Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Ein Rentner kontrolliert seine Gasheizung: Eine neue einbauen wird er soll schnell nicht müssen. Bildrechte: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

JahresrückblickHeizungsgesetz 2024 startet mit angezogener Handbremse

29. Dezember 2023, 12:57 Uhr

Ab Januar gilt das neue Heizungsgesetz. Dass damit nun die Wärmewende durchstartet, ist aber unwahrscheinlich. Das wirtschaftliche Umfeld ist nicht gut. Und das Gesetz erlaubt es vielen Leuten, erstmal noch abzuwarten.

Aus Verbrauchersicht dürfte 2023 vor allem der Streit um das Ende September auch im Bundesrat verabschiedete Heizungsgesetz in Erinnerung bleiben. Ab 1. Januar gilt es nun und kann zeigen, wie es wirkt.

Dabei sind die Voraussetzungen für eine schnelle Zeitenwende bei der Wärmeversorgung nicht gerade die besten: Deutlich gestiegene Preise für Wärmepumpen, für Strom und Handwerker-Leistungen, für Bauen an sich und für Bau-Kredite. Zudem bremsen Übergangsfristen im Heizungsgesetz den Umbau im Bestand, auch weil die kommunale Wärmeplanung wohl vielerorts noch eine Weile auf sich warten lassen wird.

Während etwa in Leipzig schon für das Jahresende erste Neuigkeiten zum Thema angekündigt waren, könnte sich das hier und in vielen Kommunen aber auch noch hinziehen: Mitte Dezember warnte der Deutsche Städtetag vor Verzögerungen bei der kommunalen Wärmeplanung. Erst brauche es Landesgesetze dazu, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Beitrag der Fernwärme vorerst unsicher

"Leider erreichen uns Signale, dass die Länder die offenen Fragen zum Bundeshaushalt zum Anlass nehmen könnten", damit noch zu warten, sagte Dedy. Auch werde nur Wärmeplanung keine Wende bringen. Es komme auf die Umsetzung an und auf "Klarheit über die geplanten Fördermittel".

Erst wenn eine Kommune einen Wärmeplan hat, müssen Hauseigentümer beim Einbau neuer Heizungen darauf achten, dass diese mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien laufen. So aber bleibt der Fernwärme-Beitrag zur Energiewende länger offen: Denn ob Kommunen einen Ausbau überhaupt angehen, ist unsicher. Und tun sie es, können Bewohner größerer Städte ab 2026 und von kleineren ab 2028 noch zehn Jahre Zeit mit ihrer alten Heizung auf Fernwärme warten. Dabei würde ein Ausbau die Kommunen auch viel Geld kosten, und hohe Preise trüben die "Vorfreude" darauf schon jetzt.

Wenigstens waren die Erdgasspeicher voll, schon Anfang November. Gasmangel droht in diesem Winter nur, wenn es sehr lange sehr kalt würde und weitere Lieferungen aus jetzt sicheren Herkunftsländern ausfielen.

Sicher sinnvoll war da, dass sich ein Bundeswirtschaftsminister der Grünen vor dem Heizungsgesetz um Alternativen für russisches Erdgas bemüht hat. Denn zu Beginn der jetzt angestoßenen Klima-Wärmewende und für sicher noch längere Zeit heizen die meisten Deutschen weiter fossil.

Letzter Boom bei Gas- und Öl-Heizungen

In der Studie "Wie heizt Deutschland?" hatte der Bund Deutscher Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei Bestandsgebäuden für 2021 klar Erdgas als wichtigsten Heizungs-Energieträger genannt:

  • Gasheizung: 49 % (38 % aller Wohnungen 1995)
  • Öl-Heizungen: 25 % (34 % aller Wohnungen 1995)
  • Fernwärme: 14 % (12 % aller Wohnungen 1995)
  • Wärmepumpe: 3 % (keine Zahlen für 1995)

Gas- und Öl-Heizungen bleiben im Bestand also vorerst Standard in Deutschland: Noch rund 6,2 Millionen Gasheizungen liefen laut Statistik 2022 bundesweit – nach mehr als neun Millionen zehn Jahre zuvor. Auch waren 2022 noch mehr als vier Millionen Öl-Heizungen in Betrieb.

Neubau hatte daran noch nicht viel geändert. Laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) sank bei hohen Gaspreisen nach dem Ende russischer Lieferungen der Absatz von Gasheizungen gegenüber 2021 nur leicht, um acht Prozent auf 598.500 Anlagen. Insgesamt habe es 2022 dabei ein Plus von fünf Prozent mit 980.000 neuen Heizungen gegeben.

Wärmepumpen-Verkäufe legten demnach um 53 Prozent zwar stärker zu, blieben aber mit rund 236.000 Geräten insgesamt und einem Anteil von 24 Prozent 2022 noch einmal deutlich hinter den Gasheizungen zurück.

Insgesamt wählten bis vor einem Jahr also 66 Prozent der Käufer noch Heizungen für fossile Brennstoffe wie Erdgas und Heizöl, obwohl schon ab Mitte August 2022 die staatliche Förderung gekürzt worden war.

Rekordwerte Anfang des alten Jahres

Vor In-Kraft-Treten des neuen Heizungsgesetzes, nach dem im Kern keine neue Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen, gab es für sie aber einen vermutlich letzten Boom. Laut BDH wurden im ersten Quartal 2023 rund 306.500 neue Heizungsanlagen verkauft, so viele wie einst in den 1990er-Jahren und im Vergleich zum Vorjahresquartal 38 Prozent mehr.

Rund 168.000 neue Gasheizungen machten dabei gut 55 Prozent aus. Noch stärker nahm sogar der Verkauf bei Öl-Heizungen zu, der sich im Vergleich zum Vorjahresquartal verdoppelte. Allerdings hatten Öl-Heizungen mit 21.500 verkauften Anlagen absolut nur einen Anteil von etwa sieben Prozent.

Als Grund des Booms nannte der BDH, dass viele Hausbesitzer ihre Anlage noch vor dem neuen Gebäude-Energie-Gesetz modernisieren wollten. Wohin die Reise da aber jetzt geht, zeigten auch die BDH-Zahlen für das erste Quartal 2023 schon klar: Bei 111 Prozent lag demnach das Plus bei Wärmepumpen-Verkäufen und mit 96.500 Anlagen ihr Anteil schon bei 31 Prozent.

Heizungsumbau vorerst gebremst

Einen Heizungsumbau-Schock, vor dem vor allem die Opposition groß gewarnt hatte, wird es aber nicht geben. Mit dem in dieser Hinsicht auch ausgebremsten Heizungsgesetz wird der Umbau 2024 eher schleppend an Fahrt aufnehmen – vor allem weil die Inflation und die weiter doch recht hohen Zinsen für Finanzierungen die Bau-Konjunktur noch bremsen.

Auch dürfen ja erstmal alle ihre Heizung behalten, die nicht neu bauen. Im Bestand werden Wärmepumpen oder andere klimafreundlichere Anlagen erst zwingend, wenn alte irreparabel kaputt gehen. Und selbst dann dürfen noch fünf Jahre lang auch gebrauchte Öl- und Gasheizungen eingebaut werden.

Generell können vor dem 9. April 2023 erteilte Aufträge noch ausgeführt werden. Und es gibt weitere Ausnahmen und Übergangsregelungen, etwa dann, wenn innerhalb von zehn Jahren ein Fernwärme-Anschluss käme.

Förderung erst kurz vor Weihnachten fertig

Ob Fördermittel dem Heizungsumbau auf die Beine helfen können, muss sich zeigen. Immerhin wurde die neue Richtlinie dazu noch kurz vor Weihnachten vorgelegt. Sie soll ebenfalls ab 1. Januar gelten. Danach kann der geförderte Austausch von Heizungen beauftragt werden.

Förderanträge können zwar erst ab Ende Februar bei der staatlichen Förderbank KfW eingereicht werden. Sie gelten aber auch rückwirkend für Vorhaben, die seit Jahresbeginn 2024 begonnen werden.

Vorgesehen ist eine Grundförderung von 30 Prozent für neue Heizungen auf Basis erneuerbarer Energien in Bestandsgebäuden. Einen Bonus gibt es, wenn Anlagen besonders umweltfreundlich sind, und noch einen von 30 Prozent, wenn Eigenheim-Besitzer weniger als 40.000 Euro an Einkommen haben. Alle Boni können kombiniert werden bis zur Maximalförderung von 70 Prozent.

Als Anreiz für einen frühen Start der Umrüstung soll es dazu noch einen Bonus von 20 Prozent geben, der ab 2029 jedoch alle zwei Jahre um drei Prozentpunkte sinkt. Seine ursprünglich geplante Ausweitung auf bis zu 25 Prozent für 2024 und 2025 ist dem Sparzwang zum Opfer gefallen.

Hohe Preise für Strom und Wärmepumpen

Bremsend dürften sich dagegen hohe Preise für Strom und auch für Wärmepumpen auswirken. Während Strompreise für die Industrie über die Steuer gesenkt werden, haben Normal-Verbraucher das Nachsehen.

Für private Verbraucher dürfte es zunächst eher teurer werden: Neben der CO2-Abgabe steigen am 1. Januar – ohne die noch bis vor Kurzem geplante Stützung – auch die Netzentgelte für Strom deutlich stärker, während das versprochene und vielleicht ausgleichende Klimageld nicht in Sicht ist.

Dabei ist für die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe gerade der Preis für ihren Betriebsstrom wichtig. Dessen Anstieg wurde 2023 – wie der Preis für Erdgas – staatlich gebremst, die Verlängerung dessen vor Jahresende jedoch gestrichen, da sich die Regierung bei der Finanzierung verspekuliert hatte.

Als einen echten "Bremsklotz" bezeichnete Ralf Krug vom Bund der Energieberater in einer DLF-Marktplatz-Sendung den in Deutschland deutlich teureren Strom für Wärmepumpen. Während er in skandinavischen Länder weniger als zehn Cent koste, lägen die Preise hierzulande im günstigsten Fall bei 25 Cent pro Kilowattstunde. Beim mitteldeutschen Versorger EnviaM waren es zuletzt in Leipzig sogar 33,84 Cent.

Zudem, so Energieberater Krug weiter, sei bei den Preisen für die Geräte zuletzt "eine extreme Steigerung eingetreten". Vor zwei Jahren haben man eine Wärmepumpen-Anlage noch für rund 25.000 Euro bekommen, heute seien es eher 35.000 Euro und "teilweise deutlich mehr". Wirtschaftlichkeit sei damit kaum hinzubekommen, sagte Krug: "Das ist ein großes Problem."

Klima-Ökonomin Claudia Kemfert war im zurückliegenden Jahr zwar erleichtert, dass es beim Heizungsgesetz überhaupt eine Lösung gab. Auch sie kritisierte aber, dass es viele Schlupflöcher erschwerten, die deutschen Klimaziele zu erreichen. Sie warnte dabei, noch fossile Heizungen einzubauen, weil das wegen des steigenden CO2-Preises zur Kostenfalle werden könne.

Dieses, auch von Grünen-Politikern häufiger vorgebrachte Argument, wird durch den – wegen der Haushaltskrise – jetzt deutlich steigenden CO2-Preis noch erhärtet: Betreiber von Öl- und Gasheizungen werden stärker belastet, ohne dass Wärmepumpen schon eine kostengünstigere Alternative wären.

Zwar erwarten Experten auch wieder sinkende Preise – allerdings erst in zwei Jahren. Bis dahin und darüber hinaus haben viele Leute noch viel Zeit, um etwa mit der "Wärmepumpen-Ampel" zu spielen und zu schauen, ob und was bei ihnen da so ginge. Handeln müssen und sollten sie aber erst, wenn es sich rechnet, woran Zweifel vorerst mal noch berechtigt sind.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 26. Dezember 2023 | 19:30 Uhr