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Seit 2020 gilt in Deutschland die Masernimpfpflicht für Kinder und Menschen, die andere betreuen und pflegen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Impfpflicht in Kitas und PflegeMasern-Fallzahlen steigen – warum es trotzdem kaum Bußgelder für Impfverweigerer gibt

20. Februar 2024, 19:18 Uhr

Seit 2020 gilt in Deutschland eine Masernimpfpflicht. Durchgesetzt wird sie von den Gesundheitsämtern. In Mitteldeutschland gibt es zwar Ungeimpfte und Impfverweigerer, aber Bußgelder werden kaum verhängt.

Seit 2020 gilt in Deutschland die Masernimpfpflicht für Kinder und Menschen, die andere betreuen und pflegen. Damit müssen Kinder und Beschäftigte in Schulen und Kitas, aber auch in Flüchtlingsunterkünften, Arztpraxen und Krankenhäusern nachweisen, dass sie gegen die Infektionskrankheit geimpft sind.

Denn Masern sind keine harmlose "Kinderkrankheit", sondern eine ernste Erkrankung, die mit Lungen- und Hirnentzündung einhergehen kann. Und eine hochinfektiöse Viruskrankheit: "Wenn jemand, der Masern hat, im Wartezimmer gesessen hat, kann eine Person, die zwei Stunden danach in diesem Raum sitzt, sich immer noch anstecken", erklärt Dr. Christine Gröger. Sie ist die Leiterin des Gesundheitsamts in Halle.

Es ist sogar möglich, dass auch Jahre nach einer durchgemachten Maserninfektion eine nicht heilbare Hirnerkrankung (Subakute Sklerosierende Pan-Enzephalitis) ausbricht. Diese Krankheit verläuft immer tödlich.

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Gesundheitsämter sollen Gesetz durchsetzen

Aber wie wird die Pflicht umgesetzt? Die Durchsetzung des Gesetzes liegt bei den Behörden der Landkreise und Städte, konkret bei den Gesundheitsämtern. Das Missachten der Impfpflicht wird damit zu einem Verwaltungsakt. Wer gemeldet wird, von einer Einrichtung beispielsweise, kann vom zuständigen Gesundheitsamt angeschrieben und vorgeladen werden.

Aber auch Bußgelder bis zu 2.500 Euro können fällig werden, wenn Eltern oder Menschen, die andere betreuen oder pflegen, sich nicht an die Impfpflicht halten. Eine Abfrage bei vier mitteldeutschen Städten (Chemnitz, Halle, Magdeburg, Erfurt) und einem Landkreis (Nordsachsen) aus Mitteldeutschland ergab, dass dort im vergangenen Jahr zwar festgestellt wurde, dass es Impfversäumnisse in der Bevölkerung gibt, aber kaum Bußgelder verhängt wurden.

Schulpflicht vs. ImpfpflichtSchulkinder, die keinen Masernimpfschutz vorweisen können, dürfen und müssen trotzdem in die Schule gehen. Die Schulpflicht wiegt schwerer als die Impfpflicht. Allerdings müssen Schulen diese Fälle dem zuständigen Gesundheitsamt melden.

Beratung statt Bußgeld

In Erfurt, Halle und Magdeburg wurden im vergangenen Jahr keine Strafen in Form von Bußgeldern verhängt. Der Leiter des Magdeburger Gesundheitsamts, Dr. Eike Hennig, bezweifelt die Durchsetzungskraft des Gesetzes mit solchen Strafen auch: "Eltern, die ihr Kind unter keinen Umständen impfen lassen wollen, werden das auch nicht tun, wenn wir ein Bußgeld verhängen. Wir müssen uns auf die Eltern konzentrieren, die sich unsicher sind und beraten werden möchten", sagt er im Gespräch mit MDR AKTUELL.

Die Umsetzung der Masernimpfpflicht bündele einiges an Kraft und Potenzial in den Gesundheitsämtern und sorge mitunter für Frustration. Der Fall eines ungeimpften Kindes beschäftige seine Behörde seit über zwei Jahren: "Der Fall füllt mittlerweile drei dicke Aktenordner. Und es gibt kein Urteil."

Keine Bußgelder in Nordsachsen

Im Landkreis Nordsachsen mit rund 200.000 Einwohnern wurden 129 Personen gemeldet, die der Masernimpfpflicht nicht nachgekommen waren. Zur Schulaufnahmeuntersuchung im Schuljahr 2022/23 lagen von 1.625 Kindern die Impfausweise vor, davon hatten zehn keine Masernimpfung. Bußgelder wurden auch hier keine verhängt.

Die Anzahl vollständig geimpfter Kinder gegen Mumps, Masern, Röteln, Windpocken und Meningokokken B habe aber in den zurückliegenden Jahren im Landkreis Nordsachsen zugenommen. Die Zahl unvollständig geimpfter Kinder ist hingegen bei Diphterie, Tetanus und Keuchhusten von 3,1 auf 4,5 Prozent im Vergleich der Schuljahre 2019/20 und 2022/23 leicht angestiegen.

Im Jahr 2023 wurden 140 Schulkinder ohne Masern-Immunitätsnachweis ans Gesundheitsamt in Chemnitz in Sachsen gemeldet. Davon konnten 102 Fälle abgeschlossen werden, 38 Fälle befinden sich in Bearbeitung. Zudem wurden 2023 dem Gesundheitsamt 50 Kita-Kinder ohne Masern-Immunitätsnachweis gemeldet, davon befinden sich noch elf Fälle in Bearbeitung. Im Jahr 2023 wurden in Chemnitz insgesamt 42 Bußgelder gegen Eltern verhängt.

Impfung als effektiver Schutz für alle

Im Gesundheitsamt in Halle wird innerhalb von Prävention und Impfberatungen über den Status der Masernimpfung gesprochen: "Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, haben sicher ihre Gründe. Allerdings gibt es Menschen, die sich nicht impfen lassen können, die nur mit einer Durchimpfungsrate von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geschützt werden."

Und gerade die müssten geschützt werden, sagt die Leiterin der Behörde, Dr. Christine Gröger. Oft hätten diese Menschen einen Immundefekt und seien damit der realen Gefahr von komplizierten Krankheitsverläufen ausgesetzt.

Ich appelliere an alle, den Masernimpfstatus zu überprüfen.

Dr. Christine Gröger, Leiterin Gesundheitsamt Halle

In Halle sind bei knapp 240.000 Einwohnern gerade 253 Verwaltungsverfahren (im Status der Anhörung) wegen des Masernschutzgesetzes anhängig. Bußgelder wurden in Halle seit 2020 keine verhängt. Das sei unter anderem darin begründet, dass die Durchsetzung des Gesetzes wegen Corona bis zum 31. Juli 2022 ausgesetzt wurde und "die Umsetzung des Gesetzes strengen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen folgen muss", sagt Gröger.

In Halle liegt die Masernimpfquote bei Einschülern bei 93 bis 94 Prozent. Das sei dicht an der 95er-Marke dran, reiche aber nicht aus, wie ein Masern-Ausbruch im vergangenen Sommer zeigt: "Die Impfung ist der effektivste Schutz gegen Masern. Es bedarf hier aber der Mithilfe aller", bilanziert Gröger und fügt an: "Ich appelliere deshalb an alle, zum Eigenschutz, aber auch zum Schutz von anderen, den Masernimpfstatus zu überprüfen und die erforderlichen Impfungen zu veranlassen."

MasernimpfpflichtZwischen Januar und Oktober 2023 seien 30 Mal so viele Masernfälle in Europa registriert worden wie im ganzen Jahr davor, meldete das europäische Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In diesem Zeitraum seien aus 40 der 54 Mitgliedsstaaten der Europa-Region, die sich bis Zentralasien erstreckt, über 30.000 Fälle gemeldet worden.

Auch in Deutschland traten in der Vergangenheit immer wieder Masernausbrüche auf. Vor allem vor der Corona-Pandemie gab es Jahreswerte mit mehreren Hundert Fällen. Seit dem 1. März 2020 gilt deshalb die Masernimpfpflicht. Das Gesetz soll den Schutz vor Masern in Kindergärten, Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen sowie in medizinischen Einrichtungen fördern.

Dieses Thema im Programm:Das Erste | BRISANT | 19. Februar 2024 | 17:15 Uhr

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