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Vorwurf: SA-Parole verwendetBjörn Höcke in Halle vor Gericht: Keine Freiheitsstrafe für AfD-Politiker zu erwarten

23. April 2024, 16:21 Uhr

Björn Höcke, Chef der AfD-Fraktion in Thüringen, hat im aktuellen Prozess vor dem Landgericht Halle maximal eine Geldstrafe zu erwarten, keine Freiheitsstrafe. Das erklärte die Kammer am zweiten Prozesstag. Höcke soll vor drei Jahren bei einer Wahlkampf-Rede in Merseburg und später erneut in Gera eine Parole der SA verwendet haben, in dem Wissen, dass sie verboten ist. Er selbst stritt den Vorwurf ab.

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Im Prozess gegen Björn Höcke wegen der Äußerung einer verbotenen SA-Parole erwartet das Landgericht Halle keine Freiheitsstrafe für den AfD-Politiker. "Sollte der Angeklagte verurteilt werden, kommt aus der Sicht der Kammer nach gegenwärtigem Stand eine Geldstrafe in Betracht", erklärte eine Sprecherin des Gerichts im Anschluss an den zweiten Tag des Prozesses gegen den Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden.

Was eine Freiheitsstrafe für Höcke bedeuten könnte

Die Staatsanwaltschaft wirft Höcke das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor. Das Strafmaß dafür reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Sollte Höcke zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, könnte das Gericht als sogenannte Nebenfolge aussprechen, dass ihm die Amtsfähigkeit sowie das aktive und passive Wahlrecht abgesprochen werden.

Laut einer Sprecherin des Landgerichts Halle betrachtet die Kammer es zum Ende des zweiten Prozesstages als unwahrscheinlich, dass es zu einer solchen Verurteilung kommt. Man gehe aktuell maximal von einer Geldstrafe aus.

Höcke äußert sich erstmals vor Gericht zu den Vorwürfen

Höcke selbst gab am Dienstag vor Gericht zu, die Worte "Alles für Deutschland" verwendet zu haben. Allerdings habe er nicht gewusst, dass es sich um eine verbotene SA-Parole handelt. Er erklärte, er sei "völlig unschuldig".

In seiner Einlassung beschrieb Höcke sich als "rechtstreuen Bürger". Der 52-Jährige hat in der Vergangenheit als Geschichtslehrer gearbeitet. Dass er Geschichte studiert habe, bedeute nicht, dass er von dem verbotenen SA-Slogan gewusst haben muss, so seine Auffassung. Er bezeichnete ihn als "Alltagsspruch". Schon vor dem Prozess hatte Höcke seine Wortwahl verteidigt. Sie sei an das "America First" von Donald Trump angelehnt.

Im Anschluss an die Einlassung befragte die Staatsanwaltschaft Höcke unter anderem zu mehreren weiteren Verfahren gegen andere AfD-Politiker. Diese haben den verbotenen Spruch demnach ebenfalls verwendet. Höcke sagte, er habe davon nichts gewusst.

Zweiter Prozesstag gegen Höcke in Halle: Video gezeigt und Zeuge vernommen

Höcke wird vorgeworfen, bei einer Partei-Veranstaltung im Jahr 2021 öffentlich die verbotene Losung "Alles für Deutschland" der paramilitärischen NSDAP-Kampforganisation SA verwendet zu haben – in dem Wissen, dass sie verboten ist.

Höcke hat die verbotene SA-Parole laut Staatsanwaltschaft 2021 bei einer Kundgebung in Merseburg (Saalekreis) ausgesprochen. Zu Beginn der Verhandlungen am Dienstag ist ein Video der Kundgebung gezeigt worden. Beobachtern zufolge hat Höcke sich das Video nur teilweise angesehen. Die übrige Zeit habe er in Büchern gelesen, sich Notizen gemacht und mit seinen Anwälten gesprochen.

Zudem hat das Gericht den ersten Zeugen vernommen, einen Polizisten aus Halle. Dieser hatte die Anzeige angefertigt, die als Ausgangspunkt für den Prozess gilt. Die Anzeige erstattet hatte der Grünen-Politiker Sebastian Striegel im Mai 2021.

Vier Prozesstage geplant

Bis zu einer möglichen Verurteilung Höckes gilt die Unschuldsvermutung. Wegen der besonderen Bedeutung des Falls hatte das Oberlandesgericht Naumburg entschieden, den Prozess am Landgericht Halle stattfinden zu lassen. Die Verhandlung findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt.

Aufrund des hohen öffentlichen Interesses findet der Prozess nicht direkt im Landgericht in Halle, sondern in einem größeren Gerichtssaal im Justizzentrum statt. Bislang sind vier Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte nach Angaben des Gerichts Mitte Mai verkündet werden.

18. April 2024: Der erste Prozesstag gegen Höcke in Halle

Am ersten Verhandlungstag (18. April) hatte Höcke sich nicht zu dem Vorwurf geäußert. Sein Mandant werde sich vor dem Landgericht Halle später äußern und auch Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten, erklärte einer seiner Verteidiger.

Die Verhandlung am Landgericht Halle findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zu dem Prozess haben sich einer Sprecherin zufolge Journalisten aus der ganzen Welt angemeldet. Am Ersten Prozesstag haben laut Polizei rund 570 Menschen vor dem Gerichtsgebäude in Halle protestiert.

Der Prozess gegen Höcke begann mit Verzögerung, nach MDR-Informationen aufgrund der großen Zahl an Prozessbeobachtern und Medienvertretern. Die Verhandlung wurde nach Beginn zunächst unterbrochen. Grund war unter anderem, dass Höckes Verteidigung eine durchgängige Audioaufzeichnung des Prozesses durchsetzen wollte. Das Gericht lehnte den Antrag auf Tonaufnahme ab. Richter Jan Stengel erklärte, ein faires Verfahren gegen Höcke sei durch die Ablehnung nicht gefährdet.

Zu Beginn des Prozesses gegen Björn Höcke fand vor dem Justizzentrum Halle eine Demonstration statt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Zweiter Fall in Gera vom jetzigen Prozess abgetrennt

Höcke wird vorgeworfen, die verbotene SA-Parole im Jahr 2023 noch einmal in Gera verwendet zu haben, zu einem Zeitpunkt, als die Anklage für den ersten Fall bekannt war. Ursprünglich sollten beide Fälle gemeinsam vor dem Landgericht in Halle verhandelt werden.

Kurz vor Beginn des Prozesses hat die Kammer laut einer Gerichtssprecherin allerdings beschlossen, den Fall in Gera von dem in Merseburg abzutrennen. Grund sei, dass Höckes Verteidigung kurzfristig gewechselt und daher keine Gelegenheit bestanden habe, in die Akten zum Fall in Gera Einsicht zu nehmen. Im Verlauf des Prozesses könnten beide Fälle wieder zusammengeführt werden.

Ob das geschieht, ist noch offen, erklärte eine Gerichtssprecherin am Ende des zweiten Prozesstages in Halle.

Historiker warnt vor der Gefahr rechtsextremer Losungen

Der Historiker Patrick Wagner, Professor am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, Losungen der SA zu verwenden, verletze die Würde der Opfer des Nationalsozialismus erneut. Die von Höcke verwendete Äußerung habe die SA als Leitspruch gebraucht.

Sie sei auf Versammlungen verwendet und in Dolche eingraviert worden. Die SA habe schon vor 1933 Hunderte Menschen umgebracht und den Nationalsozialisten die Straßen freigeprügelt und -geschossen. Nach deren Machtübernahme habe sie Terror verbreitet und rund 50.000 Menschen in Folterkammern und Konzentrationslagern eingesperrt und misshandelt.

"Das ist das, worum es bei der Kriminalisierung dieses Spruches geht", erklärte Wagner. Die Weimarer Republik sei auch daran gescheitert, dass sie der Hetze und Gewalt, vor allem von rechts, keinen Einhalt geboten habe. Das solle der Bundesrepublik nicht passieren. Unter anderem deshalb reagiere das Strafrecht in Deutschland darauf so sensibel. Ein weiterer Grund sei, dass Menschen, die Symbole und Parolen der Nationalsozialisten verwenden, sich zu deren Gewalttaten bekennen würden und zu ähnlichen Taten aufrufen könnten.

Weiterer Prozess am Landgericht Mühlhausen steht an

Höcke wird sich nicht nur in Halle einem Prozess stellen müssen. Auch am Landgericht Mühlhausen (Thüringen) wurde eine Anklage zugelassen – dort geht es um den Vorwurf der Volksverhetzung. Hintergrund ist ein Beitrag Höckes bei Telegram im Jahr 2022 nach einem tödlichen Messerangriff eines Somaliers im rheinland-pfälzischen Oggersheim. Ermittlungen gab es gegen Björn Höcke schon häufiger. In Halle muss er sich nun aber erstmals vor Gericht verantworten. Voraussetzung war, dass die Abgeordnetenimmunität Höckes durch den Thüringer Landtag aufgehoben wird.

In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Höcke soll für die AfD als Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Der Verfassungsschutz in Thüringen stuft Höcke, der im Freistaat AfD-Landespartei- und Fraktionschef ist, als Rechtsextremisten ein. Auch die Landesverbände der AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden als gesichert rechtsextrem geführt.

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dpa, AFP, MDR (André Plaul, Lucas Riemer, Anja Höhne, Maren Wilczek, Anne Gehn-Zeller) | Erstmals veröffentlicht am 18.04.2024

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. April 2024 | 19:00 Uhr