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Kolumne | Unter der LupeLauterbach: Schwächster Ampel-Minister?

29. April 2023, 05:00 Uhr

Für seine abgespeckte Pflegereform bekommt Gesundheitsminister Lauterbach auch aus den eigenen Reihen viel Kritik. Mit seinen Krankenhausplänen droht er gar ganz zu scheitern. Weitere Vorhaben kommen nur schleppend voran. In der Ampelkoalition wird deshalb Lauterbachs Eignung als Minister hinterfragt.

Auf den Fluren des Reichstages wird derzeit viel über einen Minister getuschelt. Nein, nicht über Robert Habeck und sein Heizungsgesetz und auch nicht über Volker Wissing und seine schleppenden Anstrengungen für Klimaschutz im Verkehrssektor. Die Kritik an beiden wird unverhohlen öffentlich formuliert. Hinter vorgehaltener Hand spricht das politische Berlin vor allem über Karl Lauterbach, dem im Gesundheitswesen eine Reform nach der anderen zu entgleiten droht und der deshalb nicht nur von der Opposition als "schwächster" Ampel-Minister ausgemacht wird.

Lauterbach enttäuscht bei Pflegereform

Diese Schwäche wird aktuell vor allem sichtbar an den Reformplänen des SPD-Politikers für die Pflegeversicherung. Die ist seit Jahren chronisch unterfinanziert, bei gleichzeitig weiter steigenden Kosten. Ende vergangenen Jahres betrug das Defizit über zwei Milliarden Euro. Lauterbach versprach Hilfe, doch heraus kam lediglich Stückwerk. Ein bisschen mehr Pflegegeld, ein wenig mehr für Pflegedienste und etwas höhere Zuschläge in der vollstationären Pflege.

Und das alles vor allem zulasten der Beitragszahler. So sollen Kinderlose ab Juli zusätzlich knapp 0,5 Prozentpunkte ihres Bruttolohns in die Pflegeversicherung einzahlen. Und auch der Anteil der Arbeitgeber steigt. Arbeit wird also teurer und viele Menschen haben weniger Geld im Portemonnaie. Was angesichts niedriger Löhne vor allem den Osten härter trifft. In Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft und hohen Inflation sind das die falschen Signale.

"Alle hassen Lauterbach"

Dabei hatte die Ampel schon im Koalitionsvertrag festgelegt, dass bestimmten Kosten künftig nicht mehr über Beiträge, sondern über Steuern finanziert werden sollen. Doch selbst mit diesem Pfund kann Lauterbach sich nicht gegen den Finanzminister durchsetzen. Beim Kanzler findet er wohl auch kein Gehör und im Parlament wirkt er zu Weilen isoliert.

Aus dem geplanten Pflegeentlastungsgesetz würde ein Pflegebelastungsgesetz, spottet die Union. Selbst viele Abgeordnete aus den Ampelreihen winken entnervt ab. Die Liberalen zweifeln daran, dass Lauterbach je das Format für das Ministeramt gehabt hätte. In seiner eigenen SPD-Fraktion wird bereits über seine Abberufung spekuliert. Und bei den Grünen hört man sogar Sätze wie: "Alle hassen Lauterbach."

Erst ankündigen, dann zurückrudern

Der Grund dafür ist vor allem in der Arbeitsweise des Ministers zu finden. Lauterbach kündigt zunächst etwas an, trifft dann auf Widerstände und muss schlussendlich wieder zurückrudern. Die Erwartungen, die er selbst geschürt hat, kann er oft kaum erfüllen.

So kommt Lauterbach auch bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen nur schleppend voran. Die Gründe: Bedenken beim Datenschutz, mangelnde Umsetzung in der Verwaltung. Zudem droht die Krankenhausreform zu scheitern oder zumindest deutlich hinter Lauterbachs Ankündigungen zurückzubleiben. Nicht weniger als die größte Strukturreform der letzten 20 Jahre will er vorlegen. Neben einer besseren Finanzierung von Kliniken soll auch die Notfallversorgung besser und der Mangel an Pflegekräften behoben werden. Eine von ihm eingesetzte Expertenkommission erarbeitet dafür Vorschläge. Lauterbach spricht von einer Revolution, verspricht Klasse statt Masse, weniger Ökonomie, mehr Medizin.

Nicht die erste Rückwärtsrolle

Doch die Länder machen schnell klar, dass sie auf ihre Entscheidungskompetenzen bei der Krankenhausplanung bestehen werden. Der Gesundheitsminister muss sich frühzeitig auf Zugeständnisse einlassen. Ein von Bayern, NRW und Schleswig-Holstein in Auftrag gegebenes Gutachten kommt sogar zu dem Schluss, dass Lauterbachs Pläne nicht verfassungskonform sind. Dabei will Lauterbach eigentlich bis zum Sommer einen Gesetzentwurf präsentieren, nun ist die Rede nur noch von Eckpunkten. Und selbst daran bestehen Zweifel, dass es dazu kommt.

Letztlich wäre es nicht die erste Rolle rückwärts des Gesundheitsministers. Beim Triage-Gesetz wollte er Patienten mit geringerer Überlebenschance von Maschinen abgeschaltet lassen, um Patienten mit besserer Heilungschance versorgen zu können. Nach Entsetzen bei SPD und Grünen muss Lauterbach zurückrudern. Vor laufenden Kameras kassiert er Änderungen bei der Corona-Quarantäne ein, auf die er sich kurz zuvor noch mit den Ländern geeinigt hatte.

Fehlendes politisches Geschick

Zweifelsohne besitzt Lauterbach eine hohe Fachkompetenz. So hat er als Gesundheitsökonom gearbeitet, war Mitglied im Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen, hat sich in den letzten fast 18 Jahren einen Ruf als Gesundheitspolitiker erarbeitet, tingelte als Experte von Talkshow zu Talkshow. Als Minister aber scheint ihm bislang das politische Geschick zu fehlen. Während Kabinettskollegen wie Arbeitsminister Heil oder Justizminister Buschmann weitgehend ruhig vor sich hinarbeiten und so auch Erfolge erzielen, wirkt Lauterbach oft rastlos, manche sagen gar erratisch. Dass der Kanzler dennoch weiter an ihm festhält, liegt wohl vor allem an der Scholz'schen Eigenart, Druck von außen schon aus Prinzip nicht nachgeben zu wollen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. April 2023 | 06:00 Uhr