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Bildrechte: IMAGO / Andreas Franke

AkzeptanzSo fließt mit Windkraft und Solaranlagen Geld in die Kommunen

11. Mai 2024, 14:53 Uhr

Windkraft und größere Solarparks sorgen immer wieder für Konflikte. Dabei steht der ganz große Ausbau erst bevor. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen planen nun eine verpflichtende Abgabe an Kommunen – für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung.

Wenn im Juni in der Gemeinde Kriebstein über einen Solarpark abgestimmt wird, dann geht es auch ums Geld: Rund 100.000 Euro, so rechnet es Kriebsteins Bürgermeisterin Maria Euchler (Freie Wähler) vor, sollen dann jedes Jahr in die Gemeindekasse fließen – eine willkommene Einnahmequelle für die Kommune im Landkreis Mittelsachsen. "Das ist einfach eine Möglichkeit oder ein Baustein, den Gemeindehaushalt auf sichere Beine zu stellen für die nächsten Jahre", sagt Euchler. "Und das wäre eine konstante Einnahmequelle." 

Der Solarpark ist ein möglicher Baustein, den Gemeindehaushalt auf sichere Beine zu stellen für die nächsten Jahre.

Maria Euchler | Bürgermeisterin von Kriebstein

Mit dem Geld sollen vor allem Bürgerprojekte gefördert werden, sagt Euchler. Etwa ein Dorfgemeinschaftsplatz, Bürgerhäuser oder andere Projekte auf freiwilliger Basis. Wichtig sei, dass das Leben auf dem Land attraktiv bleibe, sagt die Bürgermeisterin. 

Kriebstein: Bürgerentscheid über Solarpark  

Die Gemeinde könnte mit den Einnahmen aus dem Solarpark also einiges machen, dennoch gibt es Gegner, die gegen die Anlage mobilgemacht haben. Am 9. Juni kommt es nun zum Bürgerentscheid. Der Ausgang ist völlig offen, auch Bürgermeisterin Euchler will keine Prognose abgeben. 

Kriebsteins Bürgermeisterin Maria Euchler Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Sie selbst ist eine klare Befürworterin des Solarparks. Obwohl, das sagt sie über sich selbst, sie gar nicht unbedingt eine Befürworterin von Erneuerbaren Energien sei, doch der geplante Solarpark sei eben das kleinere Übel. Kriebstein liegt im Landkreis Mittelsachsen und ist sehr ländlich geprägt. "Wir sind eine Gemeinde, die aus drei Standbeinen besteht und das sind Industrie, Landwirtschaft und Tourismus. Und irgendwo muss es im Einklang sein", sagt Euchler. 

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Wepa will Werk mit Solarstrom versorgen 

Für die Industrie steht vor allem ein Werk des Unternehmens Wepa am Fluss Zschopau, in dem Kosmetik- und Taschentücher hergestellt werden. Das Werk – in dem rund 250 Menschen arbeiten – hat einen hohen Energiebedarf, den es künftig auch durch den Solarpark decken will. Wepa ist bald wohl alleiniger Investor des geplanten Solarparks, übernimmt diese Rolle von der norwegischen Firma Statkraft, die die Idee des Parks bisher entwickelt hat. 

Die rund 100.000 Euro, die laut Bürgermeisterin jedes Jahr in die Gemeindekasse von Kriebstein fließen würden, ergeben sich aus zwei Einnahmequellen: Der Gewerbesteuer und einer freiwilligen Abgabe des Betreibers in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugtem Strom. Sie liegt genau in der Höhe, in der wohl bald alle Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen Abgaben an die Kommunen zahlen müssen.  

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen verpflichtende Abgaben 

Die Energiewende ist im vollen Gange – vor allem der Ausbau von großen Freiflächen-Solaranlagen beschleunigt sich gerade massiv. Und auch das Tempo bei Windkraftanlagen hat wieder zugenommen. Doch bisher gab es ein großes Problem: Windkraftanlagen und Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen entstehen überwiegend in ländlichen Gebieten – obwohl der Strom vor allem in den städtischen Ballungsgebieten verbraucht wird. Profitiert haben die Kommunen von den Anlagen aber bisher wenig. Denn es galt: Kommunen können Geld vom Betreiber erhalten – wie im Fall der geplanten Anlage in Kriebstein. Verpflichtet sind die Betreiber dazu aber nicht. 

Das soll sich nun ändern: Sachsen und Sachsen-Anhalt planen Gesetze, mit denen Kommunen künftig finanziell an neuen Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen beteiligt werden sollen. In Thüringen ist eine entsprechende Beteiligung bisher nur für Windkraftanlagen vorgesehen. 

Sachsen will Beteiligungsgesetz im Juni verabschieden 

Gerd Lippold, Staatssekretär im sächsischen Umweltministerium Bildrechte: Grüne Fraktion Sachsen / Elenor Breusing

Gerd Lippold, Staatssekretär im grün-geführten sächsischen Umweltministerium, sagte MDR AKTUELL, dass ein entsprechendes Gesetz noch in diesem Sommer verabschiedet werden solle. Es steht zwar so nicht im Koalitionsvertrag. "Wir machen es dennoch, weil wir uns in der Koalition geeinigt haben, dass Sachsen hier vorwärts kommen muss beim Ausbau erneuerbarer Energien. Dass wir sauberen und CO2-neutralen Strom brauchen für den Wirtschaftsstandort Sachsen und dass wir hier alle Register ziehen müssen, um vorwärts zu kommen."  

Wir müssen in Sachsen vorwärts kommen beim Ausbau erneuerbarer Energien.

Gerd Lippold | Staatssekretär im sächsischen Umweltministerium

Es sei aber nicht so, sagte Lippold weiter, dass man hier Akzeptanz kaufe. Stattdessen baue man ein Gerechtigkeitsdefizit ab. "Und da sind wir uns ganz sicher, dass das Akzeptanz fördernd wirkt", so Lippold. 

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Thüringen: Geld nur bei Windkraftanlagen 

In Thüringen sind Regierungsparteien und CDU eigentlich schon einen Schritt weiter. Ein entsprechendes Gesetz sollte Ende April vom Landtag verabschiedet werden. Allerdings wurde die Verabschiedung wegen Bedenken der CDU noch einmal verschoben, gestrichen wurde eine direkte Beteiligung von Bürgern, die nahe an einem Windrad wohnen. Nun soll das Gesetz ebenfalls im Juni verabschiedet werden.

Generell geht es bei den finanziellen Beteiligungen nur um neue Anlagen sowie um alte Anlagen, die neu ausgerüstet werden. Kommunen, in denen in den vergangenen Jahren bereits Anlagen gebaut wurden, gehen also erst einmal leer aus.  

Sachsen-Anhalt rechnet mit vier Millionen Euro jährlich aus Windkraftanlagen

In Sachsen sollen pro erzeugter Kilowattstunde Strom 0,2 Cent an die Kommunen fließen. Laut Staatssekretär Lippold sind das pro Windkraftrad rund 30.000 Euro pro Jahr. Das Geld geht anteilig an die Kommunen – je nach Entfernung zur Anlage.  

In Sachsen-Anhalt gibt es schon einen Gesetzesentwurf, der allerdings noch vom Landtag beschlossen werden muss. Dieser sieht vor, dass Betreiber neuer Windkraftanlagen sechs Euro je Kilowatt Nennleistung an Kommunen zahlen müssen. Für neue Photovoltaik-Freiflächenanlagen werden drei Euro je Kilowatt Nennleistung fällig. Insgesamt rechnet das Energieministerium in Magdeburg ab 2027 mit rund vier Millionen Euro jährlich aus Windkraftanlagen, die insgesamt an die Kommunen ausgeschüttet werden würden. Das hängt allerdings davon ab, wie viele Anlagen bis dahin wirklich aufgebaut werden.  

Hoffen auf höhere Akzeptanz 

Grundlage für die Landesgesetze ist die Bundesgesetzgebung aus dem vergangenen Jahr. Mit dem Geld für die Kommunen, so ist zumindest die Hoffnung, könnte sich künftig auch die Akzeptanz für Windkraftanlagen und große Solarfelder erhöhen. Denn derzeit stoßen vor allem Windräder in vielen Regionen auf Skepsis oder sogar Ablehnung. Teilweise kam es sogar zu Protest gegen neue Anlagen.  

Das könnte auch damit zu tun haben, dass bisher kaum Geld bei den Kommunen hängen geblieben ist. Mit den geplanten verpflichtenden Abgaben würde sich das ändern.

Bürgerentscheid in Kriebstein 

Allerdings: Finanzielle Beteiligung für die Kommunen scheint nicht die alleinige Lösung zu sein, um die Akzeptanz für große Erneuerbare-Energie-Anlagen zu erhöhen. Denn in Kriebstein haben Gegner der Solaranlage dennoch einen Bürgerentscheid initiiert. Parallel zur Europa- und Kommunalwahl soll abgestimmt werden.  

Auch in Neukieritzsch im Landkreis Leipzig hatte es kürzlich einen Bürgerentscheid über zwei Energie-Projekte gegeben: einen 85 Hektar großen Solarpark sowie einen weiteren Energiepark mit Wasserstoffproduktion und Batteriespeicher. Die Gegner der Vorhaben konnten sich beim Entscheid allerdings nicht durchsetzen – nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten stimmten überhaupt ab. Das Votum ist damit trotz knapper Mehrheit der Energiepark-Gegner nicht bindend für den Gemeinderat. Die Solarfelder können also gebaut werden.

Wie es in Kriebstein ausgeht und ob künftig zusätzliches Geld in die Gemeinde fließt, wird sich erst Anfang Juni zeigen. Schon im Vorfeld hat der Betreiber jedenfalls seine Pläne in Absprache mit den Menschen vor Ort angepasst: Die geplante Fläche von ursprünglich 45 Hektar wurde auf knapp 34 Hektar verkleinert.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 11. Mai 2024 | 06:06 Uhr