Kommentar zum WohnungsgipfelViel Geld kurbelt den Wohnungsbau nicht an
In Deutschland fehlen nach neuesten Zahlen 700.000 Wohnungen. Beim Wohnbaugipfel in dieser Woche forderten Bauwirtschaft, Immobilienunternehmen und Mieterbund in ungewohnter Einigkeit zig Milliarden vom Staat, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Tenor: Es brauche Förderprogramme in ganz anderer Größenordnung als bisher. Doch kann viel Geld wirklich helfen?
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist ernst, keine Frage. Es fehlen preiswerte Wohnungen. Die Baukosten sind hoch, die Bauzinsen auch und neu gebaut wird immer weniger. Die Regierung wird ihr Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen zu lassen, in diesem Jahr nicht erreichen. Und im nächsten wahrscheinlich auch nicht.
Geld käme Baufirmen zu gute, die gut verdient haben
Trotzdem sollte es sich der Staat meiner Meinung nach zwei Mal überlegen, ob er die Baubranche pauschal unterstützen will. Allein 50 Milliarden Euro fordert ein Verbändebündnis für den sozialen Wohnungsbau. Weitere 22 Milliarden Euro will es, um Kaltmieten zwischen 8,50 Euro und 12,50 Euro zu ermöglichen.
Das sind gigantische Summen für Mietversprechen, die über den heutigen Bestandsmieten liegen. Das viele Geld käme Baufirmen zu Gute, die über Jahre exzellent verdient haben.
Baubranche verschweigt eigene Fehler
Dass es am Bau gerade nicht läuft, hat viele Ursachen. Eine verschweigt die Branche: Sie hat es in fast dramatischer Weise versäumt, effizienter, sparsamer und kundenorientierter zu werden.
Man muss sich nur Zahlen des Statistischen Bundesamtes ansehen. Demnach ist die Arbeitsproduktivität in der Baubranche gesunken – seit 2010 um zwölf Prozent. Die Produktivität der Deutschen insgesamt ist im gleichen Zeitraum hingegen gestiegen – um fünf Prozent. Zugespitzt formuliert: Wir haben der Bauwirtschaft immer mehr Geld gegeben, aber immer weniger dafür bekommen.
Bei Förderprogrammen in der Vergangenheit beschlich einen mitunter das Gefühl, zumindest ein Teil wurde pauschal auf die realen Baukosten obendrauf geschlagen. Dieser Förderanteil blieb dann mutmaßlich als Mehrgewinn beim Bauunternehmer hängen.
Baubranche muss sich erst modernisieren
Bevor wir also neue Milliarden verteilen, sollte die Baubranche erst einmal in sich gehen, sich modernisieren. Für viele Vorhaben könnte sie mehr Produkte industriell vorfertigen lassen. Sie könnte viel mehr digitale Technik einsetzen, die Gewerke untereinander besser vernetzen. Und auch modulares Bauen, bei dem aus vorgefertigten Teilen preiswert individuelle Wohnungen entstehen, spielt eine zu kleine Rolle.
Mehr über Sanierung in Ostdeutschland sprechen
Plattenbauten, die in der DDR in Serie gefertigt wurden, lassen sich heute wahrscheinlich auch serienmäßig sanieren. Und das sogar hübsch. Überhaupt: die Sanierung. Es wird zu wenig darüber gesprochen, welche Potenziale man in Ostdeutschland aus leerstehenden Altbauten noch herausholen kann. Das ist auch deshalb kaum Thema, weil man mit Neubau mehr verdient.
Staat muss Bauen entbürokratisieren
Natürlich kann auch der Staat etwas tun. Er sollte das Bauen entbürokratisieren, Bauanträge vereinheitlichen, sie schneller bearbeiten. Aber beim Verteilen von Milliarden sollte er zurückhaltend sein. Wenn die Regierung die Baubranche finanziell doch unterstützt, sollte sie das an harte Auflagen knüpfen – in Sachen Produktivität, Energieeffizienz und Bautempo.
Pauschal zig Milliarden zu fordern, weil sonst der "Gau am Bau" drohe – damit macht es sich die Bauwirtschaft zu einfach. Das viele Geld würde alte Versäumnisse nur zudecken. Doch die müssen erst einmal gelöst werden.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Nachrichten | 20. April 2023 | 16:00 Uhr
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