Öffentlich-rechtlicher RundfunkWas macht der Zukunftsrat?
Die Medienpolitik will sich von einem sogenannten "Zukunftsrat" bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beraten lassen. Das Anfang März berufene Expertengremium besteht aus acht Mitgliedern und soll im Herbst einen Bericht vorlegen. Ziel ist es, eine "langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Akzeptanz" auch über das Jahr 2030 hinaus zu entwickeln.
Leitfragen sind dabei, wie möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen mit attraktiven, vielfältigen und qualitativ hochwertigen Inhalten erreicht werden können sowie sich künftig "regionale Vielfalt" in einer digitalisierten Medienwelt abbilden lässt. Der Zukunftsrat soll auch Empfehlungen abgeben, wie die Öffentlich-Rechtlichen strukturell und organisatorisch aufzustellen sind, um sowohl besser auf die sich verändernde Mediennutzung als auch auf die Veränderungen im globalisierten und digitalen Medienmarkt zu reagieren. Außerdem soll das Gremium grundsätzliche Richtwerte und Mechanismen für Aufsichts- und Kontrollstrukturen erarbeiten, die zu einer Stabilisierung der Ausgaben von ARD, ZDF und Deutschlandradio beitragen.
Länder als Auftraggeber
Der Zukunftsrat wurde von der Rundfunkkommission der Länder berufen. Die Bundesländer sind im Rahmen der "Kulturhoheit" für die Medienpolitik in Deutschland zuständig. Bei der Besetzung gab es zunächst allerdings erstmal politischen Zoff. Die SPD-geführten Länder, sogenannte "A-Länder", und die Unions-geführten "B-Länder" durften jeweils vier Kandidatinnen und Kandidaten benennen. Aus Sachsen kam dabei der Vorschlag, den ehemaligen sächsischen Staatskanzleichef und Medienminister Johannes Beermann (CDU) zu reaktivieren. Dies erwies sich bei den A-Ländern allerdings als nicht durchsetzbar.
Rat ist politisch unabhängig
Auch die von Unionsseite angefragte ehemalige RTL-Chefin Anke Schäferkordt sagte ab, was die Einsetzung des Gremiums weiter verzögerte und für Kritik an der politischen Strippenzieherei im Hintergrund sorgte - schließlich sollte es um ein ausdrücklich nicht politisch konstruiertes, unabhängiges Expertengremium gehen. Das bekräftigte am Ende auch nochmal die Koordinatorin der Rundfunkkommission, die rheinland-pfälzische Medienstaatsekretärin Heike Raab (SPD). Es handle sich ausdrücklich "nicht um parteipolitische Vorschläge", wie Raab im März bei einer Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzing erklärte, "hier haben alle 16 Länder mitgewirkt".
Die Bundesländer tragen auch die Kosten für das Gremium und dessen Geschäftsstelle.
Mitglieder des Gremiums sind nun der Medienrechtler Prof. Dr. Mark D. Cole (Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Europäisches Medienrecht), die frühere Zeit-Online-Chefredakteurin und Publix-Gründungsintendantin Maria Exner, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Peter M. Huber, die frühere Gruner+Jahr-Verlagschefin Julia Jäkel, die Urheberrechtlerin Prof. Dr. Nadine Klass von der Universität Mannheim, die Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen München und ehemalige BR-Fernsehdirektorin Prof. Bettina Reitz, die Journalistikprofessorin Dr. Annika Sehl (Universität Eichstätt) sowie der Publizist und frühere Generaldirektor des Schweizer öffentlich-rechtlichen Rundfunks SRG, Roger de Weck.
Gniffke: "Blick von außen hilft"
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke nannte den Zukunftsrat in Tutzing einen "wichtigen Schritt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Er erhoffe sich, "dass der Blick von außen hilft, Veränderungsprozesse konstruktiv zu gestalten". Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA) sprach dagegen von einer "verpassten Chance", da im Zukunftsrat keine Programmmacherinnen und Programmmacher und damit "niemand aus dem 'Maschinenraum' der Anstalten" vertreten sei.
Das Gremium soll im Herbst einen Bericht mit Reformempfehlungen vorlegen. Die Erwartungen sind dabei hoch gesteckt. Schließlich hat eben erst die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) die Forderung der Länder nach konsequenten Reformen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekräftigt: "Die Länder erwarten, dass die Anstalten die Herausforderungen des Reformstaus annehmen und die Möglichkeiten der Flexibilisierung nutzen, um die Angebote digitaler zu machen und gleichzeitig auch wirtschaftlich effizienter zu arbeiten", sagte Dreyer anlässlich der KEF-Bedarfsanmeldung von ARD, ZDF und Deutschlandradio Ende April.
Erinnerung an Weizsäcker-Kommission 1994
Mit dem Zukunftsrat betritt die Medienpolitik Neuland. Zuletzt hatte in den 1990er Jahren der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine ähnliche Kommission eingesetzt, die einen "Bericht zur Lage des Fernsehens" vorlegen sollte. Damals waren allerdings nicht Strukturfragen oder die Reform des öffentlich-rechtlichen Systems Thema. Rund zehn Jahre nach der Einführung des Privatfernsehens in Westdeutschland ging es um den Wettbewerb von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern und um die erbittert geführte Debatte über Gewaltdarstellungen im TV-Programm. Weizsäcker regte im Anschluss die Bildung eines "Medienrats" auf Bundesebene an. Dieser sollte eine dauerhafte Begleitung der Medienpolitik leisten. Dabei schwebte ihm eine Selbstkontrolle nach dem Vorbild der damaligen öffentlichen "Broadcasting Standards Commission" in Großbritannien vor, das Gutachten erstellt und Zuschauerbeschwerden nachgeht. Auch eine "Stiftung Medientest" nach dem Vorbild der "Stiftung Warentest" war im Gespräch. Aus beiden Vorhaben wurde am Ende aber nichts.