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Die AOK hat im ersten Halbjahr 2022 bereits 130 Millionen Euro private Pflegeheimkosten in Mitteldeutschland bezuschusst. Bildrechte: IMAGO/photothek

Bilanz nach sechs MonatenAOK: Mehr als 130 Millionen Euro für private Heimkosten ausgezahlt

02. August 2022, 08:25 Uhr

Seit Anfang des Jahres zahlen die Pflegekassen Bewohnern von Pflegeheimen einen Zuschlag zu den Pflegekosten. Er soll die Kostensteigerungen für die Pflegekosten abmildern. Allein die AOK hat dafür in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mehr als 130 Millionen Euro ausgegeben.

Die Pflegekassen der AOK in Mitteldeutschland haben seit Januar bereits mehr als 130 Millionen Euro zusätzlich an Bewohner von Pflegeheimen und deren Angehörige ausgezahlt. Das Geld floss für den zu Beginn des Jahres neu eingeführten sogenannten Leistungszuschuss in der Pflege. Das geht aus Antworten einer MDR-Anfrage bei der AOK Plus für Sachsen und Thüringen sowie der AOK Sachsen-Anhalt hervor. Demnach haben monatlich insgesamt gut 62.000 Menschen den Zuschlag erhalten.

Der Leistungszuschuss wird Pflegeheimbewohnern seit Januar 2022 gewährt. Er soll die laufende Kostensteigerung bei dem Anteil abmildern, den Pflegebedürftige in Heimen selbst für Pflege, Unterkunft und Investitionskosten zahlen müssen.

LeistungszuschussZur Entlastung zu Pflegender in vollstationärer Pflege wird seit dem 1. Januar 22 ein Leistungszuschlag gezahlt:
- während der ersten 12 Monaten fünf Prozent
- nach den ersten 12 Monaten 25 Prozent
- nach 24 Monaten 45 Prozent
- nach 36 Monaten 70 ProzentBundesgesundheitsministerium; SGB XI, § 43c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen

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Rund 97 Millionen Euro bei der AOK Plus

In Sachsen und Thüringen sind laut der Krankenkasse bis Ende Juni circa 97,3 Millionen Euro Leistungszuschuss geflossen. "Im monatlichen Durchschnitt des 1. Halbjahres 2022 hat die Pflegekasse für 45.750 Pflegebedürftige den Leistungszuschlag gezahlt", teilte eine Sprecherin mit. Der durchschnittliche Zuschlag betrage 44 Euro im Pflegegrad 2, 220 Euro im Pflegegrad 3, 395 Euro im Pflegegrad 4 und 614 Euro im Pflegegrad 5, wobei diese Zuschläge mit der Dauer des Heimaufenthaltes steigen.

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Durchschnittliche Kosten nach Abzug des LeistungszuschlagesSachsen:
durchschnittlich 1.927 Euro pro Monat, 99 Euro mehr als noch im Januar

Sachsen-Anhalt:
durchschnittlich 1.662 Euro, 108 Euro mehr als zum 1. Januar

Thüringen:
1.857 Euro, 85 Euro mehr als zum 1. Januarvdek Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Rund 34 Millionen Euro in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt summierten sich die Zuschläge bis Ende Juni auf rund 34 Millionen Euro. "Pro Monat zahlt die Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt damit zwischen fünf und sechs Millionen Euro an Zuschüssen aus", sagte ein Sprecher dem MDR. Monatlich profitierten etwa 16.000 Menschen.

Allein die AOK Plus erwartet bis Ende des Jahres Ausgaben in Höhe von circa 200 Millionen Euro in Sachsen und Thüringen. Sie richtet sich für dieses Jahr darauf ein, dass die zu leistenden Eigenanteile der Heimbewohner oder Angehöriger weiter steigen werden. Vor allem, weil ab September das Pflege- und Betreuungspersonal nach Tarif oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen bezahlt werden muss oder nach Höhe entsprechender Regelwerke. AOK Plus und AOK Sachsen-Anhalt sind die größten Pflegekassen in Mitteldeutschland. Der Anteil der AOK Plus bei allen stationär versorgten Pflegebedürftigen liegt einer Sprecherin zufolge bei circa 60 Prozent.

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Armutsrisiko trotz Kostendämpfer

Der gesetzliche Zuschlag bezieht sich nach Angaben der Ersatzkassen (vdek) nur auf pflegebedingten Aufwendungen und nicht auf Miete, Essen und Investitionskosten. Wie hoch die Ausgaben beim vdek ausfallen, konnten die Landesverbände der Pflege-Ersatzkassen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf Anfrage nicht benennen.

Allerdings verfehlt der Zuschuss nach Einschätzung des vdek bereits jetzt das ursprünglich angedachte Ziel, einer finanzieller Entlastung der Pflegebedürftigen. Pflegebedürftige spüren laut vdek im ersten Jahr kaum etwas von der Hilfe, insbesondere mit Blick auf die Steigerung der Pflegeentgelte. Pflege bleibe damit Armutsrisiko, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende vom Verband für Ersatzkassen (vdek), als ihr Verband Ende Juli die jüngste durchschnittliche Steigerungsrate bei den Eigenanteilen der Pflegekosten bekanntgab. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte, nur die wenigsten Pflegebedürftigen könnten sich die Eigenanteile noch leisten, immer mehr müssten beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragen.

Pflege bleibt Armutsrisiko.

Ulrike Elsner | Vorstandsvorsitzende Verband für Ersatzkassen

Arbeitgeberverband Pflege: Kosten werden weiter massiv steigen

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) warnte von einem "Kosten-Tsunami". AGVP-Präsident Thomas Greiner sagte, "die Kosten der Altenpflege steigen massiv und irgendjemand muss das bezahlen. Wenn nichts passiert, bleiben diese Kosten an den Pflegebedürftigen, ihren Familien und den Kommunen hängen – ihnen droht ein Kosten-Tsunami, wenn die Regierung nicht gegensteuert. Die Kostensteigerungen können sich für die Pflegebedürftigen und ihre Familien auf 600 bis 1.000 Euro summieren – pro Monat! Das belastet eine Familie wie eine zweite Miete. Auch auf die Kommunen rollt möglicherweise eine Kostenlawine zu."

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Gründe für die Kostensteigerungen sind laut vdek die Refinanzierung gestiegener Löhne und steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten. Allerdings bezieht sich der gesetzliche Zuschlag dem Verband zufolge nur auf pflegebedingten Aufwendungen und nicht auf Miete, Essen und Investitionskosten.

MDR AKTUELL

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 02. August 2022 | 06:00 Uhr

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