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Fragen und AntwortenKinderzuschlag: Gut gemeint, wenig abgerufen

17. November 2022, 15:51 Uhr

Menschen, die wenig verdienen und Kinder haben, kommen finanziell derzeit schnell an ihre Grenzen. Der Staat versucht gegenzusteuern und Unterstützung zu gewähren. Doch eine Leistung wird kaum abgerufen, obwohl sie rund 100.000 weiteren Kindern nutzen könnte: der Kinderzuschlag. Was die Leistung beinhaltet und wie das Geld beantragt werden kann, lesen Sie hier.

Was ist der Kinderzuschlag?

Der Kinderzuschlag wurde 2005 im Zuge der Hartz-IV-Reform für Berufstätige mit geringem Einkommen eingeführt. Der Grundgedanke der Leistung: Es sollen diejenigen Eltern unterstützt werden, die genug für sich selbst, aber nicht ausreichend für ihre Kinder verdienen. Außerdem wollte der Gesetzgeber einen zusätzlichen Anreiz dafür schaffen, eine Arbeit aufzunehmen.

Heute beträgt der Kinderzuschlag maximal 229 Euro monatlich pro Kind. Zum 1. Januar 2023 soll er auf 250 Euro steigen und nach den Vorstellungen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus automatisch mit der Kindergrundsicherung ausgezahlt werden. Allerdings erhalten nicht alle berechtigten Familien diesen Höchstwert: Liegt das Einkommen der Eltern über dem in Sozialgesetzbuch II definierten Regelbedarf, wird der Zuschlag entsprechend gekürzt. Die genaue Berechnung ist kompliziert, eine Beispielrechnung bietet das Portal Finanztip.

Wer ist berechtigt, den Kinderzuschlag zu beziehen?

Im vergangenen Jahr zahlte der Staat nach Angaben der Familienkasse rund 1,3 Milliarden Euro an 300.000 bedürftige Familien. 730.000 Kindern kam die Unterstützung zugute. Familien müssen dabei eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, um Anspruch auf den Kinderzuschlag zu haben:

  • Die Kinder müssen unter 25 Jahre alt und unverheiratet sein sowie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.
  • Es muss Anspruch auf Kindergeld bestehen.
  • Eltern müssen mindestens 900 Euro, Alleinerziehende mindestens 600 Euro verdienen und dürfen kein Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld beziehen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird im letzten Schritt der Prüfung das Einkommen der Eltern und mögliches Einkommen der Kinder mit den Wohnkosten verrechnet. Die Bundesagentur für Arbeit bietet auf ihrer Website ein einfaches Tool an, das in vier Schritten berechnet, ob man für den Kinderzuschlag infrage kommt: den KiZ-Lotsen.

Auch höhere Heizkosten können dazu führen, dass eine Familie in die Berechtigung für den Kinderzuschlag rutscht. Eine Familie mit drei Kindern mit einem Bruttoeinkommen von 4.800 Euro und einer Warmmiete von 990 Euro etwa wäre noch im vergangenen Sommer knapp nicht anspruchsberechtigt gewesen. Erhöht sich nun die Warmmiete im Winter durch die gestiegenen Heizkosten etwa auf 1.290 Euro, hätte die Familie ab sofort Anspruch auf den Kinderzuschlag, erklärte der Chef der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit, Karsten Bunk, im Interview mit der "Welt".

Warum wird der Kinderzuschlag oft nicht abgerufen?

Mathias Ringler, Finanzexperte bei der Familienkasse der Arbeitsagentur, geht im Gespräch mit MDR AKTUELL von zwei Faktoren aus: Unwissen darüber, dass der Kinderzuschlag existiert, und Probleme bei der oft bürokratischen Antragstellung. In der Pandemie habe man mit dem Notfall-Kinderzuschlag die Erfahrung gemacht, dass es auch unkomplizierter gehe. Letztlich setze man aber nur Vorgaben des Gesetzgebers um.

Hinzu kommt laut Ringler, dass es vielen Familien unangenehm ist, genaue Auskünfte über die eigene finanzielle Situation zu geben. Da müsse man dazwischenfunken, so Ringler: "Viele wissen nicht, dass sie ab dem ersten Euro Kinderzuschlag Zugang zu einer möglichen Befreiung von Kita-Gebühren hätten, aber auch Kostenerstattungen wie beispielsweise vom Mittagessen in Kitas und Schulen, Schulbedarfspakete und ähnliches."

Wie beantrage ich den Kinderzuschlag?

Familien können das Antragsfomular über ein Online-Portal der Bundesagentur für Arbeit ausfüllen. Der Antrag muss anschließend aber ausgedruckt oder an die eigene Adresse versandt und anschließend unterschrieben per Post an die Familienkasse gesendet werden.

Der Antrag muss alle sechs Monate erneuert werden. Haben sich in diesen sechs Monaten aber keine wesentliche Änderungen – etwa bei Einkommen, Vermögen oder Wohnkosten – ergeben, kann auch ein nur einseitiger Kurzantrag gestellt werden. Alle zwölf Monate müssen Familien aber einen vollständigen Antrag stellen.

Dass die bürokratischen Hürden abschreckend seien, sieht auch Finanzexperte Mathias Ringler so. Im Gespräch mit MDR AKTUELL sagt Ringler, man könne sich als Familienkasse derzeit "nur um die digitalen Möglichkeiten bemühen, um es ein bisschen zu vereinfachen". Er spricht sich dafür aus, dass das während der Corona-Pandemie eingeführte vereinfachte Antragsprozedere beibehalten wird. Noch bis Ende des Jahres, also 31.12.2022, gilt noch eine abgespeckte Regelung, nach der Eltern keine Angaben zum Vermögen machen müssen, wenn sie kein herbliches Vermögen haben.

jan, cvt (mit KNA, epd)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. November 2022 | 16:18 Uhr