recapWer ver(sch)wendet unser Wasser?
Deutschland hat immer weniger Wasser - weil es viel zu trocken ist. Deswegen haben einige Landkreise in Sachsen und Sachsen-Anhalte auch dieses Jahr wieder Wasserentnahme-Verbote erlassen. Die gelten aber nicht für die Industrie. Dabei entnimmt die nach Recherchen von Correctiv täglich Billionen Liter Wasser. Oft für wenig Geld. In drei Bundesländern, darunter Thüringen, sogar kostenlos. Wie kann verhindert werden, dass Deutschland das Wasser ausgeht?
Das Grundwasser in Deutschland sinkt. Das ist eine Folge der klimatischen Trockenheit, sagt Andreas Hartmann, Leiter des Instituts für Grundwasserforschung an der TU Dresden. Zum Teil falle zu wenig Niederschlag, außerdem sei die Verdunstung extrem gestiegen. Das wird auch auf dem Dürremonitor des Helmholtz-Zemtrums für Umweltforschung deutlich. In Süddeutschland, vor allem aber im Osten, sind die Böden sehr trocken.
Das merkt auch Landwirt Michel Allmrodt. Er hat Äcker in Schönwalde in der Altmark. Für ihn bedeutet Trockenheit vor allem Einkommensverluste. "Es ist in unserer Region eigentlich kaum möglich, von der Landwirtschaft zu leben. Man ist auf Nebeneinkünfte angewiesen und in extremen Jahren kann das halt auch bis zu Liquiditätsengpässen führen."
Es ist in unserer Region kaum möglich, von der Landwirtschaft zu leben.
Michel Allmrodt, Landwirt aus der Altmark
Doch wie viel Wasser entnimmt eigentlich die Landwirtschaft? Oft werden dafür zwei Prozent angegeben. Doch aus der großangelegten Recherche von Correctiv geht hervor, dass der Wasserverbrauch der Landwirtschaft deutlich höher ausfallen könnte.
Landwirtschaft braucht mehr Wasser als gedacht
Journalistin Gesa Steeger hat sich genau angeschaut, wo diese zwei Prozent herkommen. "Wir haben dann gesehen, die [Zahl] ist gar nicht so gesetzt oder haltbar tatsächlich, weil einfach sehr viel Wasserverbrauch der Landwirtschaft gar nicht gemeldet wird. Das heißt, es ist gar nicht klar, wie viel Wasser in die Landwirtschaft geht."
Industrie ist größter Wasserschlucker
Die öffentliche Wasserversorgung, also der Wasserverbrauch von Privatpersonen und öffentlichen Einrichtungen, beträgt laut Statistischem Bundestamt etwa ein Viertel des Gesamtverbrauchs aus. Fast drei Viertel entfallen auf Industrie und Energieversorger.
Ein Beispiel: Der Wasserverbrauch aller Einwohner von Berlin liegt laut Correctiv-Recherche bei fast 160 Millionen Kubikmetern Wasser. Der des Energieversorgers RWE allein bei 500 Millionen Kubikmetern. Das ist mehr als das Dreifache.
Und nicht nur das. Die Kosten für Wasser sind in Deutschland über den sogenannten "Wassercent" geregelt. Der ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hoch. Je nachdem, welches Wasser man nimmt - also Grund- oder Flusswasser - und wofür man es nutzt.
Kein "Wassercent" in Thüringen
In manchen Bundesländern ist Wasser für die industrielle Produktion billiger, als wenn daraus Trinkwasser gemacht wird. Und in drei Bundesländern, in Hessen, Bayern und Thüringen, ist Wasser sogar generell kostenlos. Und das nützt vor allem Industrie und Energieversorgern, weil sie den höchsten Verbrauch haben.
Die Industrie profitierte in Teilen Deutschlands von undurchsichtigen Regelungen, sagt Journalistin Gesa Steeger von Correctiv. "Es gibt ja diese sehr sehr langen Laufzeiten eben für diese Wasserentnahmen, das sind teilweise 30 Jahre und das müsste dringend angepasst werden."
Es gibt sehr sehr lange Laufzeiten für Wasserentnahmen, das sind teilweise 30 Jahre.
Gesa Steger, Journalistin bei Correctiv
In der Kritik stand auch die Ansiedlung der Tesla-Gigafactory im brandenburgischen Grünheide. Die viel Wasser verbraucht, das in Brandenburg ohnehin ein knappes Gut ist. Zudem steht die Fabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet. Die Bürger vor Ort befürchten, dass Tesla ihre Trinkwasserreserven aufbraucht. Jetzt soll die Farbik zur Herstellung von E-Autos sogar noch erweitert werden.
Industrie oder Bürger: Wer kriegt das Wasser?
Auch in Dresden wird sich der Wasserbedarf bis 2030 verdoppeln. Grund sind die neuen Fabriken von Bosch und Infineon. Doch in Dresden fängt man an, die Wasserinfrastruktur umzubauen. Der dortige Wasserversorger SachsenEnergie will künftig Industrie - und Trinkwasser trennen. Dafür wird gerade ein neues, separates Betriebswassersystem gebaut. So soll die in Dürrezeiten angespannte Trinkwasserversorgung entlastet werden.
Was tun gegen Wassermangel?
Dass jetzt jeder Privathaushalt Wasser streng rationieren müsse, so weit seien wir noch nicht, meint Journalistin Gesa Steeger. Trotzdem gehen ihrer Meinung nach die Wasserentnahmeverbote in den einzelnen Landkreise noch nicht weit genug. "Eigentlich müsste es dann auch Einsparaufrufe an die Industrie geben, weil das natürlich die großen Wasserverbraucher sind!"
In anderen Ländern gibt es schon länger Notfallpläne gegen Wassermangel - so zum Beispiel in den Niederlanden, Frankreich oder Spanien. Auch Deutschland wappnet sich - mit der "Nationalen Wasserstrategie". Die kommt aus dem Umweltministerium von Grünen-Politikerin Steffi Lemke. Mit der Nationalen Wasserstrategie verfolge man ein klares Ziel: Sauberes Wasser müsse immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar sein, sagt Lemke.
Sauberes Wasser muss immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar sein.
Steffi Lemke, Bundesumweltministerin (B'90/Die Grünen)
Ausgelegt ist die Strategie bis 2050. Erstmal. Bis dahin soll es überall in Deutschland gutes und bezahlbares Trinkwasser geben. Die Gewässer und das Grundwasser sollen sauber bleiben oder sauberer werden. Abwasser muss auch der entsorgen, der es verursacht hat und die komplette Wasserinfrastruktur soll an die Klimakrise angepasst werden.
"Wassercent" für alle?
Auch an den "Wassercent" will Umweltministerin Lemke heran. Dann müsste man zumindest in allen Bundesländern für die Wasserentnahme zahlen. Allerdings ist dies Ländersache.
Doch reicht das aus? Andreas Hartmann, Grundwasserforscher an der TU Dresden, hatte sich von der Nationalen Wasserstrategie mehr versprochen. "Generell finde ich alles richtig, was da drin steht. Alle Maßnahmen würde ich so unterschreiben. Was mir ein bisschen fehlt: Was machen wir denn, wenn es jetzt wirklich weiter so bergab geht mit dem Grundwasser?"
Hartmann findet, es brauche einen Notfallplan, der schnell umgesetzt werde und vor allem umgesetzt werden müsse. Denn die Nationale Wasserstrategie sei kein Gesetz.
Schwammstadt als Lösung?
Ein Beispiel, wie man Wasser nachhaltig nutzt und gleichzeitig die Infrastruktur einer Stadt an den Klimawandel anpassen könnte, ist die sogenannte Schwammstadt. Das bedeutet: Weniger versiegelte Flächen, weniger Beton, mehr Grün. Eine Schwammstadt soll möglichst viel Regenwasser aufnehmen und es nutzbar machen. Berlin ist darin Vorreiter. Auch Dresden oder Leipzig wollen zur Schwammstadt werden.
Dieses Thema im Programm:recap bei YouTube | 07. Juli 2023 | 17:00 Uhr