank Googles Plänen in China wissen wir es aber jetzt. In einen FAZ-Text zum Thema steigt er jedenfalls so ein:

"Von der Libelle kann man sich einiges abschauen. Ihr Flugverhalten ist phänomenal. Vier Flügel, jeder mit eigenem Antrieb. Libellen sind schnell, beschleunigen extrem, fliegen enge Kurven, stoppen abrupt und stehen auf der Stelle. Das fasziniert nicht nur Hubschrauberhersteller, sondern auch Entwickler, die sich mit computergestützter Überwachung beschäftigen. Ob das geheime Programm, mit dem der amerikanische Digitalkonzern Google angeblich gerade seine Rückkehr nach China vorbereitet, deshalb unter dem Codenamen 'Dragonfly' (Libelle) läuft?"

Das "angeblich" bezieht sich auf Artikel von The Intercept (Primärquelle) und der New York Times. Die NZZ berichtet:

"Heikel an dem Vorhaben ist, dass Google bei der Entwicklung der China-spezifischen Suchmaschine sich vor den Machthabern in Peking in den Staub wirft. So sollen in den Suchergebnissen nur jene Seiten präsentiert werden, die durch die chinesischen Zensoren nicht gesperrt sind. Zudem soll die Suche nach aus Sicht der Kommunistischen Partei heiklen Begriffen keine Ergebnisse liefern (…) Die empörten Reaktionen aus der westlichen Welt auf das Vorhaben des US-Konzerns liessen nicht lange auf sich warten. Patrick Poon, der für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International von Hongkong aus das Geschehen auf dem Festland verfolgt, sagte, es wäre ein schwarzer Tag für die Freiheit des Internets, wenn sich Google den extremen Vorgaben Chinas punkto Zensur fügte (…)"

Andrian Kreye kommentiert auf der SZ-Meinungsseite:

"Der Konformismus, den Google mit 'Dragonfly' beweist, steht (…) gegen die ethischen Richtlinien, mit denen Firmen aus dem Silicon Valley hausieren gehen. Sie brüsten sich ganz allgemein damit, die 'Welt zu einem besseren Ort' zu machen."

Das Verschwinden der Arbeitswelt

Wer das deutsche Fernsehen zu "einem bessern Ort machen" will - ja, das war mal wieder eine dieser besonders eleganten Überleitungen, für die das Altpapier bekannt ist -, kommt derzeit nicht vorbei an einem zwölf Druckseiten umfassenden Medienkorrespondenz-Artikel, der zahlreiche Anregungen dazu enthält, wie sich zumindest in einem Bereich, der Fiktion, Veränderungen herbeiführen ließen.

Ganz allgemein konstatieren die Autoren Norbert Schneider und Martin Wiebel:

"Die Ökonomisierung von allem und jedem hat eine Form von Rundfunk unter Druck gesetzt, die ihre Mittel gar nicht am Markt erwirtschaften muss. Sie hat alles begünstigt, was nach 'verkäuflicher' Unterhaltung aussah. Sie hat hervorgebracht, was heute allein noch zählt: die Quote."

Der Text ist - auch - ein Blick in die Vergangenheit, was auch deshalb nahe liegt, weil etwa Wiebel "von 1977 bis 1988 beim WDR als Dramaturg im Programmbereich Fernsehspiel und von 1989 bis zu seiner Pension im Jahr 1998 stellvertretender Leiter der WDR-Programmgruppe Fernsehspiel" war, wie unter dem Artikel zu lesen ist. Aber gerade jene quasi historischen Passagen sind instruktiv:

"Was (…) auffällt, ist, dass die erste Generation von 'Machern' nicht nur, bevor sie zum Fernsehspiel kam, eine eigene Berufsbiografie hatte (ähnlich wie die ersten Bonner Parlamentarier); ihr beruflicher Sitz im Leben lag zudem mitten in einem Quadrat, das vom Theater und der Literatur, vom Journalismus und dem Kino gebildet wurde. Egon Monk begann beim Theater (Assistent von Brecht am Berliner Ensemble), arbeitete als Journalist (beim RIAS) und kam dann über das Hörspiel des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zum Fernsehspiel (…) Peter Schulze-Rohr begann sein Berufsleben beim Theater, war wie Monk Regieassistent am Berliner Ensemble und war Autor, bevor er Leiter des Fernsehspiels beim Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden wurde (…) Heinz Ungureit hatte zunächst für das Feuilleton der Frankfurter Rundschau und für die Filmkritik geschrieben, bevor er nach einem Jahr bei der ARD-Filmgesellschaft Degeto 1967 zum ZDF nach Mainz kam."

Ist es heute noch vorstellbar, dass jemand von einem renommierten Theater in eine leitende Position einer öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm-Abteilung wechselt? Heute stammen die Kandidaten aus einer sehr kleinen Blase, so dass von vornherein nahezu ausgeschlossen ist, dass in der Fiction-Produktion wichtige Einflüsse aus anderen Welten zum Tragen kommen. Ebenfalls aufschlussreich:

"Der WDR hat in den 1970er Jahren mit seinem semi-dokumentarischen 'Arbeiterfilm' (mit Christian Ziewer, Rolf Schübel/Theo Gallehr, Marianne Lüdcke/Ingo Kratisch) sogar in England Eindruck gemacht (Ken Loach!). Arbeit und Arbeitsbedingungen in Nordrhein-Westfalen als Industrieland waren in den Jahren des sogenannten Strukturwandels von besonderer Wichtigkeit. Und heute? Die Zukunft der Industriearbeit, der industriellen Standorte wie der Berufsbilder vor dem Horizont von Globalisierung, Digitalisierung, Automatisierung und Künstlicher Intelligenz (KI), dargestellt aus der Sicht der Betroffenen – dies in ihren Auswirkungen festzuhalten und darzustellen, müsste ein zeitgenössisches Pflichtprogramm des WDR sein."

Nicht nur des WDR, muss man da anfügen. Die Arbeitswelt spielt im fiktionalen TV-Film schon seit langem keine Rolle mehr (obwohl man davon ausgehen darf, dass ein großer Teil des Publikums sich dafür interessiert). Verschwunden ist aus dem Fernsehfilm damit auch eine Form der im obigen Zitat zumindest skizzierten Gesellschaftskritik.

Einen praktischen Ratschlag zur Verbesserung der Qualität liefern die MK-Autoren auch. Es ließen sich doch etwa aus dem "exklusiven Material zu aktuellen Themen", das der NDR/WDR/SZ-Rechercheverbund heranschaffe, fiktionale "Stoffe entwickeln" - und auch das eine oder andere Bonmot hält der Text bereit. Bezogen auf den mangelnde Risikobereitschaft der Fiction-Redakteure schreiben Schneider/Wiebel:

"Vorsicht ist die Mutter der Langeweile."

Das dürfen sich aber auch gern alle anderen Abteilungen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu Herzen nehmen.

Altpapierkorb (Erstes Buch zum "Fall Özil", überflüssiges Lanier-Buch, fünf Jahre WaPo unter Bezos, Deutschrap-News-Kanäle, weltbester Redigierer)

+++ Wolfgang Janisch war am Donnerstag für die SZ dabei, als das Landgericht Mannheim über eine Klage auf einstweilige Verfügung verhandelte, den ein für die AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg tätiger Ex-NPD-Mann gegen einige Artikel der Wochenzeitung Kontext angestrengt hat - siehe Altpapier von Donnerstag, ein Deutschlandfunk-Interview mit dem Kontext-Anwalt sowie Ulrike Simons Medienkolumne für Spiegel Online (€). Janisch zitiert den Vorsitzenden Richter mit den Worten, dass ein „sehr langes Verfahren“ zu erwarten sei. „Beim Bundesgerichtshof wäre man mit dem Streit dann etwa im Jahr 2025 angekommen“, so Janisch. In der ersten Instanz des Eilverfahrens ist Kontext jedenfalls unterlegen. Das verkündete das Landgericht heute (siehe Mannheimer Morgen).

+++ Altpapier-Autor Christian Bartels gibt in seiner Medienkolumne für evangelisch.de einen Überblick über den bisherigen Verlauf der Özil-Debatte. Außerdem ist mittlerweile das erste Buch zum "Fall Özil" draußen - was vor allem dadurch zu erklären ist, dass Autor Dietrich Schulze-Marmeling, wie er im Interview mit n-tv.de und dem Münchener Merkur sagt, die Renaissance des antitürkischen Rassismus habe kommen sehen, nachdem Özils Nationalmannschaftskollege Ilkay Gündogan beim letzten Testspiel vor der WM in Leverkusen ausgepfiffen worden war. Disclosure: Im Verlag die Werkstatt, in dem das Buch erscheint, habe ich selbst Bücher veröffentlicht.

+++ In der neuen Ausgabe der Zeit bespricht Lars Weisbrod Jaron Laniers Buch "Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst" (siehe Altpapier). "Das Buch fasst hinlänglich bekannte Argumente noch einmal zusammen, manchmal raunend ('Man kann den Glauben an sich selbst verlieren und sich selbst verschwinden lassen. Ich nenne das Antimagie'), manchmal in nordkalifornisch verkrümmter Kindersprache: 'also gib diesem Buch eine Chance, okay?'" Peter Kusenberg (konkret, August-Ausgabe) hält aus anderen Gründen wenig von Laniers Buch.

+++ Ein Tagesspiegel/epd/dpa-Beitrag zieht eine Bilanz nach fünf Jahren Washington Post unter Jeff Bezos: "Die Technik-Abteilung des Medienhauses in der US-Hauptstadt könne mit dem Silicon Valley mithalten, sagt Bezos. Die Post-Entwicklungen, etwa zur Erfassung des Online-Leseverhaltens, gelten inzwischen als beispielgebend für die Branche, über die USA hinaus."

+++ Cem Bozdogan porträtiert für den aktuellen Freitag (derzeit nicht frei online) die Berliner Journalistin Esra Karakaya, die seit kurzem die auf YouTube zu sehende Sendung "Black Rock Talk" moderiert, in der sie "Perspektiven von Minderheiten" einen Raum geben will. Das heißt, hier kommen jene zu Wort, die in herkömmlichen Talkshows äußerst selten zu Wort kommen.

+++ "Deutschrap ist so Mainstream, er hat mittlerweile seine eigenen Klatschmagazine" bzw. "News-Kanäle" - Lisa Ludwig stellt einige davon bei Vice vor.

+++ Dem am Dienstag (siehe Altpapier) verstorbenen Kurt Scheel, der drei Jahrzehnte lang hauptverantwortlicher Redakteur des Merkur war, rufen die SZ und die FAZ nach: "Scheel, der schon einmal den Lesern einer Filmbesprechung eröffnete, sie könnten nie seine Freunde werden, falls sie Michael Moore mögen sollten" (Patrick Bahners, FAZ-Feuilleton, nicht frei online) war - und hiermit übergeben wir an Willi Winkler (SZ) - "ein Autor, der fast nichts schrieb und es doch besser konnte als fast alle anderen. Das ist die Berufskrankheit aller Lektoren und Redakteure, die jeden Tag den Schrott, den andere bedenken- und gedankenlos abliefern, so lange streicheln und striegeln müssen, bis ein annehmbarer, ein lesbarer Text daraus wird. Scheel war ein Meister in dieser undankbaren Kunst und bezeichnete sich ungewohnt bescheiden, aber völlig zu Recht als 'weltbesten Redigierer.'"

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.