LeipzigGeneralsekretär auf Weltverkehrsforum: Sind weit weg von dem, was wir benötigen
Auf dem Weltverkehrsforum in Leipzig mahnt Generalsekretär Young Tae Kim zu mehr Nachhaltigkeit in der Verkehrswende. Bis 2050 würde der Passagierverkehr um fast 80 Prozent zunehmen. Dabei müssten deutlich mehr Treibhausgasemissionen eingespart werden. Im Mobilitäsausblick für 2050 raten Experten daher dringlichst zu weniger Verkehr auf den Straßen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sieht das jedoch anders.
- Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist überzeugt, dass Klimaschutz und wachsender Verkehr vereinbart werden könnten und verweist auf E-Verkehrsmittel.
- Insa Ilgen, Projektleiterin für nachhaltige Mobilität, ist da anderer Meinung.
- Das Weltverkehrsforum rät in seinem Mobilitätsausblick zu weniger Verkehr, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.
Von dem französischen Gelehrten Blaise Pascal ist der Satz überliefert, das ganze Elend der Menschheit rühre daher, dass sie nicht ruhig zu Hause bleiben könne. Pascal ist seit 360 Jahren tot. Aber sein Satz passt noch gut. Weil immer mehr Menschen reisen, die Welt wieder so unterwegs ist wie vor Corona, verpuffen fast alle Bemühungen, den Verkehr klimaneutral zu machen.
Der Generalsekretär des Weltverkehrsforums, Young Tae Kim, zeichnete in Leipzig deshalb ein düsteres Bild: "Die Treibhausgasemissionen durch den Verkehr werden 2050 nur drei Prozent niedriger als 2019 liegen. Das ist weit weg von dem, was wir benötigen, um die globale Erwärmung einzudämmen. Die stark wachsende Nachfrage nach Mobilität verschlingt nahezu alle Fortschritte der Dekarbonisierung. Der Frachtverkehr wird sich bis 2050 verdoppeln, der Passagierverkehr um fast 80 Prozent wachsen."
Empfehlung: Vision mit mehr Bussen und Bahnen entwickeln
Doch man könne etwas tun. Eine Empfehlung des Weltverkehrsforums lautet: Straßen nicht mehr nach prognostiziertem Bedarf bauen, sondern eine politische Verkehrsvision entwickeln und umsetzen. Eine Vision mit mehr Bussen und Bahnen, mit mehr Radverkehr und Fußwegen – und weniger Autos.
Wissing: Können Nachhaltigkeit nicht durch Verbote erreichen
Doch letzteres will Bundesverkehrsminister Volker Wissing niemandem vorschreiben: "Wir können Nachhaltigkeit in der Mobilität nicht durch Verbote und Einschränkungen auf Dauer erreichen. Ich gehe davon aus, dass Menschen nicht sinnlos durch die Gegend fahren, sondern dass sie einen Grund haben, warum sie sich bewegen. Man muss zum Arzt, will Verwandte besuchen, zum Arbeitsplatz fahren und vieles mehr. Und dafür müssen wir analysieren, was ihre Bedürfnisse sind und dann die Infrastruktur anpassen."
Wissing sagt, es gehe ihm nicht um mehr Straßen, aber Engstellen müsse man beseitigen. Klimaschutz und wachsender Verkehr ließen sich durchaus vereinbaren, wenn alle Verkehrsmittel auf Strom oder CO2-neutrale Kraftstoffe umgestellt würden.
Ilgen: Elektrifizierung von PKW löst Verkehrsproblem nicht
Insa Ilgen reicht das nicht aus. Sie ist Projektleiterin für nachhaltige Mobilität bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.
"Der Weg ist nicht die Elektrifizierung von privaten Autos. Dann stehen wir mit unseren Elektroautos im Stau. Das macht unseren Verkehr nicht sicherer, in keiner Weise. Sondern es geht um die Elektrifizierung von öffentlichem Personennahverkehr. Ein Auto, das 23 von 24 Stunden am Tag in unseren Innenstädten steht, wo wir Mangel an Fläche haben und die sich aufheizen, das ist nicht nachhaltig."
Ilgen verweist auf Städte wie Amsterdam, Bogota oder Barcelona, die Autos zurückgedrängt und an Lebensqualität gewonnen hätten. Auf dem Weltverkehrsforum werben viele Experten dafür, Gehen und Radfahren in den Städten attraktiver zu machen. Dafür allerdings müssen vielerorts bestehende Straßen beschnitten werden.
Verkehrsminister Großbritannien: Werden keinen zwingen
Doch die Politik will es sich oft mit den Autofahrern nicht verscherzen. "Wir versuchen nicht, die Leute aus dem Auto zu zwingen", betont Großbritanniens Verkehrsminister Mark Harper für sein Land. "Wir versuchen sinnvolle Angebote zu machen, aus denen sie wählen können. Aber wir werden keinen Wechsel erzwingen."
Ob so allerdings auch in Entwicklungsländern die Verkehrswende gelingt, wo viele Metropolen im Stau ersticken? In seinem Mobilitätsausblick für 2050 empfiehlt das Weltverkehrsforum jedenfalls nicht nur eine Umstellung auf Elektromobilität, sondern auch weniger Verkehr: Mit ambitionierten Maßnahmen könne die Politik die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr bis 2050 doch noch um 80 Prozent senken.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. Mai 2023 | 06:00 Uhr