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Frauen bilden die größte Gruppe der Opfer von häuslicher Gewalt. (Symbolfoto) Bildrechte: picture alliance / dpa | Peter Steffen

Hohe DunkelzifferBundesländer melden starken Anstieg bei häuslicher Gewalt

18. Juni 2023, 18:15 Uhr

Die Landeskriminalämter haben im vergangenen Jahr fast 180.000 Fälle von häuslicher Gewalt registriert, ein Anstieg von beinahe zehn Prozent. Im Vergleich der Bundesländer verzeichnete das Saarland den höchsten Zuwachs an Taten, gefolgt von Thüringen.

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat einem Bericht zufolge im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf die Innenministerien und Landeskriminalämter der 16 Bundesländer berichtete, wurden bundesweit 179.179 Opfer polizeilich registriert. Das entspricht demnach einem Anstieg von 9,3 Prozent gegenüber dem Pandemie-Jahr 2021.

Als Täter werden dem Bericht zufolge Partner, Ex-Partner und Familienangehörige erfasst. Zwei Drittel der Opfer sind Frauen. Die Dunkelziffer ist hoch, weil sich viele nicht trauen, Anzeige zu erstatten.

Thüringen verzeichnet zweitstärkste Zunahme

Beim Vergleich der Bundesländer verzeichnet das Saarland dem Bericht zufolge mit 19,7 Prozent den stärksten Zuwachs. Dahinter kommt Thüringen mit einer Zunahme von 3.812 Opfern, das ist ein Plus von 18,1 Prozent. Insgesamt melden demnach 15 Bundesländer deutlich mehr Opfer. Nur Bremen meldet einen Rückgang von 13,6 Prozent, 2.615 Opfer.

Häusliche Gewalt geschehe oftmals im verdeckten, im privaten Bereich, sagte Familienministerin Lisa Paus der "Welt am Sonntag". Scham- und Schuldgefühle der Betroffenen führten häufig dazu, dass die Taten im Dunkeln blieben und nur selten polizeilich angezeigt würden. "Dieses Dunkelfeld ist ungleich größer als das Hellfeld." Sie plant auch eine staatliche Koordinierungsstelle, die häusliche Gewalt ressortübergreifend bekämpfen soll.

Faeser: mehr Nachkontrollen durch Polizei

Bundesinnenministerin Nancy Faeser fordert mehr Kontrollen der Polizei, wenn sie Täter nach gewaltsamen Übergriffen aus der Wohnung verwiesen hat. "Das muss konsequent kontrolliert werden, damit Täter nicht schnell wieder zurückkehren", sagte die SPD-Politikerin. Denn häusliche Gewalt sei keine Privatsache, sondern ein gravierendes gesellschaftliches Problem. Gewalt fange nicht erst mit Schlägen oder Misshandlungen an: Es gehe auch um Stalking und Psychoterror.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, macht Nachwirkungen der Corona-Pandemie für den Anstieg der Gewalt verantwortlich. Die angespannte Lebenssituation der Corona-Jahre zeige sich in erhöhter familiärer Gewaltbereitschaft, sagte sie der Zeitung.

Die Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie, Maria Loheide, kann sich außerdem vorstellen, dass das Bewusstsein für häusliche Gewalt gestiegen ist. Frauen würden nach den "unsicheren Jahren der Pandemie" eher Fälle von Gewalt anzeigen, sagte sie der Zeitung.

Dunkelfeldstudie soll folgen

Die Daten der Länder fließen laut "Welt am Sonntag" in ein Lagebild ein, das vom Bundeskriminalamt erstmals erstellt wird und am 3. Juli von dessen Präsident Holger Münch, Faeser und Paus in Berlin vorgestellt wird. Zudem lassen sie derzeit eine große sogenannte Dunkelfeldstudie erstellen. Dazu zählen Straftaten, die den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt sind.

AFP (amu)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 18. Juni 2023 | 09:00 Uhr